Familienrezepte gegen das Hoch der Energiepreise

Datum: Dienstag, 02. November 2021 16:09

Ursachen der hohen Marktpreise für Energieträger

Wer googelt, wird schnell merken, dass die Ursachen vielschichtig und ohne Basiswissen nur schwer zu strukturieren sind. Auch wir sind vor Fehlern nicht gefeit, bemühen uns als energiegeladene „Forensiker“ aber um eine übersichtliche Spurensuche:

Pandemie und Globalisierung: Die Coronavirus-Pandemie hat die Weltwirtschaft nachhaltig aus dem Takt gebracht. Infolge weltweiter Lockdowns wurde die Wirtschaft auch global heruntergefahren. Viele Verwerfungen werden erst jetzt im konjunkturellen Aufschwung aus dem Pandemietal sichtbar, den sämtliche Industrienationen parallel vollziehen. Man kann sich das durchaus wie bei einem Automotor vorstellen, der beim Anfahren und Beschleunigen aus dem Stand viel mehr Energie als im laufenden Betrieb benötigt und auch mal etwas ruckelt. Mit Bezug zur Weltwirtschaft beansprucht insbesondere der Energiehunger Asiens, vor allem in China und Indien, seit dem Frühjahr 2021 die globalen Energie- bzw. Brennstoffmärkte unerwartet stark. Allein China hat im ersten Quartal 2021 ein Wirtschaftswachstum von über 18% hingelegt. Die weltweite Nachfrage nach Mineralöl, Gas und auch weiteren Energieträgern ist auch im zurückliegenden Sommer ungebrochen hoch geblieben. Exportstaaten für Erdöl und Erdgas haben hingegen ihre Förderquoten nicht entsprechend aufgestockt. Eine hohe Nachfrage trifft also auf ein knappes Angebot, was zu höheren Preisen führt.

Wetter und Erneuerbare: Der Pandemiewinter 2020/2021 war zudem ein sehr kalter und langer Winter, der mit entsprechend hohem Energieverbrauch einherging. Viele Brennstofflager wurden weitgehend geleert. Das laufende Jahr 2021 lieferte im Vergleich zu den Vorjahren deutlich weniger Sonne und Wind, sodass der Anteil erneuerbarer Energie stark zurückging und deutlich mehr fossile Energieträger zum Einsatz kommen mussten. So lieferte der Sommer 2021 rund 20% weniger Sonnenstunden als der Sommer zwei Jahre zuvor. Die aktuell hohe Nachfrage nach Energie und hohe Marktpreise treffen also auf geringe Reserven und weniger Energie aus Erneuerbaren. Diese Lage wird durch die Auswirkungen von Wetterextremen flankiert: So sorgten Dürren in Brasilien für einen Einbruch der Stromerzeugung aus Wasserkraft und ein Hurrikane legte im Süden der USA vorübergehend empfindliche Teile der Mineralölproduktion lahm. Insgesamt machten viele unterschiedliche Wetterereignisse der Wasser- und Windkraft zu schaffen – auch das wirkt sich auf globalen Energiemärkten aus.

Fehlentscheidungen: Die aktuelle Explosion der Energiepreise in Europa fußt rückblickend auch auf Fehlentscheidungen. Nach der Pandemie und dem kalten Winter reagierten die meisten Großversorger und Gashändler sehr verhalten auf die hohen Preise im Frühjahr 2021 und hofften auf fallende Preise im Sommer sowie den Start von Gaslieferungen durch Nordstream 2 zum Jahresende. China und Indien haben die Engpässe hingegen richtig erwartet und bereits frühzeitig im Sommer Lieferverträge abgeschlossen. Nachdem klar wurde, das Nordstream 2 vor dem Winter 2021/2022 nicht mehr an den Start geht, Russland zudem kein Gas mehr durch die Ukraine schickte und zusätzlich ein Feuer an einer Gaspumpstation die Gaslieferung der einzig verbliebenen Leitung zusätzlich reduzierte, beschleunigten sich Knappheit beim Gas und dessen Preisanstieg dynamisch. Aktuell stehen weitgehend aufgebrauchte Reserven also hohen Preisen und knappen Liefermengen gegenüber, für die europäische Versorger nun auch teurer einkaufen müssen.

Börse & Erwartungen: Kein lokaler Versorger kann die Preise von Energieträgern beeinflussen, sie werden an großen Energie- bzw. Rohstoffbörsen gehandelt. So sorgte dann auch eine Entscheidung an einer Rohstoffbörse für zusätzlichen Preisauftrieb beim Gas. Sie verteuerte an einem der wichtigsten Handelspunkte für Erdgas in Europa die Sicherheitsleistungen, die Großhandelsunternehmen für abgeschlossene Börsengeschäfte hinterlegen müssen. Solche Aufwendungen erhöhen ebenso die Handelspreise.

Geopolitik: Börsen sind auch von Erwartungen und Unsicherheiten geprägt, und so treiben auch Unsicherheiten über das Verhalten von Förderländern wie Russland Preise für Energieträger in die Höhe. Russland hat seine Liefermengen lange nicht erhöht und Nordstream 2 soll erst im Frühjahr 2022 in Betrieb gehen. Gasimporte aus Russland waren bereits im Sommer 2021 rund 146 % teurer als im Vorjahressommer. Zwar erfüllt der russische Gasproduzent Gazprom seine Lieferverträge mit Europa, die aus den dargestellten Gründen deutlich gestiegene Nachfrage wird jedoch nicht bedient. Das könnte darauf abzielen, die Preise weiter hochzutreiben oder Druck auszuüben, damit die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 schneller in Betrieb genommen wird.

Energiewende: Gas gilt im Strommix als teuerster Energieträger und kommt aktuell aufgrund des sinkenden Beitrags Erneuerbarer und der starken Nachfrage nach Energie auch für die Stromerzeugung deutlich stärker zum Einsatz als im Vorjahr. Hohe Gaspreise treiben so auch den Preis beim Strom nach oben. Beim fossil erzeugten Strom wirken zudem die gestiegenen Preise, die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken auf jede Tonne ausgestoßenes CO2 zahlen müssen. Durch die sogenannten Emissions-Zertifikate soll Energie aus Kohle grundsätzlich unattraktiver werden. Wenn nun aber keine Alternative besteht, Erneuerbare nicht liefern können und alle Kohle- sowie viele Gaskraftwerke am Limit laufen, zahlen Verbraucher die Verteuerung dieser Emissionsrechte mit. Diese Emissionsrechte wirken sich nach Expertenmeinung zu etwa einem Fünftel auf den Preisanstieg aus. Da die Preise für Emissionsrechte weiter steigen, werden Preise fossiler Energieträger wie Kohle, Gas und Öl auch weiter steigen – das ist eine Folge des politisch gewollten Klimaschutzes. Klimaschutz ist für Verbraucher letztendlich nicht kostenfrei. Zudem gibt es immer öfter Produktionseinbrüche bei unterschiedlichen Kraftwerken – das sind auch Folgen nachlassender Investitionen in fossile Kraftwerke infolge des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern und ein erhöhter Verschleiß durch das zunehmende Hoch- und Herunterfahren dieser Kraftwerke je nach Einspeisung von Strom aus Sonne und Wind. An der Tankstelle wirkt sich seit Jahresbeginn 2021 neben Verteuerungen infolge globaler Entwicklungen zudem der in Deutschland neu eingeführte CO2-Preis aus. Er beträgt 25 Euro je Tonne ausgestoßener CO2-Emissionen und verteuert den Liter Sprit um rund sechs bis acht Cent je Liter.


Auch die Energiewende verteuert durch CO2-Bepreisung Strom, Gas und Sprit für Verbraucher. Foto: Thomas Schmidt, istock