Salat statt Schnitzel

Datum: Donnerstag, 01. September 2016 10:16

Allergene und Hygiene
Während es keine bindenden Vorgaben dazu gibt, was auf den Teller kommt, müssen sich Schulen und Caterer aber an Vorschriften zu Hygiene und zur Allergen-Kennzeichnung halten. Die Lebensmittelinformations-Verordnung legt fest: Zusatzstoffe und 14 Hauptallergene müssen gekennzeichnet werden, dazu gehören u.a. Eier, Milch, Nüsse, Sellerie. Üblicherweise werden die Angaben auf dem Speiseplan gemacht oder über einen Aushang an der Cafeteria. Informationen über Allergene können auch mündlich erfolgen, z.B. vor der Essensausgabe. Wird nur mündlich informiert, was eher die Ausnahme sein dürfte, muss zusätzlich ein Infoblatt vorliegen. Die Angaben müssen gut sichtbar, deutlich und gut lesbar sein.


Liegt bei einem Kind eine Unverträglichkeit oder Allergie vor, ist es fast immer möglich, in Absprache mit der Einrichtung und dem Essensanbieter eine gesonderte Mahlzeit zu erhalten, welche die allergieauslösenden Inhaltsstoffe nicht enthält. Die Mehrkosten tragen die Eltern des Kindes.


Die Anforderungen an die Hygiene regeln unter anderem das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV). Schulen bzw. Versorger tragen die Verantwortung dafür, dass die ausgegebenen Speisen hygienisch einwandfrei sind. Eine wichtige Maßnahme gegen Keime im Essen ist das ausreichende Erhitzen: Da viele Keime hitzeempfindlich sind, müssen Speisen auf mindestens 70 °C erwärmt werden. Das gesetzlich geregelte Hygiene-Management umfasst aber noch weitaus mehr Bereiche. Dazu gehören scheinbar banale Regeln für das Küchenpersonal wie: Haare bedecken, Handschmuck entfernen, kurze, saubere Fingernägel, Wunden abdecken, regelmäßig Hände waschen, nicht auf Lebensmittel husten oder niesen. Schulen sind verpflichtet, die Hygienemaßnahmen in der Küche selbst zu kontrollieren. Dafür gibt es ein vorgeschriebenes System mit dem Kürzel „HACCP“. Dass dennoch Fehler passieren und welch gravierende Auswirkungen diese haben können, zeigte der Skandal in der Schulverpflegung im Jahr 2012.

Ausblick – was muss passieren
Die IST-Situation an deutschen Kitas und Schulen ist spätestens nach den zwei jüngsten Studien bekannt. Aber was kann die Politik, was können Schulen und Eltern tun, damit es den Kindern künftig besser schmeckt und sie fit für den Tag macht?


Die beiden großen Herausforderungen beim Thema Mittagsverpflegung sind: erstens die Kosten, zweitens die vielen Akteure. Wenn künftig noch öfter gesundes, schmackhaftes Essen auf den Tellern landen soll, dann braucht es mehr Geld und den Willen aller Beteiligten. An vielen Stellen steht das Thema Mittagsverpflegung noch nicht weit genug oben auf der Agenda. Das beginnt damit, dass Eltern, die eine Schule für ihr Kind suchen, nach dem Konzept und den Kooperationspartnern fragen, aber sicher nicht nach dem Mittagessen. Auch die meisten Kitas werben mit einem besonderen pädagogischen Konzept, aber nicht mit dem Mittagessen.


Insofern sind die Eltern ein wichtiger Akteur, der sich für das Thema interessieren und engagieren muss. Das hat auch Bundesernährungsminister Christian Schmidt erkannt und sich mit der Kampagne „Macht Dampf!“ um eben diese Eltern als Mitstreiter für gesundes Kita- und Schulessen bemüht. Auf der Kampagnen-Homepage finden Eltern Tipps und Anregungen, wie sie sich für ein ordentliches Mittagessen an der Schule ihres Nachwuchses stark machen können. Mit einer Checkliste können sie zunächst prüfen, ob die DGE-Standards an ihrer Kita bzw. Schule bereits berücksichtigt werden. Sie sollten zunächst herausfinden, wer an der Schule für das Mittag zuständig ist und wer bei einer Ausschreibung über den Caterer entscheidet. Im nächsten Schritt sollten sie sich Mitstreiter suchen: Andere Eltern, die Schüler selbst und im Idealfall die Schulleitung, die das Thema Schulessen bisher vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte. Die Gründung einer Mensa-AG versammelt alle Mitstreiter an einem Tisch und kann sich so beim Schulträger Gehör verschaffen.


