Auftakt für Unesco 5 im März in Klein Kölzig. Foto: Frank Stein
Unesco 5 – für mehr Strahlkraft
Anfang März starteten die vier Lausitzer Unesco-Stätten gemeinsam mit der Domowina und unterstützt von den Bundesländern eine Kampagne, mit der das Potenzial der Natur- und Kulturlandschaften in der Lausitz noch besser vermarktet werden soll. Unter dem Schlagwort „Unesco 5“ werden eigens Angebote zu Bildung und Tourismus zusammengestellt, die den Menschen in der Lausitz und ihren Gästen die Unesco-Landschaften und die Bräuche der Sorben erlebbar machen. „Gemeinsam mit den vier Lausitzer Unesco -Stätten und dem immateriellen Kulturerbe der Sorben/Wenden ergibt sich in der Lausitz eine weltweit einmalige Dichte an Landschaften mit Unesco -Status. Erst mit einer gemeinsamen Angebotsentwicklung und Kommunikation können sie ihre maximale Strahlkraft entfalten“, erklärt Eugen Nowak, Leiter des Unesco-Biosphärenreservates Spreewald und Hauptinitiator des Projektes. Konkret sollen in den kommenden Jahren Bildungs- und Informationsformate, Themenradtouren, Videoproduktionen, Schulungsangebote für Gästeführer, Bildungsangebote für Schulen und Erlebnispädagogik umgesetzt werden.
Foto links: Maja Schramm (hinten li.) und Hella Stoletzki beim Dreh mit MDR Kultur für das Format „Nächste Generation“. Foto rechts: Das Kolektiw Wakuum mit Freunden beim Vernetzungstreffen „seś“.
Sorbisch modern
Dass zum Sorbischen so viel mehr gehört als Tracht und Eierverzieren, als dörfliche Traditionen, zeigen Initiativen junger Menschen, die auf erfrischende Weise sorbische Sprache und Tradition mit junger, moderner Rock- und Popkultur verknüpfen. In den vergangenen Jahren sind eine Handvoll Bands und Gruppen entstanden, wie die Hip Hop-Band Koletwi Klanki, die Musiker von Skupina Astronawt oder das Kolektiw Wakuum, eine Gruppe junger Menschen, die seit 2020 die sorbische Subkultur bereichert. Mitbegründerin Maja Šramojc: „Uns haben die sorbischen Rapperinnen in den Konzerten, die sorbischen DJs hinter den Turntables gefehlt. Natürlich gehören Kulturen und Traditionen zum Sorbischen. Aber wenn man in der Stadt, außerhalb der dörflichen, sorbischen Strukturen lebt, fehlt einem das Identifikationspotenzial. Hier gibt es kaum Möglichkeiten, sorbische Kultur – gerade auch für junge Menschen – zu erleben. Genau das möchten wir mit unserem Projekt ändern.“ Und so schaffen sie und ihre Mitstreiter junge, neue Kulturangebote. Sie füllen eine Lücke, ein Vakuum an sorbischer Jugend- und Popkultur außerhalb der Dörfer. Ihr Repertoire ist so vielfältig wie Kultur eben ist: Karaoke, Konzerte, Tanz, Theater, Kunstausstellungen, Lese- und Filmabende. Sogar eine eigene TV-Sendung haben sie produziert. Mit der jungen Modedesignerin Sarah Gwiszcz gibt es seit 2014 ein eigenes Modelabel. Unter dem Namen Wurlawy, was übersetzt „wilde Spreewaldfrauen“ bedeutet, verknüpft sie traditionelle Elemente sorbischer Tracht mit modernem Design und macht die sorbische Tracht so alltagstauglich.
Sarah Gwiszcz übersetzt mit ihrem Modelabel Wurlawy sorbische Trachten ins Moderne.
