Titelthema :: Seite 63
auf freie Stellen. Familienfreund-
lichkeit rechnet sich auch betriebs-
wirtschaftlich. Die erforderlichen
Investitionen werden durch weni-
ger Fehltage, geringere Fluktuati-
on und mehr Produktivität mehr
als ausgeglichen. Die Mitarbeiter
sind motivierter und engagierter.
Was empfehlen Sie Müttern, da-
mit ihnen der Wiedereinstieg nach
der Babypause wieder gelingt?
Ein Kind zu bekommen, ist etwas
wirklich Schönes. Daher empfeh-
le ich den Eltern zuerst: Genie-
ßen Sie diese Zeit. Optimal ist es,
wenn sich Eltern schon vor ihrem
Ausstieg Gedanken machen über
den Einstieg und das auch gegen-
über ihrem Arbeitgeber klar an-
sprechen. Während der Elternzeit
ist es wichtig, Kontakt zum Unter-
nehmen zu halten, sich über Neu-
igkeiten zu informieren, vielleicht
an der Weihnachtsfeier teilzuneh-
men. Rückt dann der Wiederein-
stieg in die Nähe, ist eine Standor-
tanalyse wichtig: Was will ich, was
kann ich, wie ist die Kinderbetreu-
ung abgesichert, wer kann mich
unterstützen? Ist ein Wiederein-
stieg im Unternehmen nicht mög-
lich, können sich Mütter an uns
wenden, schon während der El-
ternzeit. Wir beraten – auch un-
verbindlich – über Alternativen
und Qualifizierungen. Für manche
ist eine berufliche Neuorientierung
eine Option.
Viele Mütter mit kleinen Kindern
arbeiten Teilzeit – sehen Sie das
eher als Chance für die Vereinbar-
keit oder laufen Frauen dadurch
Gefahr, beruflich auf dem Abstell-
gleis zu landen, Stichwort Teilzeit-
falle?
Oft entscheiden sich Mütter
ja ganz bewusst für Teilzeit-Ar-
beit. Wichtig ist, dass sie die Chan-
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ce haben ihre Arbeitszeit wieder
zu erhöhen, wenn die Kinder äl-
ter werden. Denn die Teilzeittä-
tigkeit geht mit einem geringeren
Verdienst einher und birgt ein Ar-
mutsrisiko imAlter. Daher empfeh-
le ich eine vollzeitnahe Teilzeit ab
32 Stunden. Wir sprechen gezielt
Unternehmen aber auch Frauen
an, mit dem Ziel Minijobs in sozi-
alversicherungspflichtige Beschäf-
tigung umzuwandeln. Manchmal
sind die Frauen einfach zu ängst-
lich oder zu schüchtern, um nach
einer Aufstockung der Arbeitszeit
und der Umwandlung in eine sozi-
alversicherungspflichtige Tätigkeit
zu fragen und ihre Rechte durch-
zusetzen. Sie sollten ihrem Arbeit-
geber gegenüber aber klar äußern,
was sie für Vorstellungen haben.
Wenn sie tatsächlich nicht aus
der Teilzeit-Falle herauskommen,
bleibt als letzte Möglichkeit ein Ar-
beitgeber-Wechsel.
Warum ist der Anteil von Frauen
in Führungspositionen zwar zu-
nehmend, aber noch immer ver-
gleichsweise niedrig?
Mit Blick
auf den Fachkräftemangel, wer-
den es sich viele Unternehmen gar
nicht mehr lange leisten können,
auf die Kompetenzen von Frauen
zu verzichten. Sie sollten ein In-
teresse daran haben, qualifizier-
te Frauen zu halten. Meine Erfah-
rung ist: Frauen kommen eher aus
der Elternzeit zurück, wenn sie ein
passendes Angebot finden. Durch
Teilzeit- und Telearbeit gibt es vie-
le Möglichkeiten. Wenn beide Sei-
ten dafür offen sind, funktioniert es
auch. Hier braucht es ein Umden-
ken auf Führungsebenen: Eine
Führungskraft muss nicht zwin-
gend 60 Stunden anwesend sein.
Mein Eindruck ist, dass die jünge-
re Generation offener ist für Fami-
lienfreundlichkeit. Viele Chefs der
älteren Generation sind so aufge-
wachsen, dass nur die Frau sich zu
Hause um die Kinder gekümmert
hat und denen fehlt manchmal ein
Stück weit das Verständnis für die
Situation junger Familien.
Welche Unterstützungsangebote
haben Sie als Agentur für Arbeit
für Arbeitgeber und welche für Ar-
beitnehmer?
Ich arbeite eng mit
unserem Arbeitgeber-Service zu-
sammen. Wir beraten zu Möglich-
keiten, die Vereinbarkeit von Fami-
lie und Beruf im Unternehmen zu
verbessern. Wir bieten Veranstal-
tungen zu dem Thema an. Aber
auch Arbeitnehmer lassen sich in-
dividuell von uns beraten. Oft ge-
nug liegt die Hürde nur darin, dass
familienfreundliche Angebote des
Unternehmens nicht bekannt sind
und zu wenig kommuniziert wer-
den. Unser Hauptanliegen ist es
daher, für das Thema Vereinbar-
keit zu sensibilisieren und zu in-
formieren.
Wie können Unternehmen ihre Mit-
arbeiter bei der Vereinbarkeit un-
terstützen?
Das wichtigste: Ver-
einbarkeit sollte nicht nur auf dem
Papier stehen, sondern auch gelebt
werden. Und da gibt es unendlich
viele Möglichkeiten. Erstens sind
das flexible Arbeitszeit- und Ar-
beitsort-Modelle: Teilzeit, Telear-
beit, Gleitzeit, Arbeitszeitkonten,
Jobsharing. Noch wenig bekannt
ist die Möglichkeit, einer Berufs-
ausbildung in Teilzeit, die vor al-
lem für junge Mütter eine Chance
ist und Ausbildungsabbrüche ver-
hindern kann. Zweitens kann [...]




