Kur mit Kind und Kegel

Datum: Donnerstag, 05. Oktober 2017 15:46

Klinikwahl

Eine Mutter-Kind-Kur kann man nicht in jeder Reha-Klinik machen, sondern nur in einer dafür geeigneten Einrichtung. Es gibt spezielle Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen, die entsprechende Verträge mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Auch die Beratungsstellen wie Müttergenesungswerk oder Mutter-Kind-Hilfswerk kooperieren mit bestimmten Kliniken.
Über die Wahl der Klinik, in der die dreiwöchige Kur stattfindet, entscheidet am Ende die Krankenkasse. Allerdings haben die Eltern ein Mitspracherecht. Dieses Wunsch- und Wahlrecht wurde 2015 sogar gesetzlich festgeschrieben. Demnach haben die Krankenkassen zwar weiter das Recht, über die Klinik zu entscheiden, sie haben aber auch explizit die Pflicht, begründete Wünsche der Antragsteller zu berücksichtigen. Das können konfessionelle Gründe sein, die Kinderbetreuung in der Wunschklinik oder therapeutische Schwerpunkte. Viele Kliniken haben sich auf bestimmte Zielgruppen spezialisiert, z.B.: junge Mütter, Mütter mit drei und mehr Kindern, Kinder in Trennungssituationen, Mütter mit ADHS-Kindern, Mütter mit Pflegekindern, Mütter mit Migräne, Mütter mit Burn-out. Bei der Klinikwahl sollte neben einer Spezialisierung auch die Nähe zum Heimatort oder zu Verwandten berücksichtigt werden, um ggf. den Besuch von Papa oder den Großeltern zu ermöglichen. Hat man eine Wunschklinik, sollte diese bereits im Antrag auf die Mutter-Kind-Kur mit angegeben sein.

In der Praxis passiert es allerdings oft, dass die Wünsche der Mütter nicht berücksichtigt werden. Denn jede Krankenkasse hat sogenannte Versorgungsverträge mit Reha-Kliniken abgeschlossen. Dazu ist sie gesetzlich laut SGB V verpflichtet. Die Kassen werden in der Regel die wirtschaftlichste, also auch von der Anfahrt her preisgünstigste Klinik aussuchen. Hier kann nach Genehmigung ein Widerspruch lohnen, auch wenn es nur um die Wahl der Klinik geht.

Einige Anbieter wie das Müttergenesungswerk bieten auf ihren Internetseiten eine Online-Kliniksuche an. Zudem empfiehlt sich die Beratung durch eine entsprechende Informationsstelle, vielleicht kann man sich auch von Bekannten mit Kurerfahrung Empfehlungen geben lassen.


Ablauf der Kur

Sobald der Antrag genehmigt ist, wendet man sich an seine Klinik und spricht mit ihr die weiteren Details zur Anreise und zum Ablauf ab. Einige Kliniken bieten einen Fahrservice vom Heimatort zur Klinik an. Nach der Anreise erfolgt eine Aufnahmeuntersuchung durch die Klinikärzte. Im Anschluss wird mit den Therapeuten ein individueller Therapieplan für die Mutter und ggf. auch die Kinder erstellt.

Zusätzlich zu den Kurbehandlungen bieten die Kliniken Möglichkeiten der Freizeitgestaltung an, auch gemeinsam mit den Kindern. Tagsüber werden Kinder ab etwa drei Jahren von pädagogischen Fachkräften betreut. Jüngere Kinder werden während der Therapien von Mutter bzw. Vater betreut. Besuche sind grundsätzlich möglich, sollten jedoch nicht während der Therapien stattfinden, besser geeignet sind die Wochenenden.

Um von vornherein keine falschen Illusionen aufzubauen: Auch wenn das Bild immer noch verbreitet ist: Eine Mutter-Kind-Kur ist kein Urlaub auf Kassenkosten. Die Mütter und teils auch die Kinder haben täglich Therapien und Anwendungen. Die Kur soll ihnen die Möglichkeit geben, sich außerhalb des Alltags mit Job, Kindererziehung, Haushalt, Essenkochen etc. vor allem auf sich und ihre Bedürfnisse und auf gemeinsame Zeit mit den Kindern zu konzentrieren.

