"Kommst du rauf spielen?"

Datum: Montag, 29. Oktober 2012 21:23


BILD2063Vorschläge für ein „mediales Regelwerk“ für Eltern und Kinder:
Anonymität: Keiner gibt seinen richtigen Namen an. Auch nicht, wenn ein neuer Chatfreund danach fragt. Wenn man sich unsicher ist, im  Zweifelsfall immer die Eltern fragen. Eltern und Kinder können sich zusammen Spitznamen, sog. Nicknames ausdenken.  Gemeinsamkeit: Neue Angebote, seien es Internetseiten oder Spiele, werden zunächst zusammen ausprobiert. Dadurch wissen Eltern, wovon ihre Kinder sprechen, wenn sie Spiel XY erwähnen und können gemeinsam die Welt der Medien auf spielerische Art und Weise entdecken.  Legalität: Es dürfen nur legale Inhalte genutzt werden. Spiele für die verschiedenen Konsolen kann man zum Beispiel im Elektronikfachmarkt kaufen oder zum Ausprobieren mit Freunden tauschen. Musik, Filme, Spiele und dergleichen können gekauft oder legal im Internet geladen werden. In jedem Fall vor dem Runterladen mit den Eltern Reden. Im Zweifel sollte man die Finger vom Download lassen.  Mobbingpotenzial: Wenn Ihr Kind im Internet angefeindet wird, in welcher Art auch immer, soll und kann es zu Ihnen kommen. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass Ihr Kind feststellt, dass ein anderes Kind im Internet auf negative Reaktionen stößt. Dafür ist Vertrauen wichtig. Reden Sie im Vorfeld darüber, dass es Probleme wie Cybermobbing gibt und dass Ihr Kind sich immer an Sie wenden kann. Sicherheit: Persönliche Daten wie der Name, die Adresse, der Geburtstag und ähnliches werden im Internet nicht mitgeteilt. Auch das Passwort sagt man keinem, außer, zumindest zu Beginn der Interneterfahrung, den Eltern. Zeitplan: Erst werden bestimmte Aufgaben wie zum Beispiel Hausaufgaben oder der Abwasch erledigt und dann kann man surfen oder an der Konsole spielen. Die Zeit, die damit verbracht wird, sollte eine halbe Stunde am Tag nicht überschreiten. Dieser Wert kann ungefähr im Pubertätsalter und mit zunehmender Medienkompetenz nach oben korrigiert werden.

Diese Vorschläge sind nur beispielhaft und versuchen grundlegende Problemfelder im Umgang mit neuen (und auch alten) Medien abzudecken. Welche Regeln für Sie und Ihr Kind außerdem wichtig sein können, können Sie, auch im Gespräch mit Ihrem Kind, selbst festlegen. Regeln und Grenzen variieren natürlich von Kind zu Kind. Das ist abhängig vom Charakter, der Erziehung und anderen Einflussfaktoren. Wichtig ist, dass Sie mit gute Beispiel voran gehen. In der Praxis kann es auch nicht schaden, wenn Sie selbst diese Regeln befolgen. Ihr Kind wird sich schwer damit tun nur eine halbe Stunde am Tag vor zum Beispiel dem Computer zu verbringen, wenn Sie davor und danach mehrere Stunden surfen.

