Der Automobilzulieferer TDDK mit Sitz in Straßgräbchen hat als erstes Unternehmen eine Beauftragte für sorbische Angelegenheiten berufen.
Wandel und Sorben
Und das ist ein Pfund, mit dem die Lausitz noch öfter glänzen sollte. Es gibt neben der Lausitz nur wenige zweisprachige Gebiete in Deutschland. Die Mehrsprachigkeit und der interkulturelle Dialog, den Sorben und Deutsche Tag für Tag leben, ist ein echter Schatz, der den europäischen Gedanken quasi in sich trägt. Das ist nicht zuletzt wichtig für den Strukturwandel, der sich derzeit in der Lausitz vollzieht. Die Fraunhofer-Studie „Innovation durch Tradition“ von 2020 zeigt das sorbische Potenzial für den Lausitzer Wandel auf. Die Studie betont, wie wichtig Standortfaktoren wie Mehrsprachigkeit, Weltoffenheit und kulturelle Kompetenz im Wettbewerb der Regionen sind. Dem sorbischen Volk werden drei zentrale Funktionen zugeschrieben: Netzwerker, Identitätsanker und Brückenbauer. In der Studie heißt es unter anderem: „Die sorbische Kultur bildet einen Eckpfeiler der Lausitzer Identität.“ Denn das Sorbische ist es, was die Lausitz über Jahrhunderte, über Glaubenskriege und Herrschaftswechsel, über politische Partei- und über Ländergrenzen hinweg zusammengehalten hat. Auch Dawid Statnik betont diesen Aspekt: „Die sorbische Sprache und Kultur ist ein wichtiger Teil der Identität der Region. Ihr Erhalt und ihre Förderung können dazu beitragen, die regionale Identität zu stärken und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Gemeinschaft zu schaffen.“ Diese Argumentation hat auch dazu geführt, dass sich die Erhaltung der sorbischen Sprache als ein wichtiger Aspekt im Strukturstärkungsgesetz wiederfindet. Darin heißt es, der Bund plane „Maßnahmen zur Förderung der Bewahrung und Fortentwicklung der Sprache, Kultur und Traditionen des sorbischen Volkes als nationaler Minderheit“ einzurichten bzw. aufzustocken.
Ganz zentral für die Identität und Bewahrung des Sorbischen, ist die Sprache. In der Regel wird Sprache als Muttersprache durch die Eltern weitergegeben und so über Generationen bewahrt. Das allein reicht aber nicht. Die Domowina hat kürzlich das Ziel geäußert, dass am Ende des 21. Jahrhunderts 100.000 Menschen in der Lausitz sorbisch sprechen. Um dieses hehre Ziel zu erreichen und die Zahl der Sorbischsprechenden zumindest deutlich zu erhöhen, sieht der Dachverband mehrere Ansätze:
Kitas und Schulen: Ein immanenter Punkt ist die Förderung der Sorbischen Sprache in Bildungseinrichtungen. Hier würden die derzeitigen schulischen Angebote dem Ziel bisher nicht entsprechen. Eines der größten Probleme ist dabei der Lehrermangel, welcher auch an sorbischen Schulen vorherrscht.
Sprachkurse für Erwachsene: Beispielhaft zu nennen ist das Projekt Zorja. Hierbei handelt es sich um ein Immersionsmodel, welches derzeit in der Niederlausitz in die Erprobungsphase geht. In 10 Monaten, 5 Tage die Woche, 6 Stunden am Tag lernt man die niedersorbische Sprache. Zorja basiert auf den vielfältigen Erfahrungen ähnlicher Programme auf der ganzen Welt, von der bretonischen Minderheit in Frankreich bis zu den indigenen Völkern der Salish und Mohawk in Kanada.
Kultur und Traditionen fördern: Eine stärkere und vielfältigere Förderung der sorbischen Kultur und Traditionen könnte dazu beitragen, das Interesse an der sorbischen Sprache zu steigern und somit die Zahl der Sorbischsprechenden zu erhöhen. Daher entwickelt die Domowina mit der Stiftung für das sorbische Volk und beiden Bundesländern stetig neue Förderprogramme, um das Sorbische in immer mehr Bereichen zu fördern. So wurde in Sachsen vor einigen Jahren ein Servicebüro für kommunale Zweisprachigkeit eröffnet. Es unterstützt die Gemeinden und Städte im sorbischen Siedlungsgebiet bei der Umsetzung der Zweisprachigkeit.
Wirtschaft & Unternehmen: Auch die Förderung der sorbischen Sprache in der Wirtschaft kann helfen, das Bewusstsein für die sorbische Kultur und Sprache zu erhöhen und somit das Interesse an Sorbisch zu fördern. Ein Beispiel ist der Automobilzulieferer TDDK in Straßgräbchen, welcher als erstes Unternehmen eine Mitarbeiterin als Beauftragte für sorbische Angelegenheiten berufen hat.
Digitalisierung: Es gibt weitere Bereiche, die helfen, die sorbische Sprache stärker zu implementieren. So gibt es bereits Übersetzungsprogramme wie Microsoft Bing, die Sorbisch verstehen. Wenn zukünftig auch Alexa sorbisch sprechen kann, ist es für die nächste Generation leichter, diese Sprache zu lernen, da sie dann gleichwertig ist.
Strukturwandel: Durch Mittel des Strukturwandels konnten zusätzliche sprachwissenschaftliche Projekte aufgesetzt werden, die den Prozess wissenschaftlich begleiten und gezielt helfen sollen, mehr Sprecherinnen und Sprecher zu aktivieren. Dabei sollen durchaus auch bereits bestehende Bereiche kritisch hinterfragt werden.