Das Glück dieser Erde

Datum: Dienstag, 24. März 2020 15:33


Ein Streifzug durchs Pferdeland Lausitz

„Hilfe, mein Kind ist pferdeverrückt!“ – Weil diesen Satz vermutlich schon viele Eltern mindestens in Gedanken ausgesprochen haben, hat der wichtigste Reitsportverband in Deutschland einen Eltern-Ratgeber mit genau diesem Titel herausgegeben. Die Broschüre „Hilfe, mein Kind ist pferdeverrückt!“ der Deutschen Reiterlichen Vereinigung informiert Eltern auf zwölf Seiten über das Hobby Pferd. Erklärt wird, was es für das Hobby braucht und warum Pferde Kindern eigentlich so gut tun.

Pferde und Kinder – eine besondere Beziehung

Wie eng die Beziehung von Kind und Pferd sein kann, das wissen jene Eltern am besten, die bereits pferdeverrückte Kinder haben. Für diese wird das Tier zum Freund und Gefährten, zum Vertrauten, es gehört quasi zur Familie. Später, in der Pubertät, kann das Pferd ein wichtiger Anker bei Konflikten mit den Eltern sein. Ganz besonders eng scheint die Beziehung Pferd-Mensch beim weiblichen Geschlecht zu sein. Vermutlich begeistern sich fast alle Mädchen im Kita- oder Grundschulalter irgendwann für Pferde. Diese Begeisterung macht sich auch die Wirtschaft zu eigen: Pferdemotive zieren Ranzen, Bettwäsche, Fahrradhelme, Sticker oder Shirts für Mädchen. Kinderbücher, Fernsehserien und Kinofilme stellen Pferdegeschichten in den Fokus. Diese geschlechtsspezifische Begeisterung hält auch im Erwachsenen-Alter noch an. Zwar finden sich gerade im Profisport auch viele männliche Reiter. Doch allein bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung sind 80 Prozent der Mitglieder weiblich.
Woher genau rührt diese ausgeprägte Pferdeliebe von Mädchen? Dieser Frage ist u.a. der Evolutionspsychologe Harald Euler nachgegangen. In einer Studie befragte er sowohl Mädchen mit dem Hobby Pferd als auch solche ohne. Die Ergebnisse veröffentlichte er 2002 in dem Aufsatz „Mädchen, Frauen und Pferde“. Eulers Fazit: „Der Pferdevernarrtheit liegt eine Bindungsmotivation zugrunde: Das Pferd ist ein geliebter, unersetzbarer Partner; es vermittelt Sicherheit, Geborgenheit und Trost; die Beziehung zum Pferd wird als einzigartig, gegenseitig und „für immer“ erlebt; das eigene Pferd wird idealisiert; die Nähe zum Pferd wird angestrebt – die Mädchen wollen ganz nah beim Pferd wohnen, viele sogar direkt im Stall.“ Für Mädchen, so Eulers These, gehe es weniger ums Reiten als vielmehr um das sich Kümmern und Versorgen. In der Pubertät sei das Pferd eine Art Übergangsobjekt zwischen Puppe und Partner, es sei quasi das letzte große Kuscheltier, bevor sie sich vom Elternhaus abnabeln. Dafür spreche auch die Beobachtung, dass bei vielen Mädchen die Begeisterung für das Hobby Pferd mit dem ersten festen Freund nachlasse.

„Ein Vergnügen ist es, ein hochdankbares Studium, die Gedanken eines edlen Pferdes zu erraten und sie mit ihm auszuführen!“

Karl May (1842 - 1912), Schriftsteller

Das Hobby Pferd in Zahlen

Laut einer Allensbach-Studie von 2016 gibt es in Deutschland knapp vier Millionen Reiter, von denen 1,25 Millionen die Sportart intensiv betreiben. Etwa 900.000 Deutsche sind Pferdebesitzer, schätzungsweise gibt es 1,3 Millionen Pferde in unserem Land. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung zählte 2018 fast 690.000 Mitglieder, von denen knapp 80 Prozent Frauen und Mädchen sind.

Positive Effekte des Reitens

Geht die Begeisterung für Pferde übers Ponyreiten auf dem Rummel und die Geschichten von „Bibi und Tina“ hinaus, dann können Eltern dem relativ entspannt entgegensehen. Denn kaum eine Freizeitbeschäftigung wirkt sich auf so vielfältige Weise positiv auf Kinder (und natürlich auch Erwachsene) aus wie das Hobby Pferd.

Zunächst aus gesundheitlicher Sicht: Reiten ist ein Sport. Die Kinder sind viel draußen in der Natur unterwegs und bewegen sich anstatt vor dem Bildschirm zu sitzen. Um ein Pferd zu reiten, braucht es eine gut ausgebildete Muskulatur. Die Grobmotorik bildet sich im Umgang mit dem Tier ebenso aus wie die Feinmotorik. Wer sicher auf einem Pferd sitzen kann, der wird auch im Alltag auf eine gute Körperhaltung achten. Zudem beansprucht der Umgang mit Pferden viele Sinne.

Auf sozialer Ebene lernen Kinder im Umgang mit Pferden früh Verantwortung und Selbständigkeit, denn zum Hobby Pferd gehört nicht nur das Reiten, sondern auch das Füttern, Versorgen und Pflegen der Tiere. Das Hobby Pferd stärkt das Selbstbewusstsein. Schüchterne Kinder werden auf einmal selbstsicher, wenn es ihnen gelingt ein so großes, kräftiges Tier zu führen und sich im Sattel zu halten.
Durch die enge Mensch-Tier-Beziehung machen die Kinder früh geistige und emotionale Fortschritte. Wer viel Zeit mit Pferden verbringt, braucht Einfühlungsvermögen und Beobachtungsgabe. Man muss sich auf das Tier einlassen, seine Sprache verstehen und sich in dessen Denken hineinversetzen. Der Umgang mit dem Tier erfordert Geduld und Konzentration.
Wie Reiten den Charakter positiv beeinflusst, hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung in einer Studie untersuchen lassen. Demnach sind Reiter im Vergleich zu Nicht-Reitern besonders zielstrebig, strukturiert, führungs- und durchsetzungsstark, aber auch ausgeglichen, begeisterungsfähig und belastbar. Und quasi nebenbei lernen Kinder, die sich regelmäßig um ein Pferd kümmern, noch etwas über Natur, Umwelt und Biologie.