Vorsicht ist geboten
Es ist wahrscheinlich allen klar, dass die Nutzung von Konsolen, Internet und Co gewisse Risiken und Gefahren birgt. Bevor man jedoch gänzlich die Finger von eben diesen Sachen lässt und sie verteufelt, sollte man sich damit auseinander setzen. All diese Sachen können nicht auf nimmer Wiedersehen aus dem Kinderzimmern verbannt werden, zumal eine gewisse Kompetenz in Sachen neue Medien immer wichtiger wird. Auch, wenn Ihr Kind jetzt noch im Vorschulalter ist, es wird allerspätestens im Vorstellungsgespräch auf seinen Umgang mit Medien angesprochen werden. Es ist also so kompliziert wie wichtig, einen Mittelweg zu finden. Medienkompetenzen erlangen sowohl Sie als auch Ihr Kind nur über diesen Weg. Zu viel (unkontrollierter) Umgang ist genauso kontraproduktiv wie gar keiner. Spricht man über die Gefahren und Risiken neuer Medien, spuken in vielen Köpfen Schlagwörter wie Bowling for Columbine, Facebook-Partys, Amoklauf von Winnenden und dergleichen mehr herum. Zu diesen Schreckgespenstern gibt es ein treffendes Zitat, das an den unterschiedlichsten Stellen im Internet zu finden ist: „40 Prozent der Amokläufer spielen Egoshooter, 100 Prozent essen Brot.“ Dieses Zitat sollte man nicht als Anfeindung oder ein Herunterspielen dieser tragischen Vorfälle verstehen. Vielmehr soll damit ausgesagt werden, dass das Spielen von Egoshooterspielen noch lange keinen Amokläufer oder Gewalttäter aus einem Kind macht. Wenn ein Kind in einem liebevollen Umfeld aufgewachsen ist, die Eltern ihm die Welt ohne (häusliche) Gewalt oder gar Waffen erklären, es Rückhalt findet und eine stabile Erziehung erfährt, ist die Wahrscheinlichkeit, trotz Egoshooter oder ähnlicher Spiele, dass dieses Kind einen Amoklauf begeht, eher gering. Das ist relativ oberflächliche Psychologie, veranschaulicht aber den Grundgedanken: Eltern haben hier, wie auch in allen anderen Bereichen des Lebens, einen Erziehungsauftrag. Gewalt – und sei sie „nur“ virtuell – sollte nicht stattfinden, sie sollte nicht zur Belustigung oder zum Frustabbau dienen. Solange jedoch derartige Spiele entworfen, auf den Markt gebracht, beworben und verkauft werden, wird es sie auch geben. Achten Sie auf die FSK-Kennzeichnung auf den Spielen, ob es für das Alter Ihres Kindes geeignet ist. Unterhalten Sie sich mit Ihrem Kind darüber, aus welchen Gründen es solche Spiele spielen möchte. Fragen Sie nach Problemen, bleiben Sie im ständigen Kontakt mit
Ihrem Kind. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind in irgendeiner Art und Weise außergewöhnlich auf Spiele oder Darstellungen mit  Gewalthandlungen reagiert, aggressiv ist und Sie sich unsicher sind, ob dieses Verhalten kritisch sein könnte, können Sie sich jederzeit an Dritte wenden, wie Kinderärzte, Jugendhilfen, Psychologen. Haben Sie keine Scham, sich um sein Kind zu sorgen, das macht Sie nicht zu schlechten Eltern. Eine weitere große Angst von Eltern stellen Chatrooms, soziale Netzwerke und ähnliche Angebote im Internet dar. Am präsentesten in den Köpfen ist wohl Facebook, obwohl hier aufgrund des Alters keine Kinder vertreten sind. Facebook wird für die meisten erst ungefähr mit dem Pubertätsalter interessant. Dennoch ist es wichtig, dass sich Eltern, falls sie nicht längst selbst bei Facebook oder äquivalenten Netzwerken wie Google+ angemeldet sind, mit der Materie auseinandersetzen. Die wesentlichen Einstellungen zur Privatsphäre, dem Netzwerkkonto an sich und den verschiedenen Funktionen sollten bekannt sein und zu Beginn gemeinsam mit dem Kind besprochen, erklärt und eingestellt werden. Die vorher beschriebenen Regeln können Ihnen dabei helfen, mögliche Gefahren einzudämmen. Zu der Thematik der Sicherheit von Kindern im Internet
gibt es ansprechende Werbefilme verschiedener Initiativen. Einen sehr gelungenen Kampagnenfilm hat klicksafe, die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, produziert. Dieser kurze Film ist den meisten aus dem Fernsehen unter „Wo ist Klaus“ ein Begriff. Auf dem YouTube-Kanal von
klicksafe finden Sie unter dem Schlagwort „klicksafegermany“ weitere Beiträge rund um die Sicherheit im Netz. Es sind aber noch weitere Gefahren und Risiken in den Köpfen verankert, wenn es um das Thema neue Medien geht. Cybermobbing und Pädophilie werden in den alten wie auch neuen Medien publik gemacht und diskutiert. An dieser Stelle hat weitestgehend eine Sensibilisierung von Eltern und auch Kindern stattgefunden. Hat man früher seinen Kindern gesagt, sie sollen nicht zu dem Mann mit den Bonbons ins Auto steigen, hat sich diese Vorsichtsmaßnahme auf das Internet, Multiplayerspiele etc. ausgeweitet. Aufgrund von Anonymität und Reichweite sind diese Gefahren weit schwerer einzudämmen als im nicht-virtuellen Alltag. Die Prinzipien sind dennoch ähnlich: Sprich nicht mit Fremden, sage „Nein“, wende dich an Eltern, Lehrern oder andere Erwachsene. Eltern haben darüber hinaus die Möglichkeit kritische oder bedrohliche Angebote oder Personen zu melden. Bei Personen geht dies lediglich in in sich geschlossenen virtuellen Räumen, wie Chatrooms oder Netzwerken. Dort gibt es in den meisten Fällen einen leicht ersichtlichen Button, den man anklicken muss, um eine Person zu melden. Kennt man, zum Beispiel im Fall von Mobbing im Internet denjenigen, kann man sich an ihn persönlich wenden. Sollte Ihr Kind oder ein anderes von Gleichaltrigen wie zum Beispiel Mitschülern angefeindet werden, können Sie sich an deren Eltern oder Lehrer wenden, damit diese weiter intervenieren können. Sind Sie oder Ihr Kind auf eine Seite gestoßen, die das Wohl Ihres Kindes in welcher Art auch immer gefährden könnte, können Sie diese auch melden und sich dafür einsetzen, dass diese aus dem Netz genommen wird. Die richtigen Ansprechpartner sind auf der Internetseite www.internetwache.brandenburg.de zu finden. Das ist in Anbetracht der nahezu unendlich scheinenden Angebote im Internet zwar eine Sisyphusarbeit, aber gegen gefährdende Seiten muss angegangen werden. Wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, kann viel erreicht werden. Die Liste der potentiellen Risiken ist lang. Im Internet kann man viele Sachen finden, die man gar nicht gesucht hat. Mit einem Klick kann man schnell hohe Rechnungen verursachen, ohne irgendetwas davon mitzubekommen. Auch auf diese Gefahr sollten Sie Ihr Kind aufmerksam machen. Auf Kinder, die online spielen, lauern weitere Kostenfallen. Einige Spiele erfordern eine Anmeldung und eine Bezahlung. Hier ist es wichtig, dass Sie die AGBs genau lesen. In anderen Spielen kann man mit realem Geld virtuelle Gegenstände kaufen. Auch das kann auf Dauer und bei fehlender Kontrolle ziemlich teuer werden. Bei der Vielzahl der Angebote und der damit einhergehenden Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses, kombiniert mit der Bequemlichkeit des heimischen Sofas, ist es nicht verwunderlich, dass das Internet, Konsolen, und ähnliches süchtig machen. Dabei handelt es sich vor allem um Spielsucht. Dieser Begriff ruft gedankliche Bilder von alten Männern vor einem einarmigen Banditen in einer verqualmten Spielhölle hervor. Doch weit gefehlt: Die Sucht kann sich im hübsch dekorierten Kinderzimmer entwickeln. Die Diplompsychologin und Expertin im Bereich der Internet- und Computersucht Silvia Kratzer sagt in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, dass in der Altersgruppe der acht bis 12-Jährigen zwischen einem und drei Prozent süchtig nach Onlinespielen seien. Darüber hinaus bestehe eine Gefährdung für noch einmal drei bis vier Prozent der Kinder in diesem Alter. Vor allem Jungs seien davon betroffen und die Zahlen sprechen in diesem Fall eine klare Sprache: Von den Süchtigen seien zwischen 80 und 90 Prozent Jungen. Diese Zahlen betreffen Online-Spiele und werden somit nicht eins zu eins auf die Nutzung von Spielekonsolen zu übertragen sein. Das Potenzial, ein Kind süchtig zu machen, sollte aber äquivalent hoch sein. Die Spielsucht steht hier exemplarisch für das Suchtpotenzial neuer Medien. Das Internet,
gleichgültig von welchem Gerät aus es genutzt wird, kann wie eine Droge wirken. Das Gleiche gilt für alle anderen Medien. Problematisch hierbei ist, dass sich eben diese vollständig in unseren Alltag integriert haben. Deshalb ist es schwer festzustellen, ob bereits ein Suchtverhalten vorliegt oder es sich bloß um eine Gewohnheit handelt, der Prozess verläuft schleichend. Da es sich aber um eine körperliche Sucht handelt, wie etwa die nach Rauschmitteln, gibt es verschiedene Anzeichen, auf die Sie achten können. Bei der nachfolgenden Aufstellung der Symptome handelt es sich lediglich um Hinweise auf Möglichkeiten, im Zweifelsfall sollten Sie mit Ihrem Kind einen Experten wie zum Beispiel einen Psychologen oder eine Suchtberatung aufsuchen. Suchtberatungen finden Sie in jeder größeren Stadt. Spezielle Einrichtungen für die Problematik der Internetsucht finden Sie zum Beispiel in Berlin.

