Gute Kita gesucht

Datum: Freitag, 28. Mai 2021 14:58


Mit kleinen Experimenten lassen sich schon Kitakinder für Naturwissenschaft begeistern. Foto: Designed by rawpixel.com/ Freepik

Frühkindliche Bildung

Kitas werden offiziell als Kinderbetreuungseinrichtungen bezeichnet. Das reduziert ihre Aufgabe auf die Betreuung der Kinder. Dabei haben sie noch eine zweite, mindestens ebenso wichtige Aufgabe: Bildung. Neben der Familie sind Krippe, Kita und Tagesmutter der wichtigste Ort für frühkindliche Bildung. Hier lernen Kinder soziales Verhalten, erlernen Grundfertigkeiten in der mathematischen, sprachlichen und naturwissenschaftlichen Bildung, sie können sich motorisch und künstlerisch weiterentwickeln. Bildung ist im föderalen Deutschland Ländersache. Jedes Bundesland hat einen eigenen Bildungsplan, in dem die wichtigsten Ziele frühkindlicher Bildung in Kitas festgeschrieben sind.
Der Sächsische Bildungsplan legt sechs Bildungsbereiche fest, in denen die Pädagogen die Kinder begleiten und fördern sollen: Entdecken, Ordnen, Wahrnehmen, Wohlfühlen, Dialog und Beteiligung. In Brandenburg gibt es ebenfalls sechs Bildungsbereiche: 1) Körper, Bewegung und Gesundheit 2) Sprache, Kommunikation und Schriftkultur, 3) Musik, 4) Darstellen und Gestalten, 5) Mathematik und Naturwissenschaft, 6) Soziales Leben. Weiter heißt es, die Kitas haben die Aufgabe die kindliche Neugier zu unterstützen, Themen der Kinder aufzugreifen und zu erweitern und sie auf den Übergang in die Schule vorzubereiten.

Wie es um die Qualität frühkindlicher Bildung in Deutschland bestellt ist, wird seit 2006 jährlich durch die Bertelsmann-Stiftung untersucht und im Ländermonitor veröffentlicht. Gute Kitas zeichnen sich demnach durch positive pädagogische Interaktionen und bildungsanregende Aktivitäten aus. Dafür und für eine sprachlich-kognitive Entwicklung sowie das emotionale Wohlbefinden des Kindes braucht es ausreichend Personal. Und da kommt auch der jüngste Ländermonitor erneut zu einem wenig erfreulichen Urteil: „Ungeachtet aller Kraftanstrengungen, die die Länder, Kommunen, Träger und zunehmend auch der Bund in den vergangenen Jahren unternommen haben, … ist die Personalausstattung in deutschen KiTas nach wie vor nicht kindgerecht und führt zu belastenden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.“


Personalschlüssel in Kitas (Quelle: Bertelsmann-Stiftung, Ländermonitor 2019)

Der Betreuungsschlüssel: Schlusslicht Ostdeutschland

Der große Pferdefuß ist das fehlende Personal. Eine der wichtigsten Kennzahlen, wenn es um die Qualität von Kitas geht, ist der Personal- bzw. Betreuungsschlüssel. Er besagt, um wie viele Kinder sich eine Erzieherin kümmern muss. Die Bertelsmann-Stiftung erhebt diese Zahlen regelmäßig und sie gibt auch klare Empfehlungen für den idealen Personalschlüssel. Demnach sollte eine Erzieherin höchstens drei Krippenkinder betreuen. Im Kindergartenalter zwischen 3 und 6 Jahren werden zwei Erzieher für höchstens 15 Kinder empfohlen. Bei der letzten Erhebung der Bertelsmann-Stiftung wurde dieser Schlüssel deutschlandweit für 76 Prozent der Kinder nicht erreicht, in Ostdeutschland sogar für 93 Prozent. Bremen und Baden-Württemberg weisen einen besonders kindgerechten Personalschlüssel auf, während Sachsen neben Mecklenburg-Vorpommern Schlusslicht ist.

