Rezepte für mehr Harmonie unterm Baum

Datum: Sonntag, 30. November 2025 14:46


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Ein Ratgeber rund um das Thema Streiten & Versöhnen

Es duftet nach Vanillekipferln, das Kerzenlicht erhellt den Adventskranz, und irgendwo zwischen Geschenkpapier, Kinderlachen und klingelnden Handys hört man plötzlich einen wütenden Schrei: „Das ist meins!“ Die Geschwister streiten sich um die neuen Bauklötze, während im Hintergrund die Großeltern über die passende Garzeit des Bratens diskutieren und sich Ehemann und Schwager über die aktuelle Politik in die Haare kriegen. Ein paar Minuten später liegt die Stimmung am Boden. Weihnachten – das Fest der Liebe – ist längst auch das Fest der Konflikte. Es gibt kaum eine andere Zeit im Jahr, in der Familien so intensiv beieinander sind, so hohe Erwartungen haben und so wenig Raum für Rückzug. Und genau dann passiert es: Streit.

Weihnachten ist nicht immer nur das Fest der Liebe und der Besinnlichkeit. Bei einer YouGov-Umfrage gab jeder Vierte an, dass es Weihnachten zum Streit kommt – meist mit der besseren Hälfte oder den (Schwieger-)Eltern. Anlass ist meistens das Weihnachtsfest selbst bzw. die organisatorischen Details. Zehn Prozent gaben sogar an, dass sie einer Familienfeier schon mal bewusst ferngeblieben sind, um Streit zu vermeiden oder dass sie bestimmte Personen aus dem selben Grund gar nicht erst eingeladen haben.

Dabei ist Streit kein Fremdkörper im Familienleben, kein Zeichen dafür, dass etwas schiefläuft. Im Gegenteil: Er gehört dazu, so sehr wie das gemeinsame Lachen, Spielen, Essen, Kuscheln und Trösten. Doch während Harmonie und Zuneigung in Familien gern gefeiert werden, gilt Streit eher als Makel. Eltern fühlen sich schnell schuldig, wenn sie sich uneinig sind oder die Kinder streiten. Dabei ist der Konflikt selbst kein Problem – entscheidend ist, wie man damit umgeht. Kinder, die lernen dürfen sich zu streiten, zu versöhnen und zu vergeben, erwerben Fähigkeiten, die ihnen auch im späteren Leben weiterhelfen.


Angaben in Prozent, Quelle: YouGov 2019

Weihnachten – das Fest der Liebe?

Dass in der Weihnachtszeit häufiger als sonst gestritten wird, hat viele Gründe. Fachleute sprechen von einem „Emotionsstau“, der sich schon Wochen vorher aufbaut. Eltern jonglieren mit Terminen, Geschenkelisten, Krippenaufführungen, Schulfeiern und Familienbesuchen. Hinzu kommt die unausgesprochene Erwartung, dass alles „perfekt“ sein soll: das Essen, die Deko, die Stimmung. Kinder spüren diese Spannung oft feiner als wir Erwachsene und reagieren schneller als sonst mit Trotz, Unruhe oder eben Streit.

Auch zwischen den Generationen liegen die Nerven manchmal blank – der Schwiegervater kritisiert das Menü, die Tante vergleicht die Geschenke und Mama ist einfach übermüdet. Weihnachten bündelt Nähe, Emotion und Stress – mitunter eine explosive Mischung. Dazu kommt, dass mehrere Familienmitglieder und Generationen auf engem Raum zusammensitzen – ohne Möglichkeiten des Rückzugs.

Warum Streiten wichtig ist

Obwohl in Familien Streit fast täglich vorkommt, kann er für alle Beteiligten unglaublich nervenaufreibend sein: mehrstimmiges Gebrüll, knallende Türen, herumfliegendes Spielzeug, Wuttränen, wüste Beschimpfungen. Das macht weder den Streitenden Spaß noch denen, die dem Streit zuhören oder zuschauen müssen.

