"Hau den Lukas"

Datum: Mittwoch, 25. April 2012 09:49


Wenn die Kleinen Raufen & Kämpeln


Rangeleien im Kindergarten und auf dem Schulhof

Glaubt man Studien, gibt es zunehmend Gewalttaten unter Jugendlichen und die Täter werden immer jünger. Langzeitstudien zeigen außerdem, dass aus aggressiven Kindern später aggressive Erwachsene werden. Immer öfter sieht man prügelnde Jugendliche, wenn man die Zeitung aufschlägt oder den Fernseher anschaltet. Dabei wird doch schon frühzeitig darauf geachtet, dass die lieben Kleinen sich nicht prügeln. Doch das ist nicht immer sinnvoll. Vor allem Jungs müssen den Raum haben, sich auf dem Schulhof auch mal mit anderen zu raufen. Das klingt paradox, ist aber tatsächlich wichtig und sinnvoll für die Entwicklung. Dabei sind Grenzen wichtig. Und nicht jedes Kind, das sich im Kindergarten mit einem anderen rauft, ist automatisch ein aggressives Kind. 

Wut und Aggression – Was ist das?
Sowohl bei Wut, als auch bei Aggression handelt es sich um sehr starke, negative Emotionen. Beide Begriffe stehen in enger Beziehung zueinander, man kann das eine ohne das andere nicht erklären. Bei Wut handelt es sich oftmals um impulsive Handlungen mit aggressiven Zügen – man spricht vom Affekt. Wut lässt sich wohl am ehesten über Abgrenzung beschreiben: Das Gefühl ist wesentlich stärker als bloßer Ärger und schwieriger zu kontrollieren als Zorn. Außerdem ist Wut nicht so distanziert wie Zorn. Das heißt, wer wütend ist, hat eine engere Bindung zum Objekt der Wut. Im Gegensatz dazu ist Aggression durch eine Absicht geleitet und zwar mit der Absicht, jemand anderem einen Schaden zuzufügen. Aggressionen sind also zielgerichtet. Dabei muss man jedoch unterscheiden, ob es sich um eine Aktion oder eine Reaktion handelt. Das ist insofern wichtig, als dass es sich bei dem einen darum handelt, auf erfahrenes Leid zu reagieren, bei dem anderen hingegen, gezielt etwas zu erreichen. Man kann dabei zwischen drei Arten von aggressivem Verhalten unterscheiden: Physische und verbale Aggression und der Rückzug. Bei der physischen Aggression handelt es sich um Aktionen wie schlagen, schubsen, treten oder beißen. Wird gelästert, geschimpft, beleidigt oder werden Gerüchte in Umlauf gebracht, hat man es mit verbalen Aggressionen zu tun. Der Rückzug ist selbsterklärend, das Kind bleibt für sich und schmollt oder bockt zum Beispiel. Doch Wut und Aggression müssen nicht zwangsläufig etwas schlechtes sein. Wenn Kinder mit ihren Spielzeugen Cowboy und Indianer oder Autocrash spielen, können sie darüber Kontakt zu anderen Kindern aufnehmen. Je älter das Kind wird, umso kontrollierter kann es mit seinen Aggressionen umgehen. Dabei müssen Eltern unterstützend wirken, mit Bewegung oder „Verlieren üben“ zum Beispiel. Auch die Wut kann sinnvoll sein. Durch sie kann das Kind deutlich signalisieren „Bis hierhin und nicht weiter“.

Ist mein Kind aggressiv? 
Eltern von aggressiven Kindern beschreiben diese oft als sehr unruhig und schwierig im Umgang. Da es sich um ein relativ stabiles Verhaltensmuster handelt, gilt hier, je eher etwas dagegen unternommen wird, umso besser und erfolgreicher lässt sich das Verhalten beeinflussen und ändern. An folgenden Anzeichen können Sie feststellen, ob ihr Kind wirklich aggressiv ist:

  • Ungeduld: Ihr Kind verliert schnell die Nerven oder wird wütend.
  • Unverständnis: Es versteht Dinge, die Sie ihm erklären oder zeigen falsch, oftmals auch mit Absicht.
  • Kommunikation: Es wird geschrien und geschimpft. Meistens werden dabei viele Schimpfwörter verwendet. Und Ihr Kind ist schnell beleidigt.
  • Unehrlichkeit: Ihr Kind belügt Sie häufig.
  • Streitsuche: Der Streit wird bewusst gesucht. Auseinandersetzungen geht Ihr Kind nicht aus dem Weg. Im Gegenteil, es provoziert seinen Gegenüber solange, bis es zum Streit kommt. Trotzdem sucht es die Schuld beim Anderen.
  • Klauen: Im späteren Alter kommt oftmals auch Diebstahl hinzu.


Stellen Sie diese Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum in verschiedensten Situationen bei Ihrem Kind fest, sollten Sie sich Hilfe Dritter suchen. Das können Beratungsstellen oder Psychologen sein.

