Lausitz Originals

Datum: Dienstag, 28. März 2023 15:01

 


Foto: SKT_Wolfgang-Wittchen

Sorbische Heimat für Familien
Warum wir im Alltag mehr sorbisch wagen sollten

Sie sind die „Ureinwohner“ der Lausitz: die Sorben bzw. Wenden. Jeder und jede kennt die verzierten Ostereier, die zweisprachigen Orts- und Straßenschilder, ihre prachtvollen Trachten. Und doch gibt es im Alltag erstaunlich wenig Berührungspunkte, wenn man sich selbst nicht zur sorbischen Minderheit zählt. Warum es für Familien lohnt, sich etwas intensiver mit der Sprache, Tradition und Kultur der Lausitzer Ureinwohner zu beschäftigen und wie das im Alltag gelingt, ist Thema dieser lausebande.

Wir starten mit einem kleinen historischen Exkurs. Die Geschichte des sorbischen Volkes reicht etwa 1.500 Jahre zurück. Im 6. Jahrhundert siedelten westslawische Stämme auf dem Gebiet der heutigen Lausitz. Aus dieser Zeit und der frühen Besiedlung stammt der Name Lausitz. Der Stamm der Lusizi benannte sich nach dem Sumpfland, das er in der Region vorfand. Das slawische Wort „łuža“ bedeutet „sumpfige Wiesen“. Über die Jahrhunderte lebten die Sorben in der Lausitz, pflegten ihre Sprache und Kultur. Erst mit der Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert und der stärkeren Zuwanderung anderer Volksgruppen verloren die Sorben nach und nach ihren Mehrheitsstatus. Während man vor etwa 100 Jahren in der Öffentlichkeit noch mehrheitlich sorbisch bzw. wendisch sprach, ist die sorbische Sprache mittlerweile in vielen Orten des offiziellen sorbischen Siedlungsgebiets aus dem Alltag verschwunden. Die UNESCO, die eine Liste bedrohter Sprachen führt, zählt das Sorbische zu den gefährdeten Sprachen, wobei das Niedersorbische als noch stärker gefährdet gilt ist als das Obersorbische.

Sorben oder Wenden?

Die Unterscheidung der Bezeichnung Sorben oder Wenden gibt es nur im Deutschen. Im Sorbischen wird beides als „Serbja“ bezeichnet. In der sächsischen Oberlausitz wird eher von Sorben gesprochen, in der brandenburgischen Niederlausitz werden eher beide Begriffe synonym verwendet. In der Brandenburgischen Verfassung zum Beispiel wird es als „Sorben/Wenden“ gleichgesetzt. Somit ist es jedem selbst überlassen, ob er sich als Sorbe oder Wende bezeichnet. Beide sind „Serbja“. 

Zahlen zum Sorbentum

Offizielle Erhebungen dazu, wie viele Menschen sorbisch sprechen, gibt es nicht. Eine Erhebung wäre schon deswegen schwierig, weil die Sprachkenntnisse stark variieren – von jenen, die sorbisch täglich und als Muttersprache sprechen und jenen, die in der Schule erstmals damit Kontakt hatten und nur einige Wörter und Sätze beherrschen. „Daher gibt es lediglich Schätzungen“, erklärt Dawid Statnik, Vorsitzender der Domowina, des sorbischen Dachverbands: „Dies begründet sich darin, dass in Deutschland das Bekenntnis zu einer Minderheit, wie es das sorbische Volk ist, frei ist und somit nicht nachgeprüft werden darf. Auch die Sprachkenntnisse als solche werden statistisch nicht vollumfänglich erfasst. Nach groben Schätzungen gehen wir davon aus, dass etwa 13.000 Menschen in Sachsen die obersorbische Sprache sprechen und in Brandenburg etwa 7.000 Menschen niedersorbisch. Das Niedersorbische gehört damit zu einer der bedrohtesten Sprachen Europas.“

Minisprachführer Sorbisch

Ohnehin ist es schwierig, die Sorben in Zahlen zu fassen. Denn wer sorbisch ist, lässt sich nicht nur an der Sprache festmachen oder an den familiären Wurzeln. Vielmehr kann sich jede und jeder, der das möchte, zum Sorbentum bekennen. Diese oben erwähnte Bekenntnisfreiheit für nationale Minderheiten ist auf EU-Ebene rechtlich festgelegt und gilt auch für die anderen nationalen Minderheiten in Europa. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden in Deutschland keine offiziellen Zahlen mehr zu nationalen Minderheiten erhoben. Es ist eine Lehre aus dem Dritten Reich, in dem Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt und ermordet wurden. Stattdessen stehen der Schutz und die Förderung der Minderheiten im Vordergrund: Sie sollen ihre Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland leben können, ohne dadurch Nachteile zu erfahren. Dies ermöglicht der Staat unter anderem mit einer festen finanziellen Förderung.
Bei einer repräsentativen Befragung für den Lausitz-Monitor im vergangenen Jahr haben sich übrigens 16 Prozent der Befragten zum Sorbischen bekannt – das entspricht hochgerechnet auf die Bevölkerung in der Lausitz immerhin 150.000 Menschen.

Exkurs: Minderheiten in Deutschland

In Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein, die friesische Volksgruppe in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die deutschen Sinti und Roma im gesamten Bundesgebiet sowie das sorbische Volk in der Lausitz. Der besondere rechtliche Status der nationalen Minderheiten und ihrer Sprache gründet sich auf das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und auf die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Die Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen schaffen, die es den Minderheiten ermöglicht, ihre Sprache und Tradition zu leben und zu erhalten. Dazu gehören u.a. eine finanzielle Förderung, Möglichkeiten der politischen Mitwirkung und die Anerkennung der Sprache als Amtssprache. Eine zentrale Rolle kommt der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zu. Das ist derzeit Natalie Pawlik. Sie kümmert sich innerhalb der Bundesregierung um die Belange der nationalen Minderheiten und steht im engen Austausch mit den jeweiligen Gremien. Von ihr kommt auch das Grußwort gleich zu Beginn dieser Ausgabe.