Doch was, wenn wir Streit nicht als Störfaktor, sondern als natürlichen Teil des Familienlebens begreifen? Wenn wir ihn als eine Art Trainingsfeld verstehen – für Kinder und Erwachsene gleichermaßen? In Familien mit Kindern ist das tägliche Aufeinandertreffen unterschiedlicher Bedürfnisse unausweichlich. Das Baby braucht Aufmerksamkeit, das Kindergartenkind will spielen, das Schulkind verlangt Ruhe bei den Hausaufgaben. Die Eltern müssen noch schnell was für Arbeit erledigen und der Haushalt ist schon wieder liegen geblieben. Alle wollen gehört werden. Streit ist dann der Moment, in dem Grenzen spürbar werden – aber auch der Moment, an dem Beziehungen wachsen können. Daher sollten Eltern auf den Satz „Hört doch mal auf zu streiten“ lieber verzichten.

Kinder, die in einer Familie leben, in der Streit nicht als Bedrohung, sondern als Teil des Miteinanders verstanden wird, entwickeln langfristig eine innere Sicherheit. Sie wissen, dass sie auch geliebt sind, wenn sie mal sehr wütend sind oder gemeine Sachen sagen. Sie lernen, dass Beziehungen auch dann bestehen bleiben, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Diese Erfahrung ist ein Schatz für ihr weiteres Leben – in Freundschaften, in der Schule, irgendwann im Beruf und in der Partnerschaft. Denn wer früh erlebt, dass man nach einem Konflikt wieder zueinanderfinden kann, geht auch als Erwachsener konstruktiver mit Spannungen um.

Forscherinnen und Pädagogen sind sich einig: Kinder, die streiten dürfen, entwickeln soziale und emotionale Kompetenz. Sie lernen, eigene Wünsche zu formulieren, Frust auszuhalten und Kompromisse zu finden. In der Psychologie spricht man vom „sozialen Lernen am Konflikt“. Geschwister, die miteinander ringen, testen nicht nur Kräfte, sie üben Frustrationstoleranz und Empathie. Wer lernt zu sagen: „Ich bin wütend, weil du mein Lego genommen hast“, anstatt zu schlagen, trainiert Sprachfähigkeit, Selbstbeherrschung und Mitgefühl. Studien zeigen, dass Kinder, die früh erfahren, dass Streit nicht das Ende der Beziehung bedeutet, später in Freundschaften und Partnerschaften stabiler agieren.
Natürlich gibt es auch die Schattenseite: Wenn Streit ständig eskaliert, wenn Beschimpfungen oder körperliche Übergriffe zur Regel werden, wenn Kinder oder Eltern sich verletzt und ohnmächtig fühlen, dann verliert der Konflikt seine Lernfunktion. Dann entsteht Angst statt Entwicklung. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern einen sicheren Rahmen schaffen und dass sie unterscheiden lernen, wann ein Streit zum Wachstum beiträgt und wann er Schaden anrichtet.


"Gib her. Ich hatte das zuerst." Der Streit ums Spielzeug oder Tablet gehört zu den Klassikern im Kinderzimmer. Foto: PeopleImages, istock


Einmischen oder raushalten?

Viele Eltern fragen sich: Wann sollte ich eingreifen, und wann lieber laufen lassen? Es gibt einerseits jene, die jeden Konflikt sofort schlichten wollen. Aus Sorge, die Kinder könnten sich verletzen, kommen sie dazu, sobald es im Kinderzimmer lauter wird. Doch damit nehmen sie Geschwistern eine entscheidende Lernerfahrung: die Fähigkeit, Konflikte eigenständig zu lösen. Kinder, die nie die Erfahrung machen, selbst eine Einigung zu erzielen, werden später eher konfliktscheu oder passiv. Andere wiederum überlassen die Kinder sich selbst – mit der Haltung: „Das müssen die unter sich klären.“ Auch das birgt Risiken. Denn Kinder brauchen Orientierung und emotionale Sicherheit, um sich in Streitmomenten nicht zu verlieren. Es ist also ein Balanceakt für Eltern: präsent, aber nicht dominierend sein.

