Interview :: Seite 44
nichts anfangen. Wahrscheinlich hätten alle eher an
einen Zahnarzt gedacht, weil der Begriff noch völlig
unbekannt war. Ich mache das nun schon seit über
20 Jahren. Inzwischen bin ich sogar froh, dass es so
ist. Dann sage ich einfach, das ist die „Thorsten Ha-
vener Show“ und die Leute wissen, es geht um Illu-
sion, um Geheimnisse, um Körpersprache und einen
spannenden Mix aus diesen und anderen Dingen.
Sie entlocken den Menschen auf überraschende Wei-
se viele Geheimnisse. Wer lässt sich leichter durch-
schauen, Frauen, Männer oder Kinder?
Das kommt
immer darauf an, es gibt aber keine Regel und keine
grundsätzlichen Unterschiede bei den Geschlech-
tern. Auch Kinder sind gar nicht so leicht aufs Glatt-
eis zu führen, wie man oft denkt. Sie haben eine
ganz andere Art, die Welt zu sehen – sie sehen die
Welt mit Kinderaugen. In einer Kinderwelt sind sehr
wohl Dinge möglich, die wir als Erwachsene sehr
schnell als unmöglich abtun würden. Ich werde nie
vergessen, als bei einem Auftritt vor einigen Jahren
ein siebenjähriger Junge auf mich zukam und fragte
„Ey, kannst du auch einen Elefanten verschwinden
lassen?“. Ich sagte „natürlich“ – und er ging zu sei-
nen Freunden und sagte „Echt krass, der Typ kann
sogar Elefanten verschwinden lassen“. Das war für
ihn also schon abgehakt, er musste gar keinen Be-
weis mehr haben. So sehen Kinder die Welt.
Haben Sie sich beim Gedankenlesen auch mal er-
schreckt und Intimes oder Abgründe erfahren, über
die Sie lieber nichts gewusst hätten?
Nein, darum
geht es auch nicht. Bei mir geht es immer um das Po-
sitive und Schöne. Das andere haben wir im Alltag ja
schon genug. Meine Aufgabe als Entertainer besteht
nicht darin, Unangenehmes zu zeigen. Ich bin kein
Typ, der sich mit dunklen Dingen beschäftigt oder
der politisch ist. Ich will die Zuschauer zwei Stunden
in eine andere Welt entführen.
Nun sind Sie auch Vater von drei Kindern, wie steht
es da zu Hause um Körpersprache, Gedankenlesen
und den Umgang mit der Wahrheit?
Das ist ja eine
philosophische Frage. Die erste Frage ist immer
„Was ist Wahrheit?“. Das ist oft etwas Hochsubjek-
tives. Wenn jemand nicht die Wahrheit sagt, muss
er nicht lügen. Es bedeutet oft vielmehr, dass er die
Wahrheit nicht kennt oder Dinge für die Wahrheit
hält, die sie aber nