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Kolumne :: Seite 46

lausitzDADDY

Innenansichten eines verzweifelten Vaters

simulierte ich Sicherheit, Papa weiß natürlich, wo es

langgeht! Nach anderthalb Stunden hatte sich das

Blatt dann aber gewendet. Ich fluchte auf die Karte.

Mein Junior hatte schon vor einer halben Stunde recht

skeptisch aufs Impressum der Karte hingewiesen, die

doch tatsächlich aus dem Jahr 2006 war. „Mensch

Papa, was haste dir da nur wieder andrehen lassen“.

Ich sagte Quatsch da, wir können uns auch an der Na-

tur orientieren. Schließlich sind auch Teiche und klei-

ne Fließgewässer in der Karte eingezeichnet. Leider

gibt es gerade von den Letzteren im Spreewald viel zu

viele. So irrten wir zwischen Fließen und unergründe-

ten Wegen umher. Meine Kleine jammerte, der Junior

moserte, ich schwitzte. Ich versuchte, mit lehrreichen

Hinweisen zur Tier- und Pflanzenwelt ringsum abzu-

lenken. „Kaum drei Meter geradeaus fahren können,

aber den Naturforscher heraushängen lassen“, war

der trockene Kommentar meines Juniors.

Schließlich gab ich auf: Wir fragten einfach den

nächsten Menschen, der uns über den Weg radel-

te, nach dem Weg. Es war ein freundlicher Sachse:

„Mänsch, hasde gähn Händie?“ war dessen Antwort.

Stolz zeigte er mir sein neues Smartphone und erklär-

te meinen Kids, dass die Sachsen eben immer „risch-

tisch modärn unn imma midde neueschte Täschnig“

unterwegs sind. Er klimperte in sein Smartphone mit

einem Display in Rucksackgröße die Adresse unseres

Ausflugslokals und somit Ziels der Odyssee ein. Es lag

keine 5 Minuten entfernt! Wir hatten es wohl seit ei-

ner Stunde geschickt umkreist. Mein Junior spurtete

voran, damit Papa sich nicht wieder verfährt, wie er

meinte. Meine bessere Hälfte wartete schon ganz auf-

gelöst und sah mich vorwurfsvoll an: „Kein Wunder,

ich finde ja oft nicht mal von der Arbeit nach Hause.“

Im Restaurant wussten schon alle Bescheid. Schließ-

lich musste meine bessere Hälfte den reservierten

Tisch über eine Stunde gegen sächsische Touristen

verteidigen, die das Ausflugslokal dank Navi und

Orientierungssinn zu Hauf fanden. Die Kellnerin gab

prompt allen aus unserer Familie eine Speisekarte,

außer mir. „Der Herr hat es ja nicht so mit dem Kar-

tenlesen, richtig?“. Alles lachte. Mein Junior hinge-

gen erzählte der Mama hocherfreut, wie pädagogisch

wertvoll ihm Papa die Bedeutung moderner Medien

bewiesen hat. „Auch da hat Papa sein Ziel wohl etwas

verfehlt.“ Wie wahr!

Euer lausitzDADDY

Haben Sie sich schon einmal so richtig

verfahren, stumpf aufs Navigationsgerät

vertrauend? Eine Erfahrung, die immer

mehr Menschen teilen. Die Medien nehmen uns das

Denken ab und das Kartenlesen scheint eine längst

vergessene Kunst der Römer oder der ersten Seefah-

rer zu sein. Das merkte ich schon bei meinem Junior,

der beim Streik der öffentlichen Verkehrsmittel zu

Fuß von der Schule am Ende der Stadt in mein Büro

finden musste. Stolz stand er eine halbe Stunde spä-

ter in meinem Büro, reckte mir sein Handy samt Navi

entgegen, konnte mir aber überhaupt nicht erzählen,

wo er nun langgelaufen ist. Studien besagen, dass

junge Menschen keine Karten mehr lesen und sich

kaum noch in Städten oder dem Umland orientieren

können, wenn Handy oder Navi nicht an Bord sind.

Ein Schicksal, dem ich meine Kinder als pädagogisch

vorbildlicher Vater nicht überlassen wollte. Also plan-

te ich nach diesem Schlüsselerlebnis einen gemeinsa-

men Fahrradausflug samt Fahrradkarte. Meine besse-

re Hälfte konnte wegen eines verstauchten Knöchels

nicht mitradeln und fuhr schon mal zum Ziel voraus,

einem gemütlichen Ausflugslokal. Für die knapp 10

Kilometer plante ich samt Orientierung und Karten-

lesen eine Stunde ein. „Papa zeigt euch mal, wie das

funktioniert, ganz ohne den technischen Firlefanz“.

Großspurig gab ich meiner besseren Hälfte mein Han-

dy, auch der Junior musste seins abliefern.

Ich hatte extra einen recht komplizierten Weg ausge-

sucht, bei dem man des öfteren links und rechts ab-

biegen musste. Offensichtlich zu kompliziert, denn

schon nach einer Viertelstunde setzten bei mir erste

Unsicherheiten ein. Gemeinsam mit den Kids über

die Karte gebeugt rätselte ich innerlich, ob wirklich

alle Wege in der Karte verzeichnet waren. Nach außen

Noch nicht genug gelacht?

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zum Nachlesen unter

www.lausebande.de