Pisa in der Kita

Datum: Montag, 11. März 2024 13:32


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Wie steht es um unsere frühkindliche Bildung?

Als die lausebande im April 2011 an den Start ging, entschied sich die Redaktion in der Premieren-Ausgabe für das Titelthema „Höher hinaus mit Lesen. Warum lesen für unsere Kinder so wichtig ist“. Die lausebande gibt es immer noch und das Thema Bildung ist kein bisschen weniger relevant geworden. Mehrfach haben wir in den vergangenen 13 Jahren Bildung zum Thema gemacht. Denn noch immer hängen die Bildungschancen für Kinder in Deutschland stark am Elternhaus. Eine der zentralen Erkenntnisse aus der lausebande-Premierenausgabe gilt ebenfalls unverändert: „Kindern, die viel lesen, fällt die Schule leicht.“ Deswegen hatte damals auch die Rubrik „Bücher für Lausebanden“ Premiere, die es noch immer gibt und in der wir Ihnen tolle Kinderbücher zum Vorlesen und Lesen empfehlen.

Nun widmen wir uns aus aktuellem, wenig erfreulichem Anlass erneut dem Thema Bildung: Im Dezember wurden die jüngsten PISA-Ergebnisse veröffentlicht. Jugendliche aus Deutschland schnitten so schlecht ab wie noch nie seit dem PISA-Start im Jahr 2000. Sowohl im Lesen und Rechnen als auch in den Naturwissenschaften gingen die Kompetenzen deutlich zurück. Umgehend startete die Suche nach den Gründen für die deutsche Bildungsmisere. Der Bildungsforscher Prof. Dr. Kai Maaz vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung sieht eine Ursache schon vor dem Schulstart: Entscheidend für die Bildungsgerechtigkeit seien die ersten sechs Lebensjahre. In diesem Alter entstünden die größten Bildungsunterschiede: „Schule ist nicht in der Lage, dieses Delta aus den ersten sechs Jahren zu kompensieren. Es wird nicht größer, aber es wird auch nicht kleiner“. Um die Ungleichheiten zu verringern, brauche es in den Kitas gezielte qualitätsvolle Aktivitäten, die auf die Schule vorbereiten.

Wir wollen daher in dieser Ausgabe schauen, was Kita wirklich leisten kann und leisten sollte: Ist es der Ort, wo Kinder vor allem Kind sein dürfen und Freiraum zum Spielen haben? Oder ist es ein „Zuliefererbetrieb“ für Schulen, wie es Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung im Interview mit unserem Magazin etwas provokant formulierte? Und wir werden Ihnen Impulse geben, welchen Beitrag Sie als Eltern für einen guten Schulstart leisten können. Schauen wir zunächst auf die nackten Zahlen. Die Ende 2023 veröffentlichte Pisa-Studie deckt sich in ihren Ergebnissen mit anderen Bildungsstudien.



Die aktuellen Bildungsstudien zeigen: Für viele Kinder ist Mathe ein Buch mit sieben Siegeln. ©  AtnoYdur, istock

PISA: Leistungen in Mathe, Lesen und Naturwissenschaft

Mit PISA werden seit dem Jahr 2000 regelmäßig die Leistungen von Schülern weltweit erhoben – in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Bei der jüngsten Erhebung von 2022 erzielten die getesteten 15-Jährigen aus Deutschland so schlechte Werte wie noch nie seit dem Start von PISA. Der Kompetenzrückgang entspricht ungefähr dem Wissen eines ganzen Schuljahres. Damit sind die deutschen Jugendlichen nicht allein: Auch in fast allen anderen PISA-Ländern wurden schlechtere Ergebnisse erzielt, wobei der Rückgang in Mathematik in Deutschland besonders drastisch ist. In Mathematik gelten 30 Prozent der Jugendlichen als leistungsschwach, im Lesen 25 Prozent und in den Naturwissenschaften 23 Prozent. Etwa neun Prozent der Jugendlichen sind besonders leistungsstark.


Seit 2012 gehen die Leistungen von Schülern in Deutschland kontinuierlich zurück. Quelle: PISA-Berichtsbände

IGLU: Lesekompetenz

Die IGLU-Studie erfasst seit 2001 alle fünf Jahre die Lesekompetenz von Viertklässlern in mehr als 60 Ländern weltweit. Die jüngsten Ergebnisse der Erhebung wurden 2023 veröffentlicht und verheißen nichts Gutes. Demnach sind die Leseleistungen der Grundschulkinder in Deutschland in den vergangenen Jahren gesunken. Ein Viertel der Viertklässler in Deutschland erreicht nicht die Kompetenzstufe III. Das ist der international festgelegte Standard für eine Lesekompetenz, die notwendig ist für einen erfolgreichen Übergang vom Lesenlernen zum Lesen um zu lernen. Der Anteil der guten und sehr guten Leser ist im Vergleich zu 2001 um fast 10 Prozentpunkte gesunken: von 47 auf 39 Prozent. Insgesamt liegt die mittlere Lesekompetenz in Deutschland bei 524 Punkten. Damit liegt die Bundesrepublik im Mittelfeld und knapp unter dem EU-Durchschnittswert von 527. Den besten Wert erreichte in der jüngsten Erhebung Singapur mit 587 Punkten, gefolgt von Honkong und Russland. Die skandinavischen Länder liegen ebenfalls über dem EU-Schnitt.

