Inken Tonn, Erziehungs- & Familienberatungsstelle, Jugendhilfe Cottbus gGmbH, Heilpädagogin, Kreative Kindertherapeutin (NIK)
Körperliche Nähe und Geborgenheit sind psychosoziale Grundbedürfnisse für die seelische Gesundheit des Menschen. Auf der Basis von Geborgenheit und sicherer Bindung kann sich unser Selbstwertgefühl bilden und wir können zu unserer Identität finden. Es gibt keinen Menschen, der nicht das Bedürfnis nach angenehmem Körperkontakt und Geborgenheit hat. Das gilt für alle Lebensphasen, von der Geburt bis zum Tod. Liebevolle Berührungen sind dabei Grundvoraussetzungen für positive geistige und körperliche Entwicklung beim Kleinkind.
Die Haut als unser größtes Sinnesorgan entwickelt sich bereits im Mutterleib noch vor dem Hören, Sehen und Riechen. Der Fötus reagiert schon ab der 8. Woche im Mutterleib auf das ihn umgebende Fruchtwasser. Später reagiert das Ungeborene auf Streicheleinheiten durch die Bauchdecke der Mutter. Die Kommunikation funktioniert dabei in beide Richtungen, auch die Mutter spürt ihr Kind.
In den ersten Lebensjahren fördern innige Blicke, liebevolle Worte und Berührungen die Körperwahrnehmung. Alles, was dem Kind ein Gefühl von Vertrauen, Geborgenheit und Verlässlichkeit gibt, fördert die gesamte Entwicklung des Kindes. Gut, wenn das Kind dafür beide Elternteile hat. Schon in den ersten Tagen reagiert das Kind auf das väterliche Kontaktangebot. Es reagiert auf die Art, wie der Vater mit ihm redet, es in den Arm nimmt oder streichelt. Diese Zuwendung macht nicht nur das Kind glücklich. Auch Väter sind oft erstaunt, welche Gefühle von Glück, Zärtlichkeit und Geduld in ihnen geweckt werden und ihr Leben reicher machen.
Dabei stärkt das durch liebevolle Berührung ausgeschüttete Hormon Oxytocin die Bindung, erhöht die Zufriedenheit, baut Spannungen ab und senkt den Stress. Durch das Hormon, auch als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin, steigen sogar die Empathiewerte messbar an. Da es dafür noch kein Medikament gibt, hilft nur Kuscheln!
Längst ist sich die Forschung einig, dass Kuscheln schlau macht. Ein Mangel an positiver Berührung verursacht bei Kleinkindern schwere neurologische Schäden und es entstehen nachweislich Defizite im Gehirn. Die sozialen Erfahrungen in dieser Entwicklungsphase des Kleinkindes prägen biologische Strukturen des Gehirns. Es kommt zu einer vermehrten Bildung synaptischer Kontaktstellen. Je mehr synaptische Kontaktstellen gebildet werden, desto leistungsfähiger ist das Gehirn. Das betrifft alle Leistungsbereiche, wie z.B. Kreativität, Lernleistung, Merkfähigkeit u.a. – ungenutzte Synapsen hingegen verkümmern wieder. Auch aus diesen Gründen gilt emotionale Vernachlässigung als entwicklungsgefährdend und kindeswohlgefährdend. Durch zu viel Liebe und Zuneigung kann man ein Kind nicht verwöhnen. Das geschieht nur, wenn Kindern die Dinge abgenommen werden, die sie selber schaffen können. Dann entsteht Unselbstständigkeit, die wiederum die Entwicklung der Kinder beeinträchtigt.
Zum Schluss noch ein Wort, was ist, wenn Berührung weder liebevoll noch gewollt ist. Der beste Schutz vor missbräuchlichen Übergriffen ist eine Erziehungshaltung, die Kinder stark macht. Dazu gehört, dass Kinder lernen, ihren Gefühlen zu vertrauen, dass sie über ihren Körper bestimmen lernen und auch „Nein“ sagen dürfen. Eltern sollten dabei entsprechend des Entwicklungsalters ihres Kindes angemessen Grenzen setzen. So wächst das Kind sicher und frei innerhalb von Grenzen auf.
08.05.23, Elternkurs für Eltern in Trennung und Scheidung „Kind im Blick“
11.10.23, Gruppe „Trauernde Kinder und Jugendliche“