Die Eltern allein werden es aber nicht richten können. Die Politik selbst muss die Rahmenbedingungen schaffen. Ein erster Schritt ist bereits passiert: In den kommenden Monaten werden zwei bundesweite Zentren etabliert, die sich den Themen Kita- und Schulverpflegung sowie Ernährungsbildung widmen (siehe Interview). Das geplante Nationale Qualitätszentrum für gesundes Essen in Kita und Schule soll auch den Caterern als Anlaufstelle dienen. Ziel ist es, die Qualitätsstandards der DGE stärker als bisher umzusetzen. Zudem soll ein Qualitätsnachweis entwickelt werden, mit dem Caterer belegen können, dass sie für die Verpflegung in Kita und Schule qualifiziert sind. „Denn wir müssen sicherstellen, dass die Köche auch die Fähigkeiten mitbringen, um für Kinder und Jugendliche zu kochen“, so Minister Schmidt auf einer Fachmesse im März 2016.


Ansprechpartner zu diesen Themen für Schulen, Kitas und Caterer sind bisher die Vernetzungsstellen Schulverpflegung in jedem Bundesland, die künftig mehr Geld vom Bund erhalten sollen. Diese Stellen geben Infomaterialien an Schulen, in einigen Bundesländern auch an Kitas heraus und bieten Weiterbildungen zum Thema an. Bildung und Qualifizierung rund um das Thema Essen und Ernährung ist unerlässlich, wenn wir über die Verpflegung an Kitas und Schulen reden: Nur gut informierte Köche, Lehrer und Schulleiter werden sich um vollwertige Mittagsverpflegung bemühen. Auch Kinder müssen lernen, welche Lebensmittel es gibt, welche gut für den Körper sind und welche weniger, warum ausgewogene Ernährung wichtig ist, wie Lebensmittel zubereitet werden, welche Zusatzstoffe es gibt und wofür sie eingesetzt werden. Bei der Vermittlung dieses Wissens sind Elternhaus und Schule gefragt. Die Schwierigkeit dabei: Bildung ist Ländersache, das gilt auch für die Ernährungsbildung. Ein eigenes Schulfach gibt es nicht, das Thema wird in Fächern wie Sachkunde, Heimatunterricht, Naturwissenschaften, in der Oberstufe dann vor allem in Biologie und Hauswirtschaft integriert. Dann lernen die Schüler, was bedarfsgerechte Ernährung ist, es geht um Prävention, um die Rolle von Bewegung und Essstörungen. Je nach Bundesland steht ebenso im Lehrplan: Artgerechte Tierhaltung, Obst- und Gemüsesorten, Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Es gibt wissenschaftliche Empfehlungen, welche Themenfelder aus dem Bereich Ernährungsbildung in der Schule behandelt werden sollten. Nimmt man dieses als Grundlage und schaut sich die Lehrpläne der Bundesländer an, lassen sich starke Unterschiede feststellen: Sachsen ist das einzige Bundesland, welches alle Themenfelder abdeckt, während Brandenburg mit knapp der Hälfte bundesweit am schlechtesten dasteht.
Neben dem klassischen Schulunterricht bieten fast alle Schulen Projekttage und Aktionswochen zum Thema Ernährung an. Gerade im Kindergarten, aber auch in der Grundschule, lässt sich Ernährungsbildung wunderbar in den Alltag einbauen. Hier eine Auswahl an Möglichkeiten:


- Essen auftun und Getränke einschenken lassen
- Tischrituale pflegen
- Tischdekoration basteln
- Koch- und Backaktionen in der Kinderküche
- Verkostung/Probieraktion diverser Lebensmittel
- einzelne Komponenten des Mittagessens erläutern
- Kräuter im Topf oder Schulgarten säen, pflegen, ernten und verarbeiten
- Aktionstag zum Thema Apfel
- Besuch auf dem Bauernhof, bei einer Bäckerei, in einer Mosterei etc.


