Keine Stimme, keine Perspektive?!

Datum: Dienstag, 29. April 2025 09:17

Familien im Mittelpunkt leerer politischer Versprechen?!

„Familien stehen im Mittelpunkt“ – So heißt es direkt am Anfang des neuen Koalitionsvertrags von Union und SPD. Darf man unter der kleinen GroKo gerade in Kombination mit dem berüchtigten 500 Milliarden Euro Sondervermögen also auf die lang überfällige Wende in der Bildungs- und Familienpolitik hoffen? Die Antwort: Hoffen darf man zwar, alleine wird das aber wahrscheinlich bei weitem nicht ausreichen.

Wir haben uns sowohl den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung angeguckt als auch die Pläne der beiden Länder Brandenburg und Sachsen rekapituliert – und kommen zu einem gemischten Fazit.

Das steht im Koalitionsvertrag

Beginnen wollen wir mit einer positiven Note: Im Koalitionsvertrag von schwarz-rot lassen sich gerade im Bereich der Bildung einige positive Maßnahmen erkennen:

  • Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur soll zentral auch in die Sanierung und den Neubau von Kitas und Schulen fließen.
  • Das Elterngeld soll „spürbar“ angehoben werden. Bei wirklicher Umsetzung wäre dies die erste Erhöhung seit dessen Einführung im Jahr 2007.
  • Weiterhin soll das Elterngeld nun erstmals auch Pflegeeltern inkludieren, Anreize zur Väterbeteiligung schaffen und Selbstständigen mehr zu Gute kommen.
  • Das neue „Qualitätsentwicklungsgesetz“ verspricht, Sprach- und Startchancen Kitas mehr zu unterstützen und eine Diagnostik des Entwicklungsstands für alle Vierjährigen mit anschließender Förderung.
  • Neben dem KiTa-Qualitätsgesetz will man mehr Fachkräfte für die Kinderbetreuung durch die Schaffung einer dualen Ausbildung für Erzieherberufe und die Anwerbung internationaler Fachkräfte gewinnen.


Das große ABER

Gleichzeitig muss man auf alle Punkte aber auch einen kritischen Blick haben, zumal es sich meist um reine Absichtserklärungen unter Finanzierungsvorbehalt handelt:

  • Dem Föderalismus verdanken wir, dass der Bund nur begrenzt im Bereich der Bildung eingreifen kann, was bei Investitionen zur großen Hürde werden dürfte.
  • Über die tatsächlichen Ausmaße der Maßnahmen ist noch wenig bekannt. Beim Elterngeld z.B. steht lediglich, man will es „spürbar anheben“.
  • Elterngeld für Pflegeeltern bleibt eine der wenigen konkreten Maßnahmen. Das SPD-Versprechen „kostenloses Mittagessen“ wurde z.B. gestrichen.
  • Das neue „Qualitätsentwicklungsgesetz“ soll das jetzige KiTa-Qualitätsgesetz ablösen. Was mit dessen Förderung für z.B. die Tagesbetreuung (acht Milliarden Euro bis 2026) passiert, bleibt unklar.
  • Schwarz-rot führt das KiTa-Qualitätsgesetz als Säule der Fachkräftesicherung auf, obwohl gleichzeitig von dessen Einstellung gesprochen wird, während die weiteren Maßnahmen unzureichend sind.


Vage Versprechen hier, Einsparungen da

Weiterhin lassen sich im Koalitionsvertrag Maßnahmen erkennen, deren wirkliche Umsetzung – wie beim Führerscheinentzug als Strafe für Unterhaltsschuldner – mehr als zweifelhaft sind oder die anscheinend erstmal der Erarbeitung einer Strategie bedürfen – wie bei Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt oder bei „mentaler Gesundheit“ für junge Menschen – also es besteht durchaus die Gefahr, dass sich das Ganze im Sand verläuft. Auf der anderen Seite sehen wir auf Länderbene in Brandenburg und Sachsen dagegen gerade Maßnahmen, die wirklich umgesetzt werden – nur leider zum Nachteil für Familien. So wurde in Brandenburg der seit zwei Jahren angekündigte verbesserte Betreuungsschlüssel für Krippenkinder plötzlich wieder gestrichen, und trotz Rekordhaushalt wurden Gelder für den Familienleistungsausgleich und sozialen Wohnungsbau sogar ganz gestrichen. Die versprochenen zusätzlichen 600 Lehrer kommen doch nicht, stattdessen sollen die jetzigen eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Ähnliches sieht man in Sachsen, wo z.B. für neue Investitionen sogar gar keine Mittel zur Verfügung stehen.

Die Zeit zu handeln ist jetzt

Momentan sehen wir auf der Länderebene wegen knapper Kassen massive Einsparungen gerade im Bereich der Bildungspolitik. Auf der anderen Seite verspricht der Koalitionsvertrag von Union und SPD an vielen Stellen Investitionen, wo sie dringend benötigt werden. So will man die Ganztagsbetreuung weiterführen und auch durch die Angebote von Jugendarbeit & Co. ergänzen, die dafür selbst stärker gefördert werden sollen. Die Realität vor Ort sieht anders aus – so hat die Stadt Cottbus im Februar verkündet, wegen knapper Mittel bei der Jugendsozialarbeit in diesem und den Folgejahren 20 Prozent einzusparen. Mit Blick auf den Bund muss man gleichzeitig immer im Hinterkopf behalten, dass es sich um reine Absichtserklärungen unter Finanzierungsvorbehalt handelt – sie müssen also immer wieder neu verhandelt und diskutiert werden. Gerade im Fall des 500 Milliarden Sondervermögens kann hier die Bildungspolitik während der Verteilung durch die Hürden des Föderalismus also leicht unter die Räder geraten. Deswegen ist es wichtig, Familien eine Stimme zu verschaffen bzw. den Kindern, die keine haben, eine zu geben – damit die Politik ihre Versprechungen auch Realität werden lässt. Der KiTAKOLLAPS am 15. Mai ist ein passender Aktionstag dafür, auch wenn er sich stärker ans Land als den Bund richtet. Hier könnte eine neue Forderung sein, endlich das Kooperationsverbot zwischen Länder- und Bundesebene anzugehen und deren ewiges Kompetenzgezerre gerade im Bildungsbereich zugunsten unserer Kinder zu beenden und eine direkte Unterstützung mit Bundesmitteln in unseren Kitas und Schulen vor Ort zu ermöglichen.


„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ – So steht es in Artikel 20 unseres Grundgesetzes geschrieben. In einer repräsentativen Demokratie wie Deutschland beeinflussen die Bürger dabei vor allem im Rahmen von Wahlen den Kurs der Politik. Doch was ist, wenn die Macht eigentlich gar nicht vom ganzen Volk ausgeht? Bei der Bundestagswahl 2025 machten über 60-jährige etwa 42 Prozent der Wahlberechtigten aus, die Bevölkerungsgruppe zwischen 18 und 29 Jahren dagegen nur rund 13 Prozent – und Kinder als Minderjährige haben erst gar keine Stimme. Das Ergebnis: Die Politik fokussiert sich seit jeher vor allem auf die Älteren und überhäuft sie mit Klientelgeschenken wie der Mütterrente, während die Jüngeren meist leer ausgehen. So steht Seniorenpolitik als einzige Querschnittsaufgabe im Koalitionsvertrag, eine ähnliche Gewichtung für Familien und junge Menschen fehlt einmal mehr. Und selbst dort erreicht das Geld ironischerweise gar nicht die schlechter, sondern eher besser Gestellten, sodass die Regel bleibt: Die armen Kinder von heute sind auch die armen Rentner von morgen.