Salat statt Schnitzel

Datum: Donnerstag, 01. September 2016 10:16

 

Die wichtigsten Ergebnisse zum Schulessen
Für diese Untersuchung wurden 1.500 Schulleiter schriftlich befragt, 200 Schulträger (mit 5.000 Schulen) und 12.500 Schüler.
Die Rolle der Schulträger ist nicht unerheblich: Sie sind für die Ausschreibung der Mittagsverpflegung zuständig und entscheiden meist darüber, wer den Zuschlag erhält. Sie schaffen die Rahmenbedingungen, stellen Küchen, Speiseräume und Möbel zur Verfügung, sie leisten gegebenenfalls Zuschüsse zum Mittag.
Im Schnitt kostet ein Mittagessen 2,70 Euro an Grundschulen, an weiterführenden Schulen sind es 2,95 Euro. In Brandenburg und Sachsen liegen die Preise etwa 50 Cent unter diesem Mittelwert, wobei die Spanne von 1,50 bis 3,50 reicht. An einigen Schulen wird das Essen durch die Träger (meist die Kommune) bezuschusst, mit im Schnitt 80 Cent.
Neben den direkten Zuschüssen, welche die Träger zum Mittag zahlen, gibt es noch die indirekten Zuschüsse: Die Kommunen und Landkreise finanzieren z.B. die Kücheneinrichtung sowie die Reinigung, bezahlen das Ausgabepersonal oder erlassen die Miete für den Speisesaal. Jeder fünfte Schüler hat Anspruch auf Übernahme der Kosten fürs Mittagessen durch das Jobcenter bzw. die Gemeinde. Aber längst nicht alle Kinder nehmen das in Anspruch – sei es, weil es die Eltern nicht wissen, nicht wollen oder den bürokratischen Aufwand scheuen.
Trotz Schulessen-Skandal aus dem Jahr 2012 und Bio-Trend: Nur 12 Prozent der Schulträger fordern vom Caterer, dass dieser auch Bio-Produkte und regionale Lebensmittel verwendet. Die meisten Caterer haben bei der Auswahl freie Hand, setzen aber dennoch auf Nachhaltigkeit: In Sachsen und Brandenburg werden zu 45 Prozent auch regionale Produkte und zu 33 Prozent auch Bio-Produkte eingesetzt. Durchaus überraschend: Werden regionale und Bio-Zutaten verwendet, hat das nur einen geringen Einfluss auf den Preis.
Je jünger die Schüler, desto öfter essen sie in der Schule Mittag – je älter, desto öfter kümmern sie sich anderweitig. So liegen die Teilnehmerquoten beim Mittag in der Grundschule bei etwa 50 Prozent (Sachsen 82%; Brandenburg 65%), danach nur noch bei 30 Prozent. Hauptgrund: Es schmeckt nicht. Konkurrenz machen dem Schulessen v.a. Fleischer, Bäcker, Supermärkte und Fast-Food-Restaurants, seltener das Mittagessen zu Hause.
In Grundschulen wird häufiger nur ein Essen pro Tag angeboten, an weiterführenden Schulen stehen fast immer zwei zur Auswahl. Dennoch sind Grundschüler in summa zufriedener mit dem Essen. Die freie Komponentenwahl, bei der sich die Schüler ihre Mahlzeit aus den Beilagen und dem Hauptgericht selbst zusammenstellen können, ist bisher kaum verbreitet (3,7 Prozent der Grundschulen), könnte aber die Teilnahme am und die Zufriedenheit mit dem Essen deutlich steigern.
Fragt man Grundschüler, wie zufrieden sie mit dem Essen sind, vergeben sie sehr unterschiedliche Noten. Die Mehrheit der Jungs und Mädels findet die Mahlzeiten lecker, ausreichend warm, abwechslungsreich und schön angerichtet. Ein Viertel der Kinder ist kaum bis gar nicht zufrieden. Danach gefragt, ob sie sich im Speiseraum wohlfühlen, fallen zwei Punkte negativ auf: Vielen Kindern ist es zu laut und zu ungemütlich.