Sorbisch im Alltag
Abseits der sorbischen Feste sieht man die klassischen sorbischen Trachten nur selten in der Öffentlichkeit. Wahrnehmbar ist das Sorbische im Alltag unter anderem durch die zweisprachige Beschilderung in den Gemeinden. Orts- und Straßenschilder tragen den deutschen und den ober- bzw. niedersorbischen Namen. Vielen deutschen Ortsnamen sieht man bis heute ihre sorbischen Wurzeln an – auch außerhalb der Lausitz. So gehen Ortsbezeichnungen, die auf -ow oder -itz enden, auf die frühe slawische Besiedlung im heutigen Ostdeutschland zurück. Beispiele sind Chemnitz, Kolkwitz, Sandow oder Pankow. Auch einige Familiennamen spiegeln die sorbischen Wurzeln der Region: Einige Namen verwiesen auf den Hof (Kulka/ Kartoffel), andere auf den Berufsstand. So geht der Name Krautz auf das sorbische Wort „Krawc“ für Schneider zurück, Kowar ist der Schmied, Sarodnik der Gärtner. In Deutschland ermöglicht ein Fachgesetz den Angehörigen einer Minderheit, ihren Namen in ihrer Sprache zu führen. Im Sorbischen wird so aus dem „Lehmann“ ein „Wićaz“ (gesprochen Witschas). Hier ändern sich der Begriff und auch die diakritische Schreibweise, also die sorbischen Buchstaben werden angewandt. In der Praxis bringt dies einige Schwierigkeiten mit sich. So ist es nicht in allen Bereichen möglich, die sorbischen Buchstaben anzuwenden. Am Ende hat man dann einen Namen im Personalausweis und auf dem Versicherungsschein einen anderen.
„Diese Herausforderung beschäftigt uns bereits länger“, sagt Dawid Statnik und verweist zugleich auf ein weiteres Problem: „In den slawischen Sprachen werden bei Familiennamen Suffixe verwenden. Wenn der Mann „Wićaz“ heißt, heißt seine Frau „Wićazowa“. Der Sohn heißt (wie der Vater auch) „Wićaz“, die Tochter jedoch „Wićazec“. Die deutsche „Namenskontinuität“, bei der der Familienname vererbt wird, ist mit der sorbischen Sprache also nicht vereinbar. Darum setzen wir uns bereits seit Jahren dafür ein, dass das deutsche Namensrecht angepasst wird.“ Das könnte nun tatsächlich passieren. Das Bundesjustizministerium will einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg bringen. Demnach soll das Namensrecht liberalisiert werden und sorbischen Frauen das entsprechende Suffix ermöglichen. Dawid Statnik: „Ein Name ist immer Teil der Identität und unser Staat sagt uns mit dem aktuellen Namensrecht schlicht, dass ihm unsere Identität egal ist. Als Sorbe ist es immer ein bedrückendes Gefühl, wenn Sie einen Namen haben, der sorbisch ist, Sie aber einen Pass haben, in dem der deutsche Name steht, mit dem Sie eigentlich nicht viel zu tun haben. Daher ist unsere Hoffnung groß, dass es uns nun endlich gelingt, ein weiteres Stück Normalität zu schaffen.“
Die zweisprachigen Ortsschilder sind eines des sichtbarsten Zeichen für die Zweisprachigkeit der Lausitz.
Was vielen vermutlich nicht bewusst ist: Die Lausitzer Küche ist ebenfalls sorbisch geprägt: Gerichte wie Kartoffeln, Quark und Leinöl, Rindfleisch mit Meerrettich oder Buttermilchplinse kommen in vielen Familien auf den Tisch. Weithin bekannt – auch über die Grenzen der Lausitz hinaus, sind die Figuren der sorbischen Sagenwelt. Drei der bekanntesten sind die Mittagsfrau, der Wassermann und Krabat. Über Romane und Verfilmungen sind ihre Geschichten einem breiten Publikum bekannt gemacht worden. Otfried Preußler hat sowohl die Geschichte vom kleinen Wassermann als auch von Krabat als Roman aufgeschrieben, 2008 wurde der Stoff mit einer prominenten Schauspielriege verfilmt. Die sorbische Sagenfigur Krabat geht zurück auf den kroatischen Offizier Janko Šajatović, auf Deutsch Johann von Schadowitz. Ab 1658 diente Schadowitz als Obrist in der Leibgarde des sächsischen Kurfürsten unter insgesamt vier Königen. Zum Dank für seine treuen Dienste erhielt er das Gut Särchen. Vielleicht wäre von Schadowitz aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden, hätte nicht kurz nach seinem Tod die Sage vom sorbischen Zauberer Krabat die Runde gemacht. Heute wird die Figur geschickt fürs Marketing eingesetzt. Die Krabatmühle in Schwarzkollm zieht jährlich tausende Besucher an. Die Krabat-Festspiele mit etwa 10.000 Zuschauern pro Jahr sind regelmäßig innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Die Stadt Hoyerswerda vermarktet sich im Geiste Krabats als sagenhafte Familienregion und will damit vor allem junge Familien für die Stadt gewinnen. Dafür werden nicht nur bestehende Angebote beworben, sondern auch neue geschaffen – wie der jährliche Krabatmarkt oder Stadtrallyes. Erst jüngst wurde eine eigens dafür geschaffene Skulpturen-Bank im Stadtbild aufgestellt, auf der man neben Krabat/Schadowitz Platz nehmen kann.