Im Idealfall beobachten Eltern zunächst, wie die Kinder miteinander umgehen. Wenn sie beispielsweise nur um ein Spielzeug streiten und sich vorrangig verbal behaupten, ist es gut, sie das selbst klären zu lassen. So lernen sie, Verantwortung für ihre Gefühle zu übernehmen. Eingreifen sollten Eltern dagegen, wenn ein Kind regelmäßig unterliegt oder wenn es körperlich angegriffen wird. Aber auch hier ist die Grenze in jeder Familie sehr individuell. Manche Eltern stören sich schon daran, wenn mal geboxt oder gekniffen wird, für andere ist die Grenze erst überschritten, wenn Blut fließt.

Sobald der Streit zu eskalieren droht, gilt es, die Streithähne kurz zu unterbrechen, Ruhe in die Situation hineinzubringen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Generell gilt, je jünger die Kinder sind, desto präsenter sollten Mama oder Papa bei einem Streit sein. Kleinkinder können noch nicht abschätzen, was passieren kann, wenn sie den Bruder mit der Gartenschaufel auf den Kopf hauen. Und auch bei einem großen Altersunterschied und ungleichen körperlichen Verhältnissen sollten Eltern das „schwächere“ Kind besonders im Blick behalten.

Wichtig ist unabhängig vom Alter der Kinder: Eltern sind keine Richter, sondern Begleiter. Sie helfen, Worte zu finden, an zuvor vereinbarte Regeln zu erinnern, Gefühle zu übersetzen – aber sie nehmen den Kindern nicht die Verantwortung ab. Es hilft meistens nicht, sich das Geschehene nochmal detailliert von beiden Seiten schildern zu lassen, zumal es nicht darum geht, einen Schuldigen zu finden, sondern eine Lösung zu finden. Hilfreiche Sätze können sein:

  • „Ich habe den Eindruck, ihr kommt hier gerade allein nicht weiter. Braucht ihr meine Hilfe, kann ich euch unterstützen?“
  • „Ihr wollt gerade beide mit dem Spielzeug spielen. Das geht nicht. Habt ihr eine Idee, wie wir das lösen können, dass beide damit spielen können?“
  • „Ihr scheint mir beide gerade echt sauer zu sein. Wollt ihr mir mal sagen, warum ihr so sauer seid?“
  • „Du bist aber traurig, wollen wir beide mal eine Runde kuscheln, bis der Kummer weg ist?“
  • „Bei euch ist es aber ganz schön laut. Ihr spielt gar nicht mehr miteinander. Braucht ihr vielleicht eine Pause und wollt erstmal getrennt weiterspielen?“


Oft sind die Gemüter so erhitzt, dass es gar nicht möglich ist, den Konflikt gleich zu klären. Stattdessen sollte man die Kinder für einen Moment räumlich trennen und den Disput später gemeinsam auswerten. Manchmal brauchen beide Kinder oder eines von beiden auch einfach nur Trost oder Jemanden zum Kuscheln.

Bedürfnisse erkennen

Streit entzündet sich oft an für Eltern scheinbar banalen Dingen: Wer bekommt den besseren Platz, wer darf zuerst ans Tablet, wer hat mehr Gummibärchen, wer darf länger auf Papas Schoß sitzen? Doch dahinter steckt fast immer etwas Tieferes: das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, nach Gerechtigkeit, nach Zugehörigkeit. Besonders stark ist das bei Geschwistern ausgeprägt. „Warum darf sie länger aufbleiben?“ oder „Warum hast du ihm geholfen und mir nicht?“ sind typische Sätze, in denen sich im Grunde der Wunsch nach Gleichbehandlung ausdrückt. Wenn die Schwester mehr darf oder ein Freund häufiger gelobt wird, ist das für Kinder auch ein Angriff auf ihr Selbstwertgefühl. Ein Kindergartenkind, das schreit „Ich bin zuerst dran!“, meint vielleicht: „Sieh mich! Hör mich!“ – und ein Schulkind, das trotzig reagiert, sagt indirekt: „Ich will mitbestimmen.“ Eltern können solche Gefühle benennen: „Du bist traurig, weil du dich benachteiligt fühlst.“ Schon das schafft Entspannung, weil das Kind sich verstanden fühlt.