Im Idealfall lernen Kinder bereits zu Hause, was und wie man isst. Schon Dreijährige können beim Kochen und Backen helfen, können Teig kneten und Käse reiben. In dem Alter lassen sie sich auch noch fürs Tisch decken und Essen auftun begeistern. Je jünger die Kinder, desto wichtiger ist die Vorbildfunktion: So wie zu Hause Kinder und Eltern gemeinsam essen, sollte es auch in der Kita selbstverständlich sein, dass die Erzieher mit am Tisch sitzen. So kann sich der Nachwuchs Tischmanieren abschauen. Er wird auch eher zu Möhre und Apfel greifen, wenn die Erwachsenen dies ebenfalls tun.
Die Rolle der Eltern ist auch dann wichtig, wenn es darum geht, die Brotbüchse zu bestücken. Im Idealfall gelingt ihnen der Spagat zwischen gesund und beliebt beim Nachwuchs. Denn oft genug kollidieren die Wünsche der Kinder mit den Ansprüchen der Eltern. Generell gilt: Möglichst viel Obst und Gemüse und abwechslungsreich. Jeden Tag Käseschnitte und ein halber Apfel sind mit der Zeit öde, die Gefahr steigt, dass das Pausenbrot im Müll landet. Eltern sollten daher öfter mal die Brotsorte und den Belag wechseln. Alternativ kann es auch mal ein Käse-Weintrauben-Spieß sein oder selbstgemixtes Müsli. Anregungen und Rezeptvorschläge finden Eltern unter www.fitkid-aktion.de sowie am Ende des Artikels im „Brotbüchsen-Test“.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Da es am Ende die Kinder sind, die entscheiden, was im Bauch landet und was auf dem Teller bleibt, sollten sie noch viel stärker in das Thema Verpflegung mit einbezogen werden, vor allem ab dem Schulalter. Wenn sie mitentscheiden dürfen, was auf den Teller kommt und wie das Drumherum gestaltet ist, dann werden sie sich auch eher für das Schulessen begeistern. Zum Teil passiert das bereits an den Schulen, aber da ist mehr drin. Bisher sagt nur jedes fünfte Kind, dass es aktiv an der Gestaltung des Mittagessens beteiligt ist. Häufigste Formen der Mitwirkung sind: Wunschzettel für Speiseplan, Tisch decken, Getränke holen und einschenken, Essen bewerten, Tisch abräumen und abwischen. Wenn die Schüler über die Gestaltung des Speiseraums mitentscheiden dürfen, also das Mobiliar mit auswählen, die Wände gestalten, dann werden sie sich dort wohler fühlen. An Schulen kann eine Art Essens-Konferenz etabliert werden mit Schulleitung, Caterern, Lehrern, Eltern und Schülervertretern, in der über wichtige Fragen rund um die Verpflegung diskutiert und entschieden wird. Die Kinder könnten als Test-Esser neue Gerichte ausprobieren. Die Speisewünsche der Kinder und Jugendlichen sollten regelmäßig erfragt und ernst genommen. Werden im Eingangsbereich des Speiseraums moderne Medien wie Smartboards oder digitale Menü-Anzeigen genutzt, wird das Mittagessen an der Schule wieder attraktiver. Was ebenfalls in den Speisesaal lockt: Gerade Jugendliche ziehen es vor, sich ihr Essen aus verschiedenen Beilagen selbst zusammen zu stellen, statt aus zwei Gerichten zu wählen. Eine Salatbar kann eine sinnvolle Ergänzung sein.


Auf der Suche nach einer optimalen flächendeckenden Mittagsverpflegung an deutschen Schulen lohnt ein Blick auf andere Länder: Wissenschaftliche Empfehlungen wie die DGE-Standards in Deutschland sind in mehreren europäischen Staaten gesetzlich bindend: Frankreich, Schweden, Dänemark, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien und Großbritannien. Gerade Großbritannien fällt im Ländervergleich positiv auf: Hier gilt die Schulverpflegung als besonders gesund und ausgewogen. Die angebotenen Gerichte beruhen auf gesetzlich festgeschriebenen Lebensmittel- und Nährstoffstandards. Speisen und Getränke eines durchschnittlichen Schulessens müssen vordefinierten Kriterien für bestimmte Nährstoffe entsprechen. Besonders salzige, fettige und süße Speisen mit hohem Salz-, Zucker- und Fettgehalt dürfen nur selten angeboten werden, während Obst und Gemüse täglich im Angebot sind. 2005 hat sich die Politik in Großbritannien dem Thema Schulverpflegung angenommen, angestoßen durch Starkoch Jamie Oliver. Damals wurde der „School Food Trust“ gegründet, eine Nichtregierungsorganisation, die für die Qualität der Schulverpflegung zuständig ist. Sie erhielt eine staatliche Anschubfinanzierung. Heute wird die Organisation von Wohltätigkeitsverbänden und Stiftungen finanziert.