Leere statt Lehre

Datum: Freitag, 30. November 2018 11:46


"Ich fühle mich an der Schule willkommen"

Marcus Schulze unterrichtet als Seiteneinsteiger an der Paul-Werner-Oberschule in Cottbus Physik und Mathematik. Zum Schuljahr 2017/2018 übernahm er, gemeinsam mit einer Kollegin, eine siebte Klasse, nachdem er zuvor er an der BTU Cottbus-Senftenberg gearbeitet hatte. Im Interview erzählt er von den schönen und den schwierigen Seiten seines Wechsels. 

Warum haben Sie sich vor etwa zwei Jahren entschieden, Lehrer zu werden?
Ich habe vorher an der BTU gearbeitet. Die Arbeit mit den Studenten hat mir viel Spaß gemacht. Aber die Forschung war doch nicht das Richtige für mich. Daher hatte ich ohnehin über eine Neuorientierung nachgedacht. Meine Oma war Lehrerin und auch in meinem Freundeskreis gab es viele Lehrer. Zu dem Zeitpunkt wurden bereits Lehrer gesucht. Also habe ich mir gedacht, das könnte auch etwas für mich sein. Ich bin dann an verschiedene Schulen gewesen und habe mir den Unterricht mit angeschaut und auch ein paar Stunden gegeben, um zu sehen, ob der Lehrerberuf das richtige für mich ist.

Wie schwer war der Umstieg auf den Lehrerberuf?
Das war schon schwer. Die Lehre an der Universität ist doch etwas anderes als an einer Schule. Wenn ein Student durch die Prüfung fällt, dann wird die Schuld nicht beim Dozenten gesucht. An der Schule hängt mehr Verantwortung dran. Und auch der zeitliche Aufwand ist höher als an der Uni. Zusätzlich zum Unterricht kommen noch Arbeiten wie das Korrigieren von Tests, das Vor- und Nachbereiten des Unterrichts und die Elterngespräche. Insofern glaube ich auch, dass der Lehrerberuf stark unterschätzt wird, meist von Menschen, welche keine Lehrer kennen. Aber er ist auch ein sehr schöner und wichtiger Beruf. Ich komme von der Arbeit und kann sagen: Ich habe etwas Sinnvolles gemacht.

Wie sind Sie von Schülern, Eltern und Kollegen aufgenommen worden?
Da gab es überhaupt keine Probleme oder Vorbehalte. Meine Schule arbeitet mit einem Tandemsystem, das heißt jede Klasse hat zwei Klassenlehrer – unabhängig davon, ob es sich um Seiteneinsteiger handelt oder nicht. Ich habe eine tolle Kollegin an meine Seite bekommen, das hat den Einstieg erleichtert. Ich weiß aus Gesprächen mit Bekannten, dass es nicht überall so unkompliziert lief, aber ich bin wirklich gut aufgenommen worden.

Wie schätzen Sie die berufsbegleitende Weiterbildung ein, die Ihnen als Seiteneinsteiger zu Teil wird?
Die Angebote sind umfangreich und vielseitig. Jeder nimmt sich dabei mit, was er am meisten braucht. Als Ingenieur sind das bei mir vor allem die didaktischen Fertigkeiten. Die Wege unterscheiden sich bei den verschiedenen Seiteneinsteigern und es kamen in den letzten Monaten auch neue Möglichkeiten hinzu.
Ich habe nach meiner Bewerbung zunächst sechs Monate an der Schule als Lehrer gearbeitet und parallel an Weiterbildungen teilgenommen. Da mein Schulleiter mit mir zufrieden war, konnte ich dann in das Studienseminar gehen. Hier lerne ich parallel zur Arbeit in der Schule einen Tag in der Woche. Wenn alles gut geht, bin ich nach zwei Jahren fertig ausgebildeter Lehrer.

Wie empfinden Sie die öffentliche Diskussion um Seiteneinsteiger?
Ich nehme diese Berichterstattung wahr, aber nicht wirklich zur Kenntnis. Ich fühle mich hier als Lehrer sehr willkommen und habe den Eindruck, dass man sich durchaus über junge Leute aus anderen Fachrichtungen freut, die eine neue Perspektive in den Unterricht bringen.