Wer genervt ist von vielen Streitereien, sollte sich ein paar Dinge bewusst machen: Erstens: Gerade Geschwister können sich erstaunlich schnell wieder versöhnen, hier gilt tatsächlich die etwas derbe Redewendung „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“ Zweitens: Streit entsteht meist auf Basis von Nähe und Zuneigung. Wir streiten uns nicht mit Menschen, die uns egal sind oder zu denen wir kaum Bezug haben. Drittens: Geschwister streiten nicht, weil sie sich nicht mögen, sondern weil sie ernst genommen werden wollen. Eltern, die das verstehen, können Streitsituationen nutzen, um Nähe aufzubauen. Nicht durch Bestrafung, sondern durch Begleitung. Viertens: Eltern sind mit dem Thema nicht allein. Ein Studie aus den USA hat berechnet, dass Geschwister im Kitaalter im Schnitt drei Mal pro Stunde miteinander in Streit geraten. Mit dem Alter wird das Streiten dann etwas weniger.

Kleiner Trost: Manchmal ist der Streitanlass auch ganz banal und der Zoff nur deswegen ausgebrochen, weil die Kinder müde oder hungrig sind. Auch wir Eltern reagieren oft gereizter, wenn wir übermüdet oder gestresst sind.



Im Idealfall endet jeder Streit mit einer innigen Umarmung. Auf der Nebenseite sind noch mehr Ideen fürs Versöhnen und Vertragen. Foto: Motortion, istock

Leichter streiten mit Regeln

Wenn es in der Familie häufig zu Streit kommt, können Eltern und Kinder gemeinsam Streitregeln festlegen. Sie geben Orientierung und zeigen Grenzen auf. Solche Absprachen sind weniger als strenges Regelwerk zu verstehen, sondern mehr als Schutzraum für alle Beteiligten. Wichtig ist, dass diese Regeln für alle gelten – auch für die Eltern. Hier sind ein paar Anregungen, die auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche angepasst und um weitere Regeln erweitert werden können.

Streitregeln:

  • nicht beißen, hauen oder kneifen
  • nicht drohen, nicht verspotten
  • wir bleiben beim Thema
  • keine Beleidigungen und Schimpfwörter
  • ich lasse mein Gegenüber ausreden
  • keine Schuldzuweisungen
  • wir machen Pause, wenn es zu viel wird
  • wir suchen eine Lösung, mit der alle leben können
  • reden ist besser als schmollen
  • nach dem Streit vertragen wir uns wieder


Am besten legen Sie die Regeln gemeinsam mit den Kindern fest und hängen Sie für alle sichtbar auf. Für jüngere Kinder reichen Bilder, Größere können die Regeln selbst notieren und als kleines Plakat gestalten. Eltern können zusätzlich versuchen, eine gute Beziehung zwischen den Geschwistern zu fördern. Schaffen Sie Raum für gemeinsame schöne Erlebnisse, zum Beispiel bei Ausflügen, animieren Sie die Kinder, sich zu Geburtstagen und Feiern kleine Geschenke zu machen, sich abends ein Gute-Nacht-Bussi zu geben. Geben Sie den Kinder kleinen Aufgaben, die sie gemeinsam meistern können: einen Kuchen backen, ein kurzes Zirkus- oder Theaterstück proben und aufführen, einen kleinen Tanz einstudieren, den Geburtstagstisch für Papa decken.

