Familienpolitik in Deutschland
Der deutsche Staat bemüht sich seit Jahren die vergleichsweise mickrige Geburtenrate anzukurbeln. Und tatsächlich ist sie von durchschnittlich 1,34 Kindern pro Frau im Jahr 2005 auf aktuell 1,5 angestiegen. Das ist im Vergleich zu Frankreich (1,96) oder Schweden (1,85) immer noch überschaubar, aber es ist ein positiver Trend. Zu den wichtigsten familienpolitischen Regelungen gehören das Kindergeld, das Elterngeld, die Betreuungsangebote. Seit 2013 gibt es einen einklagbaren Anspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Aber auch das Steuerrecht, welches noch immer die Alleinverdiener-Ehe begünstigt, spielt da rein. Der Staat also schafft die Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit. An den Möglichkeiten für mehr Wahlfreiheit werkelt die Bundesregierung derzeit:
Familienministerin Manuela Schwesig bereitet einen Gesetzesentwurf zur Lohngerechtigkeit und einen zur Familienarbeitszeit vor. Beide zielen darauf ab, dass Frauen und vor allem Mütter mehr arbeiten und mehr verdienen. Das Modell Familienarbeitszeit will jene Paare belohnen, bei denen beide berufliche kürzer treten. Wer Kinder unter neun Jahren hat, soll einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitszeit zwischen 26 und 36 Wochenstunden haben. Nehmen beide Partner dies in Anspruch, erhalten sie vom Staat monatlich 300 Euro, für maximal zwei Jahre.
Der zweite Gesetzesentwurf von Ministerin Schwesig – zur Lohngerechtigkeit – passierte Anfang Mai den Bundesrat. Beschäftigte in Firmen ab 200 Mitarbeitern können künftig Auskunft darüber verlangen, was vergleichbare Kollegen verdienen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zusätzlich ihre „Entgeltstrukturen auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit“ überprüfen und regelmäßig einen Bericht zum Thema Lohngleichheit veröffentlichen müssen. Die Idee dahinter: Frauen in Deutschland verdienen durchschnittlich etwa ein Fünftel weniger als Männer – damit soll es vorbei sein.
Ob ein weiteres Gesetz für mehr Vereinbarkeit noch vor der Bundestagswahl kommt, ist derzeit unklar. Union und SPD verhandeln über einen Gesetzesentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles. Sie will Arbeitnehmern, die auf Teilzeit verkürzen wollen, ein Rückkehrrecht auf Vollzeit einräumen. Bisher gibt es nur einen Anspruch auf zeitlich unbefristete Teilzeit. Das Gesetz will Frauen aus der Teilzeitfalle holen.
Die Politik kann in erster Linie Rahmenbedingungen schaffen. Die sind eine wichtige Basis, reichen aber nicht aus. Auch in der Gesellschaft muss sich etwas tun. Was die Vereinbarkeit an vielen Stellen erleichtern würde, ist mehr Akzeptanz der unterschiedlichen Familienbilder. Oft genug müssen sich jene Mütter rechtfertigen, die nach wenigen Monaten Babyauszeit schon wieder Vollzeit arbeiten gehen (Rabenmutter), aber auch jene Mütter, welche die ersten drei Lebensjahre ihres Kindes zu Hause bleiben wollen, werden verurteilt (Heimchen am Herd). Dabei ist jede Familie einzigartig und muss die zu ihr passende Lösung für den Spagat aus Kind und Karriere finden. In eine Entscheidung spielen viele Faktoren rein: Wie viele Kinder haben wir, wie alt sind sie, wie sieht es mit Kita-Plätzen und Ganztagsschulen aus, wieviel Einkommen steht uns monatlich zur Verfügung, braucht die Oma Pflege? Es gibt so viele unterschiedliche Familien, wenn wir deren unterschiedliche Modelle respektieren und nicht verurteilen, wäre schon manches gewonnen.
Literatur:
Verband berufstätiger Mütter: Dschungelbuch. Leitfaden für berufstätige Mütter & Väter und solche, die es werden wollen
Stefanie Bilen: Mut zu Kindern und Karriere.
Birgit Lechtermann/ Sandra Milden: Karriere, Kinder, Küche: So machen es Erfolgsfrauen.
Felicitas Richter: Schluss mit dem Spagat: Wie Sie aufhören, sich zwischen Familie und Beruf zu zerreißen.