IQB: Kompetenzen in Mathe, Deutsch und Englisch

Der IQB-Bildungstrend ist das nationale Bildungsmonitoring im Auftrag der Kultusministerkonferenz. 2022 wurden die Kompetenzen von Neuntklässlern in Deutsch und Englisch untersucht. Im Vergleich zur letzten Erhebung von 2015 sind die ohnehin schon ausbaufähigen Kompetenzen in Deutsch noch weiter zurückgegangen. Im Lesen erreichen 33 Prozent (2015: 23 Prozent) der Jugendlichen nicht die für den 10. Klasse Abschluss erforderlichen Mindeststandards, in der Rechtschreibung gilt das für 22 Prozent (2015: 14 Prozent) der Jugendlichen. Wie auch in den meisten anderen Bildungsstudien fallen die Ergebnisse für Sachsen und Bayern besonders gut aus. Kleines Trostpflaster: In Englisch sind die Kompetenzen deutlich besser, wobei die ostdeutschen Bundesländer in den Ergebnissen etwas zurückbleiben. Die Studie hat auch die sozialen und familiären Hintergründe erfragt und die Erfahrung bestätigt, dass der Schulerfolg in Deutschland noch immer stark vom Elternhaus abhängt. Erfragt wurde dazu unter anderem die Zahl der Bücher daheim. Je mehr Bücher zu Hause vorhanden sind, desto besser fallen die Leistungen in Deutsch und Englisch aus.

Grundschulkinder wurden zuletzt 2021 untersucht. Auch diese Ergebnisse sind wenig erfreulich. Die Mathe- und Deutsch-Kompetenz von Viertklässlern ist im Vergleich zu 2016 deutlich gesunken. Zwischen 18 Prozent (2016: 11 Prozent) und 30 Prozent (2016: 22 Prozent) der Kinder erreichen nicht die Mindeststandards. In Mathematik verfehlen etwa 22 Prozent der Viertklässler diese Standards. Sachsen und Bayern schneiden auch hier überdurchschnittlich gut ab, während die Ergebnisse aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalen besonders alarmierend sind.

Im Abschlussbericht zum IQB-Bildungstrend 2022 heißt es: „Auch wenn die Erwartung unrealistisch ist, dass ein Bildungssystem ungleiche Eingangsvoraussetzungen vollständig ausgleicht, so gilt es doch als allgemein akzeptiertes bildungspolitisches Ziel, mit Hintergrundmerkmalen der Schüler:innen verbundene Disparitäten so weit wie möglich zu reduzieren.“

Bildungsgerechtigkeit in Deutschland: Schule

Durch die Bildungsinstitutionen sollen alle Kinder also möglichst gleiche Chancen auf einen guten Schulabschluss und die Möglichkeit eines Studiums haben – unabhängig davon, ob ihre Eltern die Schule nach der 10. Klasse verlassen oder studiert haben, ob sie von einem Elternteil großgezogen werden oder von beiden, ob sie reich oder arm sind, ob zu Hause deutsch oder arabisch gesprochen wird. Die eben vorgestellten Studien stellen alle fest, dass es diese Chancengleichheit in Deutschland bisher nicht gibt. Zusätzlich hat das ifo-Institut 2023 erstmals den Chancenmonitor veröffentlicht. Für diesen wurden die Daten von gut 50.000 Kindern aus dem Mikrozensus 2019 ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen detailliert auf, welche Faktoren sich negativ auf die Schullaufbahn von Kindern in Deutschland auswirken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind auf das Gymnasium geht, schwankt je nach sozialem Hintergrund zwischen 20 und 80 Prozent! Der Migrationshintergrund hat deutlich weniger Einfluss als das Einkommen und der Bildungsabschluss der Eltern. Die Untersuchung zeigt ebenfalls, dass Jungs etwas geringere Chancen haben auf ein Gymnasium zu gehen – unabhängig vom familiären Hintergrund.

Der Chancenmonitor weist zugleich daraufhin, dass die Bildungsunterschiede schon vor der Einschulung beginnen: „Dieses Auseinanderklaffen der Bildungschancen von sozioökonomisch begünstigten und benachteiligten Kindern lässt sich bereits in der frühkindlichen Bildung beobachten und setzt sich dann auf allen weiteren Bildungsstufen sowie in außerschulischen Bereichen fort. Besonders problematisch daran ist, dass sich der Bildungsstand in den früheren Bildungsstufen auf den Erfolg in späteren Bildungsstufen auswirkt und sich Benachteiligungen somit über die Bildungslaufbahn aufsummieren.“ Das geht so weit, dass Jugendliche mit ungünstigem familiärem Hintergrund in der 9. Klasse etwa vier Schuljahre hinter den Leistungen ihrer „privilegierten“ Mitschüler zurückliegen.