Streit zwischen Freunden

Bisher war viel von Geschwisterstreit die Rede. Aber auch unter Freunden spielt Streit eine wichtige Rolle. Viele Eltern erschrecken, wenn sie zum ersten Mal von ihrem Kind hören: „XY ist nicht mehr mein Freund.“ Meistens sind die beiden nach ein, zwei Tagen wieder beste Freunde. Tatsächlich gehört Streit ebenso zur Entwicklung von Freundschaften und kann diese sogar stärken. Kinder lernen, dass Beziehungen auch Konflikte aushalten. Wenn sie sich nach einem Streit wieder versöhnen, wird das Band oft sogar enger. Der gemeinsame Prozess – Wut, Tränen, Entschuldigung, Versöhnung – ist wie eine kleine Probe fürs Leben. Freundschaften, die das überstehen, haben mehr Tiefe. Während Streitereien unter Geschwistern häufig körperlich ausgetragen werden, ist das beim Zoff mit dem Kumpel nur selten der Fall. Bei letzterem sind Eltern auch nur selten dabei, weil er in der Kita, auf dem Schulhof oder im Hortgarten passiert. Wenn sie den Zoff mit der besten Freundin mitbekommen, sollten sie sich auf keinen Fall ungefragt einmischen oder gar die Freundin zur Rede stellen. Das geht in der Regel nach hinten los. Stattdessen können Eltern ihre Kinder aufmerksam beobachten. Sie können nachfragen, wenn sie betrübt scheinen und Hilfe anbieten, indem sie zum Beispiel ein paar Ideen geben, wie sich das Kind wieder mit seinem Kumpel verträgt.

Tipps fürs Vertragen & Versöhnen

Denn glücklicherweise endet fast jeder Streit früher oder später mit einer Versöhnung. Doch nicht immer sind die Kinder von sich aus dazu bereit, sondern brauchen Unterstützung, um nach einer Auseinandersetzung wieder Nähe zuzulassen. Manche reagieren trotzig, weil sie sich schämen oder schüchtern, weil sie unsicher sind, ob der andere ihnen verzeiht. Dann hilft es, kleine Schritte vorzuschlagen und diese gemeinsam zu gehen: ein einfaches „Es tut mir leid“, ein Blick, ein Lächeln, oder klassisch die Hand reichen. Eltern können die Kinder animieren, miteinander etwas zu spielen, ein kleines Geschenk zu basteln, eine Süßigkeit zu teilen, ein Bild zu malen. Familien können auch feste Versöhnungsrituale entwickeln. Hier sind ein paar Ideen. Wichtig ist, dass die Kinder mit der Zeit lernen: Streit darf sein, er wird enden und Nähe darf wieder entstehen.

Versöhnungsrituale

Friedenskissen: Darauf nehmen die Streitenden gemeinsam Platz, bis sie wieder reden wollen. Wenn sie sich zu Beginn nicht in die Augen schauen können, könnten sie zunächst Rücken an Rücken sitzen.

Friedensbox: In einer kleinen Kiste werden Karten und Gutscheine aufbewahrt, z.B. Küsschengutschein, Witzkarte, Minispiel, Gutschein für ein Mal Knuddeln. Nach dem Streit darf jedes Kind eine Karte ziehen und machen, was darauf steht.

Versöhnungstanz: Das Lieblingslied der Kinder oder von jedem Kind den Lieblingssong abspielen und dann wird gemeinsam dazu getanzt.

„Ich will wieder“-Spiel: Beide Kinder sagen abwechselnd einen Satz der beginnt mit: „Ich will wieder…“ und dann setzen sie Sachen ein wie: lachen, spielen, Quatsch machen, Rollerfahren, Fußballspielen.

Luftballon-Ritual: Beide Kinder pusten je einen Luftballon. Dabei pusten sie ihre ganze Wut in den Ballon. Dann lassen sie Ballons los und die Wut verflüchtigt sich.

Sorgenschnecke: Auf einen langen Papierstreifen, der ca. 2-3 cm breit ist, schreiben die Kinder, was sie beim Streit doof fanden. Dann wird der Streifen zu einer Schnecke aufgerollt und die Sorgen sind verschwunden.

Handshake: Die Kinder überlegen sich (in einer Phase ohne Streit) einen besonderen Handshake, den sie nur beim Vertragen nach einem Streit machen.

Entschuldigungsbrief: Die Kinder schreiben einen Zettel oder kleinen Brief, auf dem sie sich entschuldigen oder eine liebe Botschaft hinterlassen. Jüngere Kinder können ein Bild malen.

Versöhnungsstein: Ein besonders schöner Stein, das kann auch ein selbst bemalter sein, wird zum Versöhnungsstein deklariert. Wer bereit ist, sich wieder zu vertragen, gibt ihn an das andere Kind.