Allerdings ist der Personalschlüssel eine rechnerische Größe, von der noch Vorbereitungszeiten, Teamsitzungen, Elterngespräche, Urlaub und Fortbildungszeiten abgezogen werden müssen. Er gibt nicht an, wie viele Kinder zu jedem Zeitpunkt am Tag von einer Fachkraft betreut werden. Dies wiederum wird mit Hilfe der sogenannten Fachkraft-Kind-Relation dargestellt, die sich tatsächlich nur auf die direkte pädagogische Arbeitszeit in den Gruppen bezieht. Und hier liegen die Werte nach Abzug der eben genannten Zeiten noch schlechter. Praktisch heißt das beispielsweise für Brandenburg: Laut Personalschlüssel stehen theoretisch für elf Krippenkinder zwei Erzieher bereit, praktisch müssen sich zwei Erzieher aber um 16 Kinder kümmern.


Eine gute Fachkraft bietet den Kindern im Kitalltag viele unterschiedliche Anregungen, sowohl draußen in der Natur als auch drinnen beim Kreativsein. Foto: Designed by Freepik

Fachkraft oder Hilfskraft?

Mindestens ebenso wichtig wie die Zahl der Erzieher ist deren Qualifikation. Sie hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie gut Kita sein kann. In Deutschland führt üblicherweise eine dreijährige Berufsausbildung zur staatlich anerkannten ErzieherIn. Die Ausbildung gilt unter Experten als sehr gut. Von den derzeit gut 23.000 Beschäftigten in Brandenburg sind knapp 19.600 ausgebildete Erzieher, 700 haben studiert. Klassische Studiengänge, die auf die Arbeit im Kindergarten vorbereiten sind der Sozial-, Heil- oder Kindheitspädagoge oder der Erziehungswissenschaftler.

Auch bundesweit ist das Ausbildungsniveau der Erzieher hoch. 83 Prozent des pädagogischen Personals besitzen einen einschlägigen Abschluss, 5,4 Prozent haben ein Studium abgeschlossen. In Ostdeutschland ist das Ausbildungsniveau noch etwas höher als in Westdeutschland. Quereinsteiger spielen im Kitabereich bisher nur eine geringe Rolle. Das könnte sich mit dem zunehmenden Personalmangel ändern. Welchen Einfluss das wiederum auf die Qualität der frühkindlichen Bildung hat, muss sich erst noch zeigen.

Der Anteil an Akademikern in Kindergärten ist mit 5 bis 10 Prozent sehr niedrig – sowohl im Vergleich zu anderen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit wie Schulen (100 Prozent), Kinder- und Jugendhilfe (20-30 Prozent) und der Erziehungsberatung (60 bis 70 Prozent), als auch im internationalen Vergleich. In vielen Ländern liegt der Anteil der studierten Fachkräfte im hohen zweistelligen Bereich. Diese Länder haben erkannt, dass die Arbeit mit Kleinkindern ebenso anspruchsvoll und wichtig ist wie die mit Kindern im Schulalter. Entsprechend viel Wert wird auf die Qualifizierung der Pädagogen gelegt. „Das heißt, in dieser Hinsicht sind die Kitas in Deutschland nach wie vor abgehängt. Der Satz, „Man braucht kein Universitätsdiplom, um Kinder wickeln zu können“, ist fatal und in keiner Weise zielführend“, kommentiert Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts. Er verweist darauf, dass die Arbeit mit kleinen Kindern, die ihre Bedürfnisse noch nicht klar artikulieren können, ausgesprochen anspruchsvoll ist: „Ich habe noch kein überzeugendes Argument gehört, warum Erzieherinnen und Erzieher geringer qualifiziert sein sollten als Grundschullehrkräfte. In beiden Altersgruppen sind die Themen komplex: Inklusion, Spracherwerb, Motorik, musische Erziehung, Gruppenprozesse, naturwissenschaftliche Phänomene, Digitalisierung, soziale und emotionale Entwicklung, Kooperation mit Eltern und, und, und.“