Die Studienautoren haben auch gleich ein paar Lösungsvorschläge mitgeliefert. Um die Chancengerechtigkeit in Deutschland zu erhöhen, empfehlen sie sechs Ansatzpunkte:

  • frühkindliche Bildungsangebote
  • für benachteiligte Kinder ausbauen
  • Familien benachteiligter Kinder
  • bei der Erziehung unterstützen
  • die besten Lehrkräfte an Schulen mit
  • vielen benachteiligten Kindern bringen
  • Nachhilfeprogramme für benachteiligte Kinder früh und kostenfrei anbieten
  • die Aufteilung auf unterschiedliche
  • weiterführende Schulen verschieben
  • Mentoring-Programme für benachteiligte Kinder fördern


Wer sich die Studie und die Lösungsvorschläge im Detail anschauen möchte, findet sie hier. Wir beschränken uns auf den ersten Punkt: Ausbau frühkindlicher Bildungsangebote. Denn offenbar geht die Bildungsschere schon in den ersten Lebensjahren auseinander, noch bevor die Kinder das erste Mal eine Schule von innen sehen.


Die Tabelle zeigt, wie sehr die Bildungsgerechtigkeit vom familiären Hintergrund abhängt: Nur 21,1 Prozent der Kinder, deren Eltern kein Abitur haben, die alleinerziehend sind und über weniger als 2.600 Euro monatlich netto verfügen, gehen auf ein Gymnasium. Quelle: ifo-Chancenmonitor


Bildungsgerechtigkeit in Deutschland: Kita

Während der Bildungsstand und die Chancengleichheit in der Schulzeit recht gut wissenschaftlich erfasst werden können, ist das für Kinder zwischen 1 und 6 Jahren schon etwas schwieriger. Die Datenbasis ist dünn oder wird – wie im Falle der Schuleingangsuntersuchungen – nur bedingt der Forschung zur Verfügung gestellt. Eine Zahl, die auf Chancengleichheit hindeutet, ist die Beteiligungsquote in Kitas. Sie erfasst, wie viele Kinder eines Jahrgangs die Kita oder Krippe besuchen. Die gute Nachricht: Deutschland liegt bei diesen Werten über dem Schnitt der OECD-Länder, zu denen knapp 40 Industrienationen von allen Kontinenten gehören: In Deutschland besuchen 92 Prozent der 3- bis 6-Jährigen eine Kita, OECD-weit sind es 87 Prozent. Die weniger gute Nachricht: Schon hier zeichnet sich ein Ungleichgewicht ab.

Laut nationalem Bildungsbericht 2022 besuchen Kleinkinder aus sozial benachteiligten Familien seltener eine Kita: 90 Prozent der Kinder, deren Eltern einen hohen Bildungsabschluss haben, besuchen die Kita (Altersgruppe 3 bis 6), aber nur 74 Prozent der Kinder, deren Eltern keinen oder einen niedrigen Schulabschluss haben. Schon in der Krippe unterscheiden sich die Quoten deutlich (38 zu 18 Prozent). Auch Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener die Krippe (25 zu 37 Prozent) und Kita (80 zu 91 Prozent). Dabei sind es jene Kinder, die besonders von einem Kitabesuch profitieren, weil sie dort leichter die deutsche Sprache erlernen können. Es gibt Lösungsvorschläge, wie man bildungsferne Familien für einen Kitabesuch gewinnen kann: kostenlose Kitabetreuung, Informationen und personelle Unterstützung bei der Kitaplatzsuche und -bewerbung. Der Zugang zu einem Kitaplatz muss noch niedrigschwelliger werden. Es gab bereits den Vorschlag, dass alle Kinder automatisch durch die Kommune an einer Kita angemeldet werden – es sei denn die Eltern widersprechen explizit.

Schaut man sich den Wortschatz von Kita-Kindern vor der Einschulung an, so haben mehrere Faktoren einen positiven Einfluss. Der Wortschatz ist zur Einschulung umso größer, je höher der Bildungsabschluss der Eltern ist, je früher die Kinder eine Kita besuchen und je häufiger ihnen zu Hause vorgelesen wird. Auch hier lässt sich wieder ein Geschlechter-Unterschied feststellen. So ist der Wortschatz bei 7-jährigen Mädchen im Schnitt höher als bei gleichaltrigen Jungen.

Interessant ist auch folgender Befund: Kinder aus benachteiligten Verhältnissen profitieren in besonderem Maße von einem frühen Kita-Besuch, während Kinder aus bildungsstarken Familien nicht davon profitieren. Das Gegenteil ist der Fall: Hier kann sich ein früher Kitabesuch schon mit ein oder zwei Jahren tendenziell negativ auf die kognitiven Kompetenzen auswirken. In einer Hinsicht profitieren alle Kinder von frühkindlicher außer-Haus-Betreuung: Durch den Umgang mit Gleichaltrigen stärken sie ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten. Die Daten zeigen also einerseits, dass die Bildungsschere schon früh auseinander geht, dass aber Kitas das Potenzial haben, eben diese Schere ein wenig zu schließen und das soziale Gefälle im Bildungsbereich zu verringern.