Friedensblume: An einem Ort in der Wohnung wird eine gemalte oder ausgedruckte Blume mit mehreren großen Blütenblättern aufgehangen. Zum Vertragen schreibt jedes Kind etwas Nettes über den anderen in eines der Blütenblätter. Wenn die Blume voll ist, wird daneben eine neue aufgehangen.



Eltern dürfen durchaus vor dem Nachwuchs streiten - sollten dabei aber trotz aller Emotionen an ihre Vorbildfunktion denken. Foto: Estraaanton, istock

Eltern als Vorbild

Während Kinder oft erstaunlich schnell wieder miteinander spielen, obwohl sie sich kurz vorher noch an die Gurgel gehen wollten, dauert es bei Erwachsenen mitunter etwas länger, bevor sie sich wieder versöhnen. Dabei gilt beim Streiten und Vertragen – ebenso wie in fast allen anderen Lebenslagen: Kinder lernen nicht durch Ermahnen, sondern durch Beobachten und Nachahmen.

Wenn sie sehen, dass Eltern sich streiten, aber dabei respektvoll bleiben, einander zuhören und sich später entschuldigen, dann begreifen sie intuitiv: So geht das. Wenn Eltern dagegen laut, verletzend oder abwertend werden und Türen zuknallen, agieren sie im Streit mit der Schwester oder dem Bruder vermutlich genauso.

Insofern ist es nicht schlimm, wenn Kinder miterleben, dass Mama und Papa sich uneinig sind – solange sie auch sehen, dass diese sich wieder versöhnen. Eltern, die Konflikte konstruktiv austragen, zeigen ihren Kindern, dass Meinungsverschiedenheiten normal sind und Beziehungen das aushalten können.

Problematisch ist lauter oder gewalttätiger Streit zwischen Eltern auch deswegen, weil Kinder darauf mit Angst oder Schuldgefühlen reagieren können. Sie haben Angst, dass sich Mama und Papa trennen, suchen die Schuld für den Streit bei sich oder haben Angst, dass sie auch etwas von der Wut abbekommen.

Manche übernehmen sogar unbewusst eine Vermittlerrolle und versuchen, die Eltern zu „versöhnen“. Ist ein Streit tatsächlich vor den Kindern eskaliert, sollten die Eltern erklären, was passiert ist: „Wir haben gestritten, aber wir haben uns wieder vertragen. Es war nicht deine Schuld.“ Solche Sätze geben Sicherheit und verhindern, dass Kinder emotionale Lasten übernehmen.

Wie sehr das Vorbild der Eltern Einfluss auf die Kinder haben kann, zeigen Studien. Kinder, die in Familien aufwachsen, in denen Konflikte offen, aber respektvoll besprochen werden, zeigen später ein höheres Maß an Empathie, Frustrationstoleranz und Selbstreflexion. Kinder, die dagegen in Umgebungen leben, in denen Streit unterdrückt oder ständig lautstark ausgetragen wird, entwickeln häufiger Angst vor Konflikten oder Aggressionen. Beides erschwert später den Umgang mit Meinungsverschiedenheiten. Das Ziel sollte also nicht sein, Streit zu vermeiden, sondern ihn so zu gestalten, dass alle Beteiligten daraus lernen können.

Externe Hilfe holen

Manchmal allerdings geraten Familien in Konfliktspiralen, die sie nicht mehr allein durchbrechen können – das kann sowohl beim Streit zwischen Geschwistern der Fall sein als auch zwischen Partnern oder sogar zwischen Eltern und Kindern. In jedem Fall gilt: Wenn Streit zum Dauerzustand wird, wenn Aggression, Rückzug oder Verzweiflung überwiegen, dann ist Hilfe von außen sinnvoll. In der Lausitz gibt es zahlreiche Anlaufstellen: Erziehungsberatungsstellen, Familienzentren, Schulsozialarbeit, die Telefonseelsorge, die Nummer gegen Kummer. Auch Familiencoaches und Paartherapeutinnen bieten Unterstützung an.



