
Ein Gastbeitrag von Marie Guskić Mohr, der zuerst im Magazin Kinderkram aus Kiel erschienen ist. Kinderkram gehört wie die lausebande zur Familienbande, ein bundesweiter Verbund regionaler Familienmagazine.
Ein Baby ist da, und plötzlich ist alles anders – nicht nur im Alltag, sondern auch im Urlaub. Reisen mit Baby? Eine völlig neue Erfahrung. Wir wandern gern und wollten es wissen: Das muss doch auch mit Baby möglich sein!
Die Planung der Tour
Nachdem wir uns wagemutig entschieden hatten, mit einem Baby in den Alpen von Hütte zu Hütte zu wandern, ging es an die Tourplanung. Wir überlegten, wieviel Wanderzeit wir uns zutrauen, wieviel Windeln und Breigläschen wir tragen können und ob ein Baby im Matratzenlager schlafen kann. Unsere Reisegruppe bestand aus der Oma, uns Eltern und dem 9 Monate alten Emilijan, der vor der Reise keine Rücksicht auf seine Eltern nahm und vor dem Urlaub locker die 10-Kilo-Gewichtsgrenze knackte. Immerhin zeigte er nur wenig Interesse an Beikost und wurde lieber gestillt, sodass wir zumindest bei der Babynahrung an Gepäck sparen konnten.
Nach eingehender Recherche entschieden wir uns für eine 10-tägige Wanderung in der Verwallgruppe in den Tiroler Alpen. Die Streckenlänge lag zwischen drei und sechs Gehstunden pro Tag, wobei der Überstieg vom Ost- zum Westverwall nur über eine anspruchsvolle Tagestour von sieben bis acht Stunden möglich war. Unterwegs merkten wir jedoch, dass diese lange Etappe zu viel für uns war. Deswegen stiegen wir spontan hinab ins Tal, um diese Strecke zu umgehen. Den einen Tag Pause im Tal in einem kleinen Studio mit Dusche, Bettwäsche, Handtüchern, kleiner Küche und Bäcker und Supermarkt um die Ecke haben wir dann sehr genossen. Nächstes Mal würden wir sicherlich schon im Vorfeld einen Pausentag einplanen.
Die Hütten haben wir rechtzeitig reserviert, sodass wir immer ein eigenes Mehrbettzimmer hatten und nicht auf das Matratzenlager ausweichen mussten. Das war nicht nur gut für Emilijans Schlaf, sondern sicherlich noch wichtiger für das Wohl der anderen Wanderer!
Die Kindertrage
Vor der Reise hatten wir kaum Gelegenheit, die Rückentrage auszuprobieren, aber Emilijan hat von Anfang an gerne daringesessen. Die Kindertrage von Deuter hat ein Eigengewicht von 3550 g, war sehr komfortabel ausgestattet und bot reichlich Stauraum. Emilijan saß bequem, konnte entspannt schlafen und fühlte sich wohl. Ein dickes Polster für seinen Kopf sorgte dafür, dass wir auf ein Nackenkissen verzichten konnten. Das Sonnendach war ständig im Einsatz und wir rüsteten die Trage nur mit einer Schnur für wechselndes Spielzeug nach, damit er während der Wanderung etwas zu tun hatte. Die Kraxe ließ sich leicht verstellen, so dass sie gut von Mutter und Vater getragen werden konnte.
Die Wandertage
Für das Wandern mit Baby ist es sehr hilfreich eine feste Routine zu finden. Wir hatten nach ein paar Tagen unseren Rhythmus gefunden. Zum Glück sind die Tagesabläufe in den Hütten sehr babyfreundlich. Frühstück gibt es zwischen 7 und 8 Uhr, Abendbrot um 18 Uhr, Hüttenruhe ist um 22 Uhr. Emilijan ist immer zwischen 6 und 7 Uhr aufgewacht, dann gab es Frühstück. Vorher haben wir schon ein bisschen gepackt und nach dem Frühstück freut sich das Hüttenteam, wenn alle Wanderer möglichst schnell losziehen, so dass Zeit bleibt, die Hütte aufzuräumen und sich für den Mittagsansturm zu rüsten. In der Niederelbehütte trafen wir morgens beim Losmarschieren die Wegebau-Gruppe unserer Sektion Kiel. Ein zufälliges Aufeinandertreffen der Wanderfans aus dem hohen Norden in den hohen Bergen!
Waren wir losmarschiert, hatte Emilijan meist noch eine halbe Stunde gute Laune, bevor er müde wurde. Dann legten wir eine Pause ein, er konnte spielen und trinken. Anschließend war Schlafenszeit und wir wanderten weiter, während er einschlief. Falls ihn die schöne Aussicht auf die Berge oder die Spielzeuge, die wir ihm vor die Nase gebunden haben, nicht einschläferten, sangen wir ihm Wanderlieder vor. Oder wir spielten, wenn uns beim Anstieg die Puste ausging, eine Spieluhr, aufgenommen auf dem Handy, in Dauerschleife ab. Nicht immer passten seine Schlafenszeiten zu den schönsten Pausenorten, so dass wir manchmal die Aussicht vom Joch nur kurz genießen konnten und an einigen Almen vorbeigehen mussten (zum Glück gab es häufig hausgemachten Käse oder Wurst zum Mitnehmen). Sobald er aufwachte, hatten wir noch eine halbe Stunde Zeit, bis ihm in der Kraxe langweilig wurde. Die erste lange Pause stand an, darauf freuten sich die Erwachsenen mindestens genauso wie Emilijan. Dann ging es wieder von vorne los, eine halbe Stunde wandern, Stillpause und schlafen. Je nach Tourlänge wurde das einige Male wiederholt. Wichtig war, sich Zeit zu lassen und auf Emilijans Bedürfnisse einzugehen – wenn er quengelte, machten wir lieber noch eine Pause, anstatt weiterzugehen.
Ein besonders schöner Moment des Tages war immer, wenn wir nach der anstrengenden Wanderung die Hütte erreicht haben. Dort warteten Topfenstrudel und Radler auf die erschöpften Wanderer. Wenn man noch das Glück hat, dass eine Oma dabei ist, können die Eltern sogar in den Gletschersee springen oder auf der Wiese in der Sonne liegen, während Oma und Enkel Bergblumen pflücken.
Unterwegs trafen wir immer wieder andere Wanderer, so auch eine fünfköpfige Familie aus den Niederlanden. Sie hatten ihre Kinder anders an das Wandern herangeführt. Als das jüngste Kind 5 Jahre alt war, begannen sie mit einer Tour inklusive einer Hüttenübernachtung und hatten das mittlerweile auf drei Nächte gesteigert. Nach 1.000 Höhenmetern mit 15 Kilo Gepäck verspürte ich Neid auf Eltern, deren Kinder selbständig gehen und ihre eigenen Rucksäcke tragen konnten.
Der Gipfel
Der Höhepunkt der Tour war die Gipfelbesteigung des Hohen Riffler auf 3168 m. Wir schliefen zwei Nächte in der Hütte am Fuße des Berges, sodass wir ohne schweres Gepäck den Gipfel erklimmen konnten. Nur die Person mit Baby auf dem Rücken hatte keine Entlastung. Ein wenig überrascht waren wir von den Schotter- und Kletterabschnitten, die uns anfangs etwas nervös machten, aber mit kühlem Kopf dennoch gut zu bewältigen waren. Emilijan verschlief den spannenden Aufstieg und wachte erst bei der beeindruckenden Aussicht von seinem ersten 3000er auf. Nach dem anspruchsvollen Abstieg zur Hütte wartete dort Kaiserschmarren als Belohnung auf uns. Das Highlight für Emilijan waren jedoch nicht die beeindruckenden Aussichten auf Berge und Schluchten, sondern all die leckeren Steine, die in den Pausen ausgiebig auf Konsistenz und Geschmack getestet wurden.
Einige Monate sind vergangen und Emilijan hat inzwischen das Laufen gelernt. Jetzt würde er nicht mehr so lange in der Kraxe sitzen wollen, ist aber noch nicht in der Lage, solche Strecken selbst zu bewältigen. Die nächste Alpenwanderung muss also warten, bis er die Berge auf eigenen Füßen erobern kann!