38 Prozent der Kinder, deren Eltern über einen hohen Bildungsabschluss verfügen (Studium, Meister o.ä.), besuchen die Krippe. Bei Eltern mit einem niedrigen Bildungsabschluss (10. Klasse) sind es 18 Prozent. Quelle: Nationaler Bildungsbericht 2022

Warum ist frühkindliche Bildung so wichtig?

Unter dem Begriff der frühkindlichen Bildung fassen Fachleute jenen angeleiteten Kompetenzerwerb zusammen, der in den ersten sechs bis sieben Lebensjahren erfolgt. In diesem Zeitraum werden die Grundlagen dafür gelegt, wie erfolgreich die weiteren Bildungsprozesse in der Schule verlaufen. Wenn man einen Säugling mit einer Erstklässlerin vergleicht, dann ahnt man, dass Kinder in dieser Zeit sehr viele neue Dinge erlernen. Das Schöne daran ist, dass sie das in dem Alter noch freiwillig machen. Kinder sind von Natur aus neugierig und wissbegierig. Sie sind offen für Neues und Unbekanntes, stellen Fragen, erkunden Dinge mit allen Sinnen. Sie wollen ihr Umfeld und ihre Umwelt erforschen und begreifen. Sie machen in den ersten Lebensjahren große Entwicklungssprünge in der Motorik (krabbeln, laufen, schwimmen, radfahren), in der Sprache, im mathematischen Verständnis, sie schulen ihre Sinne und ihre soziale Kompetenz. Sie lernen sich zu streiten und zu vertragen, zu trösten und miteinander zu spielen. Sie lernen ihre Emotionen zu regulieren, ein Spiel zu verlieren, mit einem Wutausbruch umzugehen.

All diese Entwicklungen gehen mit Veränderungen im Gehirn einher. Wiegt es bei der Geburt etwa 300 Gramm, sind es vor der Einschulung bereits 1.300 Gramm. Die Zahl der Neuronen nimmt im Laufe des Lebens nicht mehr zu: Es bleibt bei etwa 100 Milliarden Nervenzellen. Dafür nimmt die Zahl der Synapsen rasant zu. Das sind die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, sozusagen die Datenautobahnen. Immer wenn wir etwas Neues, Unbekanntes lernen, legt das Gehirn Synapsen an. Bereits mit zwei Jahren haben Kleinkinder so viele Synapsen wie Erwachsene und mit drei Jahren sogar doppelt so viele. Etwa ab dem zehnten Lebensjahr nimmt die Zahl der Synapsen wieder ab. Das Gehirn räumt sozusagen auf. Was das Kind einmal gelernt hat, aber im Alltag nicht mehr nutzt, geht verloren: Das kann der abgebrochene Flötenunterricht sein oder das in der zweiten Klasse erlernte Wissen über den Aufbau von Korbblütlern.

Wenn wir Kindern möglichst viele verschiedene Eindrücke und Erfahrungen ermöglichen und sie dabei altersgerecht begleiten, schaffen wir gute Voraussetzungen für den Schulstart. Diese Aufgabe teilen sich Eltern und Kitas. Und dort, wo Eltern ihren Kindern – aus welchen Gründen auch immer – all das nicht in ausreichendem Maße ermöglichen können, sind gute Kitas umso wichtiger. Denn je mehr positive Lernerfahrungen Kinder in ihren ersten Lebensjahren sammeln können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ein Leben lang Freude am Lernen haben.


Der Migrationshintergrund hat ebenfalls Einfluss darauf, ob ein Kind die Kita besucht: 25 der Kinder mit einem solchen Hintergrund besuchen die Krippe, bei Kindern, deren Eltern beide in Deutschland geboren wurden, sind es 37 Prozent. Quelle: Nationaler Bildungsbericht 2022



Ein wenig Mathe, ein wenig Physik und ganz viel Spaß: Kinder lernen vor allem beim Spielen.

Prinzipien für erfolgreiches pädagogisches Handeln

Kinder lernen effektiver, wenn ...

  • sie Erfahrungen machen können, die ihre Sinne in vielfältiger und komplexer Weise ansprechen
  • sie soziale Interaktionen erleben
  • ihre Interessen und Ideen von den Erzieherinnen gewürdigt und einbezogen werden und das Gelernte als persönlich bedeutsam eingestuft wird
  • sie ihr Vorwissen und Können mit neuen Erfahrungen verknüpfen können
  • positive Emotionen die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen begleiten, beispielsweise durch Kuscheln beim Vorlesen
  • beim Lernen ein Verständnis des Ganzen vermittelt wird, damit die einzelnen Details miteinander verbunden werden können
  • sie klar strukturierte, rhythmisierte oder bewusst gestaltete Lernumgebungen vorfinden, die ihre Aufmerksamkeit fokussiert,
  • ihnen die Möglichkeit gegeben wird, um das eigene Lernen bewusst reflektieren zu können, beispielsweise über Portfolioarbeit oder Feedbackkultur
  • verschiedene Wege zugelassen werden, damit vielfältige Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Informationen, bereits Gelerntem und neuen Erfahrungen entstehen
  • die individuellen Unterschiede hinsichtlich der Entwicklung, der Kenntnisse, Fertigkeiten und Bedürfnisse jedes Kindes berücksichtigt werden
  • eine unterstützende, motivierende, wertschätzende Umgebung gegeben ist, die zugleich neue Herausforderungen birgt, um die eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können
  • sich die Kinder sicher fühlen und eine gute Bindung zu den pädagogischen Fachkräften haben, die ihr Lernen unterstützen und aktivieren

Quelle: „Wie lernen Kinder? Frühkindliche Bildung im Licht neuropsychologischer Forschung“ von Axel Bernd Kunze

Wie sehen das eigentlich die Kinder selbst? Was macht eine gute Kita für sie aus? Genau das hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung 2017 untersuchen lassen. Für die Studie „Kita-Qualität aus Kita-Sicht“ wurden knapp 80 Kinder aus sechs Kitas in Deutschland befragt und für mehrere Tage in ihrem Alltag begleitet. Das Ergebnis ihrer vor-Ort-Forschung fassen die Autoren so zusammen: „Kinder wünschen sich eine Kita, in der sie sich wohl, sicher, anerkannt und wertgeschätzt fühlen – und zwar auch und gerade dann, wenn sie nicht den Erwartungen und Vor-Urteilen der Erwachsenen entsprechen, wenn sie ‚besonders‘ sind und sich vielleicht auch irritierend und ‚rätselhaft‘ verhalten. Kinder wünschen sich, in ihrem Selbst- und Welterkundungsdrang von Erwachsenen unterstützt und zugleich in ein vertrautes und sicherndes Netz von Beziehungen eingewoben zu werden. Sie wollen gut informiert sein, mitreden und mitbestimmen und vor allem ungestört mit ihren Freund*innen zusammen sein und spielen.“ Die Autoren haben das Erlebte und von den Kindern Erzählte in mehreren Kriterien zusammengefasst.


Kinder erfassen ihre Umwelt mit allen Sinnen und brauchen daher eine Umgebung, die möglichst viele Sinne anspricht und ganzheitliches Lernen ermöglicht.

Kita-Qualitätskriterien aus Kindersicht

Individualität und Zugehörigkeit

  • sich als individuelle Persönlichkeit wertgeschätzt fühlen und sichtbar sein: „Das bin ich, das sind meine Sachen, das habe ich gemacht.“
  • sich zurückziehen und an ‚geheimen‘ Orten ungestört Spielwelten entfalten: „Hier können wir ungestört spielen und unserer Fantasie freien Lauf lassen.“
  • sich durch Regeln, Rituale und Gemeinschaft miteinander verbunden und gesichert fühlen: „Wir gestalten gemeinsam den Alltag und gehören zusammen.“

Kompetenzerleben

  • sich im eigenen Können ge- und bestärkt fühlen: „Ich kann was! Mir wird was zugetraut.“
  • sich frei und raumgreifend bewegen: „Ich kann mich frei bewegen und den gesamten Raum erleben.“
  • sich selbst und die Welt explorativ erkunden und existentielle Themen bearbeiten: „Wir erforschen die Welt und suchen nach Antworten auf schwierige Fragen.“
  • sich in der Kita auskennen und im Alltag informiert sein: „Wir kennen uns hier aus.“


Autonomie und Partizipation

  • sich in Bezug auf die eigenen Rechte und Entscheidungen respektiert fühlen: „Ich darf über mich bestimmen, meine Grenzen werden nicht verletzt.“
  • sich-Beteiligen, Mitreden und (Mit-) Entscheiden: „Wir werden einbezogen und können (mit-) entscheiden.“
  • Ausnahmen von der Regel erfahren: „Einmal durften wir das.“


Kita-Qualität in Deutschland

Um all das im Alltag umsetzen zu können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Dafür muss die Politik langfristig ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Bis 2019 teilten sich die Finanzierung der Kitas Länder und Kommunen. Mit dem 2019 beschlossenen Gute-KiTa-Gesetz hat sich erstmals der Bund beteiligt: Seitdem hat er jedes Jahr etwa zwei Milliarden Euro bereitgestellt, damit die Kitas ihre Qualität verbessern können. Sie können mit den Mitteln beispielsweise zusätzliches Personal einstellen, ihr Ganztagsangebot ausbauen oder Programme zur sprachlichen Förderung aufsetzen. Zwei Milliarden Euro klingt nach einer großen Summe. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 haben Bund und Länder insgesamt 43,5 Milliarden Euro in die Kindertagesbetreuung investiert. Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung, geht noch einen Schritt weiter: Nach ihren Berechnungen bräuchte es statt zwei Milliarden Euro knapp 14 Milliarden Euro jährlich vom Bund, wenn man einen Ausbau der Betreuungsplätze entsprechend dem Bedarf und einen Personalschlüssel nach wissenschaftlichen Standards umsetzen will. Da ist also noch viel Luft nach oben. Zudem ist ungewiss, ob und wie die Bundesfinanzierung nach 2024 fortgesetzt wird. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums sagte auf lausebande-Nachfrage: „Ob der Bund sein finanzielles Engagement in der Qualitätsentwicklung über 2024 hinaus fortsetzt, wird im regulären Verfahren für die Aufstellung des Haushalts 2025 zu entscheiden sein.“

Immerhin plant der Bund die Einführung bundesweiter Standards für die Kindertagesbetreuung. Genau solche Standards sind bisher nicht festgelegt. Nach Ministeriumsangeben stehen dabei eine bessere Betreuungsrelation, sprachliche Bildung und Förderung sowie ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot im Fokus. Es ist eines der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Derzeit berät eine Arbeitsgruppe, wie diese Standards aussehen könnten, anschließend sollen die Beratungen von Bund und Ländern auf politischer Ebene fortgesetzt werden.

Die Bertelsmann-Stiftung hat bereits Vorschläge veröffentlicht, wie solche Standards aussehen könnten:

  • kindgerechte Personalschlüssel
  • ausreichend Zeit für Leitung
  • professionelle Aus-, Fort- und Weiterbildung
  • Fach-/Praxisberatung
  • kostenfreies Mittagessen für alle Kinder

Weiterhin braucht es ausreichend Kitaplätze. Den Rechtsanspruch gibt es bereits seit 2013. Für einige Eltern gilt er aber nur auf dem Papier, denn gerade in manchen westdeutschen Städten gibt es noch immer nicht ausreichend Kitaplätze. Der Ausbau hinkt dem Bedarf hinterher. Die Bertelsmann-Stiftung geht von etwa 430.000 fehlenden Plätzen aus, davon die meisten in den westdeutschen Bundesländern.

Die dritte wichtige Säule für gute Bildungsarbeit in Kitas ist der bereits genannte kindgerechte Personalschlüssel. Wie das in der Theorie aussieht, darüber herrscht in der Wissenschaft Einigkeit: Demnach sollte sich ein Krippenerzieher um höchstens drei Kinder unter drei Jahren kümmern müssen und zwei Kitaerzieherinnen um höchstens 15 Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Allein an der Umsetzung scheitert es. Da Bildung Ländersache ist, kocht hier jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Das Ergebnis sind sehr ungünstige Personalschlüssel in Sachsen, Brandenburg und den übrigen ostdeutschen Bundesländern.


Idealweise sollte sich ein Krippenerzieher um höchstens drei Kinder kümmern. Deutschlandweit sind es fast vier Kinder. Brandenburg steht etwas besser da als Sachsen. Negativer Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern mit einem Personalschlüssel von 1 zu 5,7. Optimal betreut werden Krippenkinder in Baden-Württemberg. Quelle: Ländermonitor Frühkindliche Bildung 2022 der Bertelsmann-Stiftung

wir in den ostdeutschen Regionen zwar ausreichend Kitaplätze haben, die Betreuungsqualität dort aber nicht optimal ist. In den anderen Bundesländern wiederum ist der Betreuungsschlüssel sehr viel besser, teils entspricht er sogar den wissenschaftlichen Empfehlungen. Dafür fehlen dort Kitaplätze. Viele Eltern können ihre Kinder nach der Elternzeit nicht in die Betreuung geben. Immer wieder müssen Kitas oder einzelne Gruppen tageweise schließen, Öffnungszeiten werden gekürzt. Es ist eine Situation, die bei Eltern, Kindern und Erziehern gleichermaßen für Frust sorgt. Die Bertelsmann-Stiftung hat daher eine Maßnahme vorgeschlagen, die auf den ersten Blick unkonventionell klingen mag, die aber mehr Beachtung verdient, als sie derzeit bekommt: Eine generelle Reduzierung der Kita-Öffnungszeiten auf sechs bis sieben Stunden pro Tag. Dies ist nur als kurzfristige Maßnahme für ein oder zwei Jahre gedacht, da sich die Situation dann aufgrund der demographischen Entwicklung ohnehin entspannen wird. Zudem ist das nicht bundesweit erforderlich, sondern nur in jenen Regionen, in denen es viel zu wenig Kitaplätze gibt. Durch die Reduzierung könnte man verlässliche Betreuung zumindest während der gekürzten Öffnungszeiten anbieten und vermutlich sogar zusätzliche Kitaplätze schaffen. Denn aktuell ist es so, dass für die Betreuungsrandzeiten am frühen Morgen und am späten Nachmittag Personal für relativ wenige Kinder vorgehalten werden muss.

Die Reaktionen auf den Vorschlag sind – wenig überraschend – sehr ablehnend: „Eine generelle Einschränkung der Betreuungsumfänge auf 6 bis 7 Stunden würde einen Schritt zurück bedeuten und viele Eltern vor große Herausforderungen stellen“, heißt es vom Bundesfamilienministerium. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz wirft der Stiftung Realitätsferne vor: „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird durch den Vorschlag von verkürzten Kita-Zeiten torpediert. Unter diesen Bedingungen wäre kein Vollzeitjob für Eltern denkbar.“ Er verweist zugleich darauf, dass in Sachsen ausreichend Kitaplätze vorhanden sind.