 

  • Der Drang, das Medium zu nutzen, ist ausgesprochen stark ausgeprägt.
  • Ihr Kind zeigt keinerlei Interesse dafür, an der realen Welt teilzuhaben.
  • Wird diesem Drang nicht nachgegeben, erfolgt eine Verhaltensänderung in eine negative Richtung.
  • Wird diesem Drang nachgegeben, erfolgt eine Verhaltensänderung in eine positive Richtung.
  • Sie können Entzugserscheinungen feststellen, wie zum Beispiel Schwindel, Übelkeit und erhöhten Blutdruck.


Abschließend soll noch auf ein Risiko hingewiesen werden, das verglichen mit den vorhergehenden Gefahren recht banal erscheint. Es fällt unter das Stichwort „Generation Doof“. Das kommunizieren über SMS, Messenger, Chatrooms und soziale Netzwerke hat faul gemacht. Viele verzichten gänzlich auf Rechtschreibung. So sinnvoll ein sicherer Umgang mit Medien für Kinder und Jugendliche allein schon im Hinblick auf das spätere Berufsleben ist, bringt auch die größte Medienkompetenz nichts, wenn man „hübsch“ mit „p“ schreibt und einen Smiley aus einem Semikolon und einer geschlossenen Klammer dahinter setzt.