Quelle: YouGov

Streitthemen in Familien

Wir haben hier vor allem über Streit zwischen Geschwistern geschrieben. Natürlich kommt es auch mal zwischen Eltern und Kindern zum Zoff. Die Anlässe dafür sind in vielen Familien ähnlich, wie Befragungen und Studien zeigen. Klassische Konfliktthemen sind demnach Aufräumen & Mithilfe im Haushalt, Schule & Hausaufgaben und die Mediennutzung. Bei älteren Kindern und Teenagern kommt es auch mal zum Zwist über die Wahl der passenden Kleidung oder der Kleidermarke.

Es gibt auch zwischen Eltern typische Streitthemen, auf Platz eins steht die Erziehung der Kinder. Die Frage, wie viele Süßigkeiten erlaubt sind, gehört ebenso dazu wie die Frage nach dem ersten Handy fürs Kind oder die Frage nach dem Umgang mit Bestrafung und Belohnung. Auf Platz zwei folgt bereits der Dauerbrenner Haushalt, hier scheint sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel getan zu haben. Platz 3 geht an die unbezahlte Care Arbeit inklusive Mental Load. Vor allem Mütter haben das Gefühl, dass in diesem Bereich sehr viel an ihnen hängen bleibt und dass dies nicht ausreichend wertgeschätzt wird.



Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat mit Stand Anfang November bereits 23 Ordnungsrufe erteilt – 20 für die AfD, drei für die Linke.

Streitkultur in Deutschland

In Deutschland lebt etwa jeder zweite Mensch in einer Familie, also in einem Haushalt mit Kindern unter 18 Jahren. Damit sind Familien ein idealer Schutzraum, um im Kleinen das zu lernen, was wir später im Großen immer wieder machen werden: streiten. Auch während der Ausbildung, beim Studium, im Beruf, im Sportverein, beim Elternabend, im Gemeinderat wird es zu Konflikten kommen. Im Idealfall lernen unsere Kinder von Beginn an, wie sich solche Konflikte gut lösen und Kompromisse aushandeln lassen. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Streitkultur.

Mit Migration, Klimakrise, Russland-Ukraine-Krieg, Gazakonflikt gibt es scheinbar immer mehr Reizthemen, bei denen sich zwei Positionen unversöhnlich gegenüberstehen. Die Sozialen Medien als moderne Stammtische mit großem Resonanzraum tragen ebenfalls nicht zu einer gesunden Streitkultur bei – ganz im Gegenteil – der Ton wird rauer, die Wortwahl problematisch, Angriffe werden schnell persönlich. Zum Schluss geht es gar nicht mehr um die Sache. Echte Begegnung, echter Austausch findet nur noch selten statt. Vielmehr wird protestiert und im Internet gewettert. Empörung statt Erklärung. Kompromisslosigkeit statt Konsenssuche.

Selbst im Deutschen Bundestag ist der Ton rauer geworden, die Zahl der Ordnungsrufe hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. In der letzten Legislaturperiode (2021-2025) waren es 135, in der vorhergehenden 49. In den Wahlperioden davor jeweils nur ein oder zwei. Spitzenreiter ist die AfD. Ihre Abgeordneten werden am häufigsten wegen zweifelhafter Äußerungen abgemahnt. Das ist nicht zuletzt eine Gefahr für unsere Demokratie. Demokratie braucht Austausch, sie braucht Streit, den Streit um die besseren Argumente.

Der im Februar 2025 erstmals veröffentlichte Bielefelder Konfliktmonitor bestätigt diese Wahrnehmung: Demnach ist die Mehrheit der Befragten der Meinung, dass Konflikte zu einer Demokratie gehören. Fast Dreiviertel sagen aber: Derzeit gelinge es nicht, die vielen bestehenden Konflikte gut zu lösen. Die Gründe für die vielen Konflikte sehen die Befragten unter anderem in der schlechten Zusammenarbeit der damaligen Ampelkoalition, in der mangelnden Kompetenz von Parteien und Politikern sowie in zu viel Bürokratie. Die ehemalige TV-Talkshow-Moderatorin und Mediatorin Birte Karalus hat ein Buch mit einem Plädoyer für mehr öffentlichen Streit geschrieben. Darin appelliert sie: „Lassen Sie uns streiten, oder wie ich es lieber ausdrücke: Seien wir bereit, uns auseinanderzusetzen! Diesen Appell braucht es heute mehr denn je. Unsere Gesellschaft zersplittert in immer mehr Gruppen und Grüppchen, die alle zu ihrem Recht kommen wollen. Ohne konstruktive Auseinandersetzung werden wir keine gemeinsame Basis finden. Wir müssen uns einigen – auf Werte und auf Regeln, die für alle gelten. Doch scheinen wir vom konstruktiven – lösungsorientierten – Streiten weiter entfernt denn je. In einem Klima der Krisen und der Verunsicherung zerfällt das öffentliche Auseinandersetzen in schrille Misstöne und harsche Angriffe auf der einen und ängstliches Schweigen auf der anderen Seite.“ Sie singt ein Loblied auf den Streit, der schon in Familien stattfinden sollte (s. Interview im Anschluss).



Damit Weihnachten dieses Jahr tatsächlich ein Fest der Liebe wird, haben wir auf diesen Seiten ein paar Tipps zusammengetragen. Foto: Wackerhausen, istock

Harmonie unterm Weihnachtsbaum?

Also doch wieder Streit unterm Weihnachtsbaum? Wer an den Festtagen nicht die Streitkultur retten möchte, kann ein paar Vorbereitungen treffen, um das Streitrisiko zu minimieren. Zunächst sollten sich Eltern und Kinder über bestimmte Abläufe einig sein: Wann wird der Baum aufgestellt, wer schmückt den Baum? Eltern sollten rechtzeitig klären, wer die Geschenke besorgt und was geschenkt wird. Für größere Runden überlegen Sie vorher, ob bestimmte Reizthemen für die Zeit des Treffens komplett ausgespart werden, weil sie immer wieder zu Streit führen. Familien können sich auch auf ein Time-Out-Symbol einigen, das auf den Tisch gestellt wird, sobald die Stimmung zu kippen droht. Dann wird die Gesprächssituation für ein gewisse Zeit unterbrochen. Ein Spaziergang an der frischen Luft kann ebenfalls Wunder wirken. Man verlässt die Enge der Stube und kann die Gemüter draußen etwas abkühlen lassen. Ansonsten gilt Weihnachten ebenso wie bei jedem anderen Streit: Wünsche äußern statt Vorwürfe zu machen, empathisch statt energisch sein.

Wenn zum Fest der Liebe trotzdem wieder die Anspannung steigt, das Kind das falsche Geschenk bekommt, der Braten zu dunkel ist und jemand beleidigt den Raum verlässt – dann sehen Sie es nicht als Zeichen des Misslingens, sondern der Menschlichkeit. Es gehört dazu. Entscheidend ist, dass die Familie wieder zusammenfindet, dass jemand den ersten Schritt macht, dass das Lächeln zurückkehrt. Kinder, die das erleben, lernen: Liebe ist nicht das Gegenteil von Streit, sondern das, was bleibt, wenn man sich wieder versöhnt.

Charlotte, 9 Jahre: Manchmal streite ich mit meinem kleinen Bruder, zum Beispiel wenn er mir etwas wegnimmt oder wenn ich etwas habe, womit er gerade spielen will. Dann boxt oder schubst er auch schonmal. Aber wir vertragen uns meistens schnell wieder. Und wenn wir das nicht allein schaffen, gehen wir zu unseren Eltern und die helfen uns dann.

Lennard (5) mit Karlo (3): Wenn mein Bruder Karlo das gleiche Spielzeug haben will wie ich, und mich haut, dann bin ich sauer und sage: Halt, stopp, hör auf damit, ich habe das jetzt. Wenn das nichts bringt, gehe ich zu meiner Mama und sage ihr das, damit sie mir hilft.

Mailo, 7 Jahre: Mein jüngerer Bruder und ich, wir streiten schon öfter. Eben gerade haben wir gestritten, weil wir beide einen gestempelten Fingerabdruck von Mama haben wollten, den gab es am Stand der Polizei.
Das ist oft ein Grund für Streit, dass wir beide gleichzeitig das Gleiche haben wollen. Aber wir vertragen uns auch schnell wieder.