Wischen, Klicken, Zocken

Datum: Dienstag, 30. April 2019 15:08

Die Gefahren smarter Spielsachen
Doch natürlich hat auch diese Medaille eine zweite Seite, die es lohnt genauer zu betrachten. Kritiker von smartem Spielzeug bemängeln zum einen technische Aspekte: Bei vernetzten Puppen und Robotern kann man nicht sicher sein, was mit den aufgenommenen Gesprächsfetzen und Geräuschen passiert und wo sie landen. Theoretisch kann das Spielzeug zum Einfallstor von Hackern genutzt werden. Das zweite Problem, welches nicht nur smarte Spielsachen betrifft: Die zunehmende Ausstattung mit internetfähigen W-Lan Geräten erhöht die Strahlung, der wir und unsere Kinder ausgesetzt sind. Jeder Router, jedes Smartphone verbindet sich über hochfrequente elektromagnetische Felder mit dem Internet. Ob und welche gesundheitlichen Risiken dadurch bestehen, ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Zudem läuft man Gefahr, dass Kinder weniger Spielzeit draußen an der frischen Luft verbringen, wo sie sich in der Regel mehr bewegen und mehr sinnliche Erfahrungen sammeln. Denn wer klickt und wischt, der tut das meistens drinnen. Dabei bietet gerade das Spielen in der Natur viele wichtige Erlebnisse: Es fördert die Sinne wie riechen und fühlen, es fördert die Motorik. Wer über eine Bordsteinkante balanciert, über eine Mauer springt oder auf einen Baum klettert, bekommt ein sicheres Körpergefühl, kann besser einschätzen, was er sich zutraut, das stärkt schlussendlich das Selbstwertgefühl.

Nun mag ein Kind mit einem digitalen Tablet aktiver sein als wenn es nur vor dem TV sitzt, aber viel wertvoller sind für Kinder reale, sinnliche Erfahrungen. Wer aus Bausteinen einen Turm in die Höhe wachsen lässt, wer mit dem Bruder eine Bude baut und sich dort mit Taschenlampe Gruselgeschichten erzählt, profitiert sehr viel mehr als vom Wischen über den Bildschirm. Natürlich mag es für Eltern bequemer sein, Kinder vor einem Bildschirm mit vermeintlich wertvollen Lernapps zu parken. Für die Eltern-Kind-Beziehung ist es aber enorm wichtig, dass das Kind auch Mama und Papa fragen kann, wann die Dinosaurier gelebt haben oder wie ein Regenbogen entsteht. Und dann können sie sich die Antworten gemeinsam erarbeiten, sei es klassisch im Buch oder aber im Internet. Der entscheidende Unterschied: Die Eltern begleiten die Kinder bei ihren ersten Schritten in die digitale Welt und überlassen sie nicht sich selbst. Natürlich mag es sein, dass sich ein weinendes Kleinkind im Bett auch von einer App beruhigen lässt, die automatisch sein Lieblingslied abspielt. Aber die App kann dem Kind nicht liebevoll über die Wange streicheln, ihm gut zureden und nach dem Grund für seinen Kummer fragen. Für eine emotional sichere Bindung, die in den ersten Lebensjahren entsteht, ist der direkte, enge Eltern-Kind-Kontakt entscheidend.

Freizeit zwischen Smartphone, Freunden und Sport
Die Sorge, dass Kinder ihre freie Zeit irgendwann nur noch im Zimmer vor einem Bildschirm verbringen, scheint unbegründet, wenn man den Statistiken glauben darf. Laut der 2018 veröffentlichten Kinder-Medien-Studie sind unsere Kinder sehr wohl noch analog unterwegs. Gefragt wurde, welcher Aktivität sie mehrmals pro Woche nachgehen. Demnach gehören zu den häufigsten Freizeitaktivitäten von Kindern aller Altersgruppen das Treffen bzw. Spielen mit Freunden. Auf der Rangliste folgen Ausruhen/ Fernsehen und draußen spielen. Mit zunehmendem Alter gewinnen PC- bzw. Konsolenspiele an Bedeutung, aber auch regelmäßiger Sport.
Dieselbe Studie hat nach dem Leseverhalten der Kinder gefragt: Drei von vier Kindern nehmen mehrmals pro Woche ein Buch oder eine Kinderzeitschrift in die Hand – aus Papier! E-Books spielen im Kinderzimmer kaum eine Rolle. Auch die KIM Studie von 2016 bestätigt, dass Kinder weiter zum Buch greifen. Jedes zweite Kind liest mindestens einmal pro Woche in Büchern. Obwohl also die Weiten des Internets eine große Faszination auf Kinder ausüben, sind sie weiter regelmäßig in der wirklichen Welt unterwegs. Allerdings wächst die Bedeutung von Internet und Smartphone mit dem Alter.

Eltern als Vorbild
Da die digitale Kindheit immer früher beginnt, sind Eltern von Beginn an gefordert. Sie sind Vorbild durch ihre eigene Mediennutzung, sie sind Begleiter bei den ersten Schritten ins Internet, sie legen die Regeln fest. Gerade die Vorbildfunktion unterschätzen Eltern gern. Sie verlangen vom Kind, seltener fernzusehen, zu chatten oder zu zocken, haben aber selbst ihr Smartphone stets bei der Hand. Das belegt eine 2018 vom Bundesverband Digitale Wirtschaft veröffentlichte Befragung: Auf die Frage, ob es ihnen schwer fallen würde, für eine bestimmte Zeit offline zu sein, antworteten immerhin 34 Prozent der 35- bis 54-Jährigen mit ja. Und fast jeder Zweite aus dieser Altersgruppe gab an, immer online erreichbar zu sein.

Wer die Kinder im Nachbarzimmer via WhatsApp-Gruppenchat zum Abendessen ruft, der braucht sich nicht zu wundern, wenn auch sie das Smartphone als ständigen Begleiter dabei haben. Daher heißt der erste Schritt: das eigene Nutzungsverhalten von Smartphone, Tablet, PC und TV überprüfen. Gehe ich ans Telefon, wenn mein Kind sich mit mir unterhält? Liegt das Smartphone beim Essen auf dem Tisch? Bin ich auch im Familienurlaub für den Chef erreichbar? Wer seinen Medienumgang ändern möchte, könnte für sich bzw. für die ganze Familie zunächst offline-Zeiten festlegen, beispielsweise während der Mahlzeiten oder abends die letzte Stunde vorm Schlafengehen. Kritisch wird es, wenn die Mediennutzung den direkten Austausch zwischen Eltern und Kindern einschränkt oder verhindert. Das fängt übrigens schon sehr früh an. Einige Experten raten davon ab, sich während des Stillens oder des Kinderwagenschiebens mit dem Smartphone zu beschäftigen. Stattdessen solle man seine Aufmerksamkeit dem (wachen) Kind widmen. Denn sonst macht das Kind von Beginn an die Erfahrung: Das Smartphone bekommt ähnlich viel Aufmerksamkeit wie ich, es ist meinen Eltern mindestens genauso wichtig. Und genau diese Einstellung wird das Kind spätestens ab der Pubertät dann übernehmen.

Geeignete Apps für Kinder:
Die Datenbank des Deutschen Jugendinstituts DJI bietet Eltern Orientierung bei der Auswahl passender Apps für Kinder im Kita- und Grundschulalter. Sie enthält mittlerweile mehr als 600 Apps, sowohl beliebte als auch solche, die als pädagogisch wertvoll eingestuft werden. Bewertet werden u.a. Spielspaß, Sicherheit und Kosten.

www.dji.de/kinderapps