Die Trotzphase
Da wird Rotz und Wasser geheult – aus dem kleinen Engel ist quasi über Nacht ein richtiger „Satansbraten“ geworden. Wenn die lieben Kleinen zwischen anderthalb und zwei Jahren alt sind, sehen sie zwar noch niedlich aus, sind aber oft mitten in der Trotzphase. Das ist das Alter, in dem Kinder sich selbst entdecken, aber eben auch das Alter, in dem sie schreiend auf dem Supermarktfußboden liegen, weil sie die Schokolade ihrer Träume nicht bekommen. Da kann es auch schon vorkommen, dass Mama und Papa gekratzt und gebissen werden. Damit aus dem „Minimonster“ wieder der Liebling wird, gibt es ein paar einfache Tipps und Tricks, mit dieser Phase erfolgreich umzugehen:

  • Beruhigen: Sich selbst am besten, in dem Sie einfach bis zehn zählen oder an etwas Schönes denken. Bei Ihrem Kind wird wohl am ehesten abwarten helfen. Klingt einfach, ist es meistens nicht, dafür aber effektiv.
  • Ablenken: Wenn Sie in öffentlichen Situationen nicht abwarten wollen und können, probieren Sie es mit Ablenkung. In einer solchen Situation ist es auch legitim, Ihr Kind unter den Arm zunehmen, um eine öffentliche Eskalation zu vermeiden.
  • Zusammenhalten: Ziehen Sie mit Ihrem Partner in Sachen Erziehung an einem Strang. Zeigen Sie vor allem vor Ihrem Kind Einigkeit.
  • Verständnis zeigen: Versuchen Sie Verständnis für die Situation Ihres Kindes aufzubringen und sich in seine Lage zu versetzen.
     

Wenn Sie diese Tipps befolgen, sind Sie Ihrem Kind ein Vorbild. Sie zeigen, dass Wutanfälle und ihre Begleiterscheinungen wie Hinwerfen und Hauen, keine Erfolge erzielen. Soll heißen: Bekommt Ihr Kind die Schokolade, weil es sich im Supermarkt auf den Fußboden wirft und lauthals schreit oder Sie boxt und tritt, wird es dieses Verhalten schnell fest erlernen und immer wieder anwenden, um seine Lieblingsschokolade zu bekommen. 

Jungs verhauen sich, Mädchen machen so etwas nicht
Kommen Kinder in den Kindergarten, werden auch andere Menschen für die Sozialisation interessant und wichtig. Soziologen sprechen von sogenannten Peer Groups. Sie orientieren sich an ihren Freunden. Dabei schließen sich Gruppen aus Mitgliedern mit ähnlichen Eigenschaften zusammen. Eine Peer Group umfasst also Kinder gleichen Alters, mit ähnlicher sozialer Herkunft und gleichem Geschlecht. Es ist im Kindergarten- und frühen Jugendalter bis in die Pubertät hinein ein eher untypisches Bild, Gruppen zu sehen, in denen sowohl Jungs als auch Mädchen dazugehören. Die Peer Groups haben verschiedene Funktionen für Kinder. Zum einen, wie bereits erwähnt, für die Sozialisation, zum anderen gewinnen Kinder dadurch Selbstständigkeit gegenüber ihren Eltern. Eine Peer Group bildet den Rahmen, um soziale Verhaltensweisen zu üben. Man kann sich eine solche Gruppe bildlich als Spielplatz vorstellen, auf dem Kinder alles für das „richtige Leben“ ausprobieren können, das bezieht sich vor allem auf den Umgang mit anderen. Dort können auch Grenzen ausgetestet werden – die eigenen und die des anderen. Vor allem für Jungs gehört hier das Raufen auf dem Schulhof dazu. Im Normalfall behaupten sie sich in ihren Hierarchien, erfahren ihre Grenzen, lernen die Grenzen des anderen zu erkennen und zu respektieren. Generell neigen Jungs drei- bis viermal häufiger zu aggressivem Verhalten als Mädchen. Dabei ist aber zu beachten, dass aggressive Verhaltensweisen bei Mädchen wesentlich schwieriger zu bemerken sind, da sie weniger mit körperlichen Handlungen ausgedrückt werden. Außerdem sind Jungs meist schlechter in der Schule als ihre weiblichen Mitschüler. Hier darf aber nicht übersehen werden, dass die Entwicklung von Jungs und Mädchen bereits im Alter von zwei bis vier Jahren in sehr unterschiedlichen Bahnen verläuft. Auch Psychologen warnen vor einer sogenannten „Antimännlichkeitserziehung“, bei der alles, was mit Gewalt und Körperlichkeit zu tun hat, verbannt wird. Das hört sich zunächst ja auch erst einmal sinnvoll und wünschenswert an. Mit Gewalt möchte schließlich keiner etwas zu tun haben. Aber für Jungs sind Gewalt und Körperlichkeit an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben wichtig, natürlich in Maßen, nicht in Massen. In ihren Prügeleien lernen sie sich selbst, ihren Körper, ihr männliches Durchsetzungsvermögen kennen. Sind Erzieher sofort bei dem kleinsten Boxen zur Stelle, fehlt das. Jungs lernen durch dieses verhinderte Verhalten dann Teile ihrer selbst nicht richtig kennen. Im Gegensatz dazu neigen Mädchen eher zu verbaler Aggression. Sie lästern, setzen Gerüchte in die Welt und buhlen um Aufmerksamkeit. Peer Groups wie auch andere Gruppen definieren sich über Abgrenzung. Das heißt, wer darf in der Gruppe sein und wer nicht, sind wesentliche Bestimmungsmerkmale, welche sich Mädchen mit (vorläufigen) Ausschlüssen bestimmter Mitglieder zu nutze machen. Oft hört man von kleinen Mädchen „Wenn du das nicht machst, bist du nicht mehr meine Freundin.“. Man spricht hier auch von „Beziehungsaggressionen“ oder „sozialer Erpressung“. Beziehungsaggressionen und Abgrenzung bilden das Risiko von Ausgrenzung. Dieses Risiko kann in manchen Fällen bis zum Mobbing führen. Generell kann man sagen, dass Mädchen wohl genauso aggressiv sind, wie Jungs, nur subtiler, versteckter.