 




Die Kinder haben zu wenig Zeit zum Essen, da die Pausenzeiten zu kurz sind. Die DGE empfiehlt 60 Minuten. An fast jeder dritten Schule ist die Mittagspause 30 Minuten oder kürzer, in Sachsen und Brandenburg sogar an mehr als der Hälfte der Schulen. Die von der DGE geforderten mindestens 60 Minuten erreichen die wenigsten Schulen. Bedenkt man, dass die Kinder in dieser Zeit auch die Wege zwischen Speiseraum und Klassenraum zurücklegen und sich an der Ausgabe anstellen müssen, wird klar: Zum Genießen bleibt kaum Zeit.
Beim Lieblingsessen gibt es deutliche Unterschiede zu den Ergebnissen der Kita-Studie. Nudeln und Tomatensoße tauchen auf der Hitliste von Grundschülern nicht mehr auf:



Hitliste der Lieblingsessen von Grundschülern


Nach dem gefragt, was sie weniger gern essen, landen auf den Top 4: Spinat, Suppe, Fisch, Kartoffeln.
Genau wie bei der Kitastudie kam heraus: Noch immer stehen Fleisch und Wurst zu oft auf dem Speiseplan, Fisch zu selten. Auch in Bezug auf Gemüse und Salat werden die DGE-Empfehlungen nicht eingehalten. Besonders oft gibt es Möhren, Erbsen, Blumenkohl und Spinat, wobei letztere für die Warmverpflegung nur bedingt geeignet sind. Rotkohl dagegen wäre wesentlich besser geeignet, findet sich aber nur selten auf den Speiseplänen. Ein Salatbuffet, das die Beliebtheit des Essens steigern könnte, haben bisher knapp ein Drittel der Schulen, zwei Drittel bieten regelmäßig Obst an.
Das Mittagessen steht bei der Debatte um die Schulverpflegung im Fokus. Ebenso wichtig ist, was die Kinder zum Frühstück oder zwischendurch essen. Während das Frühstück meist in Verantwortung der Eltern liegt, hängt die Zwischenverpflegung stark am vorhandenen Angebot in der Schule. Und das variiert stark. Manche Schulen bieten keinerlei Zwischenverpflegung an, so dass sich Schüler bzw. Eltern kümmern müssen. Verbreitet sind Automaten, Cafeteria oder ein Kiosk. Zuständig dafür sind entweder externe Firmen (Automaten), Schüler, Eltern oder der Hausmeister. Bestückt sind sie mit Obst, Gemüse, belegten Broten, Süßigkeiten, Snacks und Getränken.
Bei der Zwischenverpflegung, die sich die Grundschüler selbst kaufen, sind am beliebtesten: Brot/Brötchen, Obst, Milchprodukte, Kuchen/Gebäck.
(siehe Grafik unten)
Zu einer gesunden Ernährung gehören auch Getränke. Bekommen die Kinder nichts von zu Hause mit, können sich die meisten in der Schule versorgen: Entweder das Getränk ist im Mittag inklusive, oder es gibt einen Trinkwasserspender bzw. Trinkwasserbrunnen (32%) oder einen Getränkeautomaten (18%). (Quelle: Qualität der Schulverpflegung – bundesweite Erhebung, 2015)
Die 2015 und 2016 veröffentlichten Studienergebnisse haben die Aufmerksamkeit auf die Verpflegung in Kita und Schule gelenkt und sie haben gezeigt, dass noch manches im Argen liegt. Wenn sich an der Qualität der Mittagsversorgung etwas ändern soll, müssen viele Akteure an einen Tisch: Träger, Einrichtungen, Pädagogen, Eltern, Politik und natürlich die Kinder selbst. In Deutschland kommt der Föderalismus erschwerend hinzu, eine bundesweit einheitliche Regelung zur Mittagsversorgung gibt es bisher nicht.
Bezüglich der Kitas hat jedes Bundesland ein Kinderförderungsgesetz. Die wenigsten Länder weisen darin auf die Notwendigkeit gesunder und vollwertiger Ernährung in den Kinderbetreuungseinrichtungen hin, nur Mecklenburg-Vorpommern verweist auf die DGE-Standards. Diese Gesetze aber sind meist Grundlage für die Bildungspläne in den Kitas. Die Folge: Verpflegung spielt in den Bildungsplänen keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Zum Schulessen gibt es in Deutschland ebenfalls keine verbindlichen, flächendeckenden Regelungen. Da Bildung Ländersache ist, kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Einzig Berlin und das Saarland verlangen bisher konkrete Standards. Anbieter, die dort Schulen versorgen, sind verpflichtet, sich an die DGE-Standards zu halten. Das Land Berlin brachte diese Regelung als Folge des Sodexo-Skandals auf den Weg. In den übrigen Bundesländern gibt es zum Thema Schulessen entweder keine oder nur schwammige Aussagen. Das Brandenburgische Schulgesetz verlangt von den Trägern, „dass die Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen … an einer warmen Mittagsmahlzeit zu angemessenen Preisen teilnehmen können. …“. Im Sächsischen Schulgesetz spielt die Mittagsverpflegung keine Rolle. Was also tatsächlich von den Caterern verlangt wird, liegt im Ermessen des Schulträgers. Das sind in der Lausitz oft genug klamme Kommunen oder Kreise, die eher aufs Stadtsäckel als auf die Gesundheit der Kinder achten. Und auch die Schulleiter kümmern sich eher um die Köpfe als um die Bäuche der Kinder. Die Verpflegung steht naturgemäß nicht ganz oben auf der Agenda.
Woher das Mittagessen an einer Schule oder Kita kommt, entscheidet der Träger – bei Schulen sind das meist Städte oder Landkreise, seltener freie Träger, wie Schulvereine. Wenn es an der Schule oder beim Träger selbst keine eigene Küche gibt, wird die Zubereitung und Anlieferung des Essens ausgeschrieben. Dafür wird in den meisten Fällen ein Leistungsverzeichnis erstellt, oft in Abstimmung mit den Schulen selbst und den Eltern. Darin steht, was vom Caterer gefordert wird. 70 Prozent der befragten Schulträger gaben an, dass die DGE-Standards im Leistungsverzeichnis verlangt werden. Spezielle Zertifizierungen oder Kontrollen werden vom Versorger nicht gefordert. Ob der gewählte Versorger am Ende auch die geforderte Qualität liefert, kontrolliert die Mehrheit der Schulen nicht. Hier ragt erneut das Land Berlin hervor, wo ein übergeordnetes Kontrollgremium etabliert wurde, welches alle Anbieter regelmäßig auf Qualität kontrolliert.
Wer am Ende den Zuschlag bekommt, entscheiden meist die Schulleiter – in Abstimmung mit dem Träger, den Lehrern oder den Eltern. Bei der Wahl des Anbieters ist fast immer der Preis ausschlaggebend. Berücksichtigt werden aber auch die Qualität des Essens, das Bestell- und Abrechnungssystem, der Einsatz regionaler und saisonaler Produkte oder die Auswahlmöglichkeit beim Speisenangebot.
Das Vergaberecht sah bis vor kurzem vor, dass die Schulspeisung alle vier Jahre neu ausgeschrieben werden muss. Eine landesweite Untersuchung in Brandenburg im vergangenen Jahr ergab, dass jeder zweite Schulträger sich nicht daran hält. Wenn der Vertrag nach vier Jahren ohne Neuausschreibung verlängert wird, dann liegt das vermutlich an folgenden Gründen: mangelndes Interesse seitens Eltern und Schule, Preissensibilität, gerade im ländlichen Raum: fehlender Wettbewerb. Derzeit wird die Frist für Neuausschreibungen überarbeitet. Über die Ausschreibung hinaus tauschen sich Träger und Schule nur selten zum Thema Verpflegung aus. Miteinander geredet wird meist erst, wenn‘s schon brennt. Da die Qualität des Mittagessens bereits mit der Ausschreibung beginnt, wären folgende Rahmenbedingungen für die Verpflegung an Kitas und Schulen wünschenswert:
- Ausschreibung auf Basis wissenschaftlicher Standards für das Leistungsverzeichnis
- Regelmäßiger Austausch zwischen Träger und Schulleitung, auch über die Ausschreibung hinaus
- regelmäßige Neuausschreibung
- regelmäßige, standardisierte Kontrollen zur Einhaltung der Verträge

Angebot der Zwischenverpflegung