Die in der Regel dreiwöchigen stationären Maßnahmen sind ganzheitlich ausgerichtet, sie beinhalten ein umfassendes medizinisches und psychosoziales Angebot. Das konkrete Angebot richtet sich nach den individuellen Beschwerden und Erkrankungen der Mutter. Physiotherapie gehört ebenso dazu wie Sozialtherapie und medizinische Anwendungen. Dazu gehören z.B.: Tanzkurse, Entspannungsübungen, Massagen, Wirbelsäulengymnastik, Therapiegespräche, Ernährungsberatung, Kreativangebote. Fast immer wird auch den geschlechtsspezifischen Lebenslagen von Frauen – etwa im Hinblick auf Krankheiten, auf Rollenbilder, auf Sozialisationserfahrungen Rechnung getragen. Das Fachpersonal in den Kliniken umfasst Diplompsychologen, Sport- und Physiotherapeuten, Diätassistenten, Sozialpädagogen, Erzieher und Pflegepersonal.

Während der Kur lernen Mütter, Strategien und Lösungen für ihren Alltag zu Hause zu erarbeiten. Ziel ist eine deutliche Verbesserung der aktuellen Situation, auch über das Ende der Kur hinaus.


Nach der Kur ist vor der Kur?

Damit diese dem Fußball entlehnte Redewendung nicht wahr wird, ist es wichtig, das in der Kur Erlernte im Anschluss in den Alltag zu retten. Auch wenn die meisten Mütter nach Ende der Kur schnell wieder im Hamsterrad aus Job, Kindern und Haushalt landen, sollten sie versuchen, regelmäßig kleine Zeitinseln für sich zu nehmen.

Wie solche Entspannungstechniken oder Deeskalationsstrategien aussehen, wie man die gewonnenen Erkenntnisse im Alltag umsetzt, all das lernen die Frauen in der Kur. Eine gute Selbstorganisation gehört ebenso dazu wie eine realistische Zeiteinteilung und faire Aufgabenverteilung innerhalb der Familie. Wichtig ist vor allem, dass diese kleinen Veränderungen im Alltag von Dauer sind und nicht nach zwei Wochen wieder vernachlässigt werden.Dass sich die Mühe lohnt, belegen Studien. Demnach gehen nach der Kur Krankheiten, Arztbesuche und Medikamentenkonsum zurück, die Mütter können besser mit Problemen und Stresssituationen umgehen und ihre Lebenszufriedenheit steigt. Eine Langzeitstudie zeigte, dass knapp die Hälfte der Frauen die stationäre Heilbehandlung am Ende auch längerfristig als erfolgreich beurteilte, weitere drei von zehn Frauen empfanden sie sogar als sehr erfolgreich. Mütter leiden zudem seltener an psychischen Beschwerden und Rückenproblemen und seien entspannter im Umgang mit ihren Kindern.

Eine weitere Möglichkeit ist es, Nachsorge-Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Anders als bei einer „klassischen“ Reha durch die Rentenversicherung sind reguläre Nachsorge-Konzepte nach einer Mutter-Kind-Kur bisher nicht gesetzlich vorgesehen. Da ist die Eigeninitiative der Eltern gefragt. Unter dem Dach der Wohlfahrtsverbände wie AWO, Caritas oder DRK finden sich entsprechende Beratungsstellen, die nicht nur im Vorfeld der Kur mit der Beantragung helfen, sondern auch im Nachgang.

Wer nach einiger Zeit dennoch feststellt, dass im Grunde wieder eine Kur sinnvoll wäre, muss in der Regel vier Jahre warten, bevor er eine neue Kur beantragen kann.

Zum Schluss lassen wir noch einige Mütter zu Wort kommen, die in verschiedenen Internetforen über ihre Kurerfahrungen berichten:

„Das hat mein Leben verändert, ich ­habe 33 Kilo­gramm abgenommen, ­mache ­heute viel Sport – das haben die Kuren bei mir ausgelöst.“

„Ich war auf Kur und fand es toll. Ich würde morgen wieder fahren. Allerdings waren in meiner „Gruppe“ auch 2 Mütter, die vorzeitig abreisten.“

„Vier Wochen nach der Rückkehr spüre ich die Auswirkungen der Kur sehr deutlich – ich bin auf der Wohlfühlskala bei einer realistischen 8,5 angelangt. Ich bin ruhiger und wieder viel belastbarer.“