Diesen Unkenrufen zum Trotz machen einige Kommunen und Landkreise bereits den Praxistest. So hat die Stadt Osnabrück in Niedersachsen im Sommer 2023 die Öffnungszeiten in neun von elf städtischen Kitas radikal reduziert: Krippengruppen bis 14.30 Uhr, Kitagruppen bis 14 Uhr. Allerdings wurden zuvor alle Eltern gefragt, ob sie Bedarf für längere Betreuungszeiten bis maximal 16 Uhr haben. Alle Eltern, die einen solchen Bedarf geäußert haben, weil sie beispielsweise länger arbeiten, können nach der Kernöffnungszeit die gruppenübergreifenden Randöffnungszeiten nutzen. Stadtvertreter Wolfgang Beckermann: „Aufgrund des hohen Fachkräftemangels haben wir mit dieser Umstrukturierung nun ein Modell geschaffen, das Kindern mit Bedarf eine Betreuung bis in den Nachmittag gewährleistet und gleichzeitig das Personal effizienter eingesetzt werden kann. Wir schaffen damit Verlässlichkeit.“

Einige freie Träger haben nachgezogen und setzen dieses Modell ebenfalls um. Andere niedersächsische Kommunen haben in Osnabrück bereits nachgefragt, wie sich die reduzierten Öffnungszeiten in der Praxis bewähren. Zusätzlich hat die Stadt Osnabrück ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und die Kinderbetreuung zu verbessern. In den Neubau, Ausbau und die Renovierung von Kitas investiert die Stadt bis 2027 ca. 53 Millionen Euro. Zudem wurde eine Job-Offensive gestartet, um neue Fachkräfte und Auszubildende für die städtischen Kitas zu gewinnen. Dazu wurden 50 Einzelmaßnahmen umgesetzt, wie die Schaffung zusätzlicher Studienplätze, die Erleichterung des Quereinstiegs, die Vereinfachung von Bewerbungsverfahren und die Umsetzung von Image-Kampagnen.

Die aktuelle Situation in Sachsen und Brandenburg

Sachsen und Brandenburg könnten die Kinderbetreuung in den kommenden Jahren ebenfalls verbessern – und das ganz ohne eine Kürzung von Öffnungszeiten: „Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Für alle Ost-Bundesländer gilt, dass das aktuell beschäftigte Kita-Personal nicht entlassen werden darf und sogar zusätzlich neue Fachkräfte gewonnen werden müssen“, heißt es im jüngsten Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule der Bertelsmann-Stiftung. Dazu müssten zunächst auf Länderebene die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Das zuständige Ministerium in Brandenburg verweist auf den bereits verbesserten Personalschlüssel. 2015 lag dieser in der Krippe noch bei 1 zu 6. Im Sommer 2025 soll er bei 1 zu 4 liegen. Im Kindergartenbereich gab es in den vergangenen Jahren ebenfalls leichte Verbesserungen. Zudem kommt ab diesem Sommer die lange versprochene Beitragsfreiheit.
Sachsen will den Vorschlag ebenfalls aufgreifen und trotz sinkender Kinderzahlen am Personal festhalten. Allerdings hält das zuständige Kultusministerium die wissenschaftlichen Empfehlungen für nicht umsetzbar: „Die Forderungen zum Personalschlüssel in den Kindertageseinrichtungen sind völlig überzogen. Sicherlich wünschen wir uns alle eine optimale Betreuung für unsere Kinder. Aber es muss in der Realität umsetzbar sein“, so Minister Piwarz. Mit Blick auf die hohen Kosten und das nötige Personal sei das nicht zu stemmen. Stattdessen wolle man sich weiter schrittweise um eine Verbesserung des Personalschlüssels bemühen. Aktuell liegt er für die Krippe bei 1 zu 5, die letzte Verbesserung liegt bereits sechs Jahre zurück. Im Kindergartenbereich liegt der Schlüssel bei 1 zu 11,2. „Die Entscheidung über neue Maßnahmen zur Verbesserung der Personalausstattung bleibt dem Sächsischen Landtag vorbehalten und wird – so denn dieser Weg weiterverfolgt wird – mit dem Beschluss über den Landeshaushalt 2025/2026 getroffen“, heißt es vom Ministerium. Aufgrund der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen wird dies voraussichtlich erst im Frühjahr 2025 der Fall sein.

Ein Blick auf die Fachkräftesituation

Zugleich braucht es – in allen Bundesländern – Strategien, um mehr Personal für Kitas zu gewinnen und das Bestandspersonal zu entlasten und zu halten. Denn auch in diesem Bereich gibt es aufgrund der schwierigen Arbeitsbedingungen eine Abwanderung von Fachkräften in verwandte Berufsfelder. Als Beispiel für eine kurzfristige Maßnahme wird die Entlastung der Erzieher von hauswirtschaftlichen oder Verwaltungstätigkeiten genannt. Der Bund sieht die Notwendigkeit einer Fachkräftestrategie ebenfalls, verweist aber auf die Zuständigkeit der Länder: „Zuständig für die Ausbildung des pädagogischen Personals sind die Bundesländer, für die Arbeits- und Rahmenbedingungen die Arbeitgeber und Tarifpartner. Deshalb arbeitet das BMFSFJ gemeinsam mit diesen Partnern an einer tragfähigen Gesamtstrategie mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dabei nehmen wir die Ausbildung, Fortbildung, attraktive Arbeitsbedingungen, horizontale und vertikale Karrierewege, Möglichkeiten zum Quereinstieg und die Integration ausländischer Fachkräfte in den Blick.“ Konkrete Empfehlungen will das Bundesfamilienministerium noch im Frühjahr vorstellen.

Die Wissenschaft wünscht sich, dass unter diesem Druck nicht auf Personal zurückgegriffen wird, das nicht qualifiziert ist: „Auf keiner Ebene darf es Abstriche an der pädagogischen Qualifizierung geben. Sonst leidet die Bildungsqualität darunter“, mahnt Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung. Schon jetzt passiert nämlich in Kitas das, was auch die Schulen machen: Es werden immer mehr Menschen über den Quereinstieg eingestellt, nicht immer folgt dann noch eine der Berufsausbildung gleichgestellte Qualifizierung. Statt also auf eine höhere Akademisierung zu setzen, wie es in anderen Ländern der Fall ist, wäre es in der aktuellen Situation wichtiger, wieder verstärkt Erzieherinnen einzustellen, die eine entsprechende Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben.

Brandenburg dagegen hat mit einer neuen Kita-Personalverordnung die Tür für Nicht-Qualifizierte weiter geöffnet. So dürfen künftig bis zu 20 Prozent Ergänzungskräfte in einer Kita tätig sein. Das sind Seiteneinsteigende, die eine Qualifizierung über 300 Stunden abschließen. „Damit wird die Qualität der Kinderbetreuung sichergestellt“, heißt es vom Ministerium. Das kann man hinterfragen, zum Vergleich: Die klassische Ausbildung zur Erzieherin umfasst zwischen 2.400 und 2.800 Theorie-Stunden. Derzeit arbeiten sechs Prozent Ergänzungskräfte in Brandenburger Kitas, das Land will künftig bis zu 20 Prozent erlauben. Im Unterschied zu einer Fachkraft dürfen sie nur unter Aufsicht mit den Kinder arbeiten, sie dürfen ein Kindergruppe also nicht allein betreuen.

Das Fazit lautet also: Erst wenn durch ausreichend und ausreichend qualifiziertes Personal eine gute, kindgerechte Betreuung in den Kitas abgesichert ist, dann können Kitas ein Ort der Betreuung und der Bildung sein. Davon sind wir in ganz Deutschland noch ein Stück weit entfernt. Ein Trost für Familien: Neben der Kita sind für Kinder die Familie und das Zuhause die wichtigsten Lernorte sind – hier können Eltern ausgleichen, was die Kita vielleicht nicht leisten kann.



Die Natur und Spielplätze sind der ideale Lernort für Kinder.

Was können Eltern tun?

Wir haben oben bereits erläutert, dass Kleinkinder nebenher Neues erlernen, mit großer Offenheit an Unbekanntes herangehen und ganzheitliches Lernen bei ihnen am besten funktioniert. Wir wollen Familien daher zum Schluss dieses Beitrags ein paar Tipps an die Hand geben, wie sie ihren Kindern ohne viel Aufwand die besten Voraussetzungen mit auf den weiteren Lebensweg geben.

Unsere Aufgabe als Eltern ist es, die Kinder zu begleiten, sie anzuleiten, ihnen zuzuhören, ihre Interessen aufzunehmen und daraus Ausflüge oder kleine Projekte abzuleiten. Konkrete Ideen finden Sie in der nebenstehenden Tabelle. Wir sollten uns die Zeit nehmen, ihre vielen Warum-Fragen zu beantworten. Wenn wir die Antwort selbst nicht kennen, können wir die Kinder altersgerecht in die Suche nach einer Antwort einbeziehen. Wir sollten ihnen unterschiedliche Spiel- und Lernmaterialien wie Bastelmaterial und einen Maltisch zur Verfügung stellen, ihnen verschiedene Erfahrungsräume bieten: zu Hause, im Garten, im Park, bei der besten Freundin, auf dem Spielplatz, im Zoo, im Museum, im Schwimmbad. Ganz wichtig ist die sprachliche Begleitung: Damit Kinder ihre Muttersprache erlernen können, müssen wir mit ihnen reden, ihnen Lieder vorsingen, Geschichten vorlesen, ebenso gehören kurze Reime und Fingerspiele dazu. Das wichtigste zuletzt: Kinder brauchen unsere Geborgenheit und Zeit. Zeit zum Träumen, zum Spielen, zum Entdecken.