Patchwork-Familien

Datum: Freitag, 22. März 2013 09:37

Zeit zum Zusammenwachsen geben

Britta Horn, Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin, Erziehungs- und Familienberatungsstelle, Jugendhilfe Cottbus gem. GmbH, Thiemstraße 39, 03050 Cottbus


Wenn Eltern sich trennen, müssen die betroffenen Kinder sich an veränderte Welten gewöhnen. Zunächst daran, dass sie nun nur noch mit einem der beiden Elternteile leben. Im Folgenden kommen meist neue Partner der Elternteile hinzu, so dass sich die Kinder auch daran gewöhnen müssen. Dies fällt den Kindern in der Regel nicht leicht. Es gibt plötzlich für das Kind zwei Väter bzw. zwei Mütter. Dieses veränderte Familiensystem braucht vor allem viel Zeit und Geduld, um sich einander kennen und mögen zu lernen. Daher sollten diese Prozesse sehr bedacht und behutsam angegangen werden.

Der neue Partner wirkt zunächst wie ein Besucher, später evtl. sogar wie ein Eindringling, der aus Kindersicht nicht gewünscht wurde (schließlich hat diese Entscheidung allein die Mutter/der Vater getroffen). Und in der kindlichen Vorstellungs- und Wunschwelt gehören jedoch allein die leiblichen Eltern zusammen. Alles andere ist aus ihrer Sicht nur ein Kompromiss. Diese Fähigkeit ist jedoch alters- und kindabhängig sehr unterschiedlich ausgeprägt und muss von den Eltern immer wieder berücksichtigt und erarbeitet werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit.

Daher sollte sich der neue Lebensgefährte anfangs eher zurücknehmen, altersgerechte Angebote machen, so dass das Kind eine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Das Kind sollte nicht überrumpelt werden, indem die neuen Partner zu schnell zusammen ziehen. Dann geht das Zusammenleben meistens schief und wird durch unnötige Konflikte belastet. Es sollten Gespräche mit dem Kind geführt werden, in denen man dem Kind Klarheiten gibt und es auch Wünsche äußern kann, wie es sich den Prozess vorstellt.
Vorsicht ist auch bei dem Anspruch geboten, dass das Kind den neuen Partner lieben bzw. als zweiten Vater oder Mutter ansehen sollte. Der Partner kann nie den leiblichen Elternteil ersetzen, schon gar nicht, wenn regelmäßige Kontakte mit dem Kind bestehen. Hier sind bei überhöhten Erwartungen Enttäuschungen vorprogrammiert. Der Neue hat im Grunde „nur“ den Status eines Kumpels oder älteren Freundes zu erwarten, v.a. bei älteren Kindern ist dies der Fall. Da läuft man eher Gefahr, vom Jugendlichen abgelehnt zu werden und zu hören zu bekommen: „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Empfehlenswert ist hier, die Hoffnung nicht zu groß werden zu lassen, sondern dies eher als eine positive Überraschung bzw. Nebenerscheinung zu werten, wenn es gelingen sollte. Dies trägt dazu bei, Enttäuschungen und damit verbundene Spannungen zu vermeiden, die den gelingenden Fortbestand der Patchwork-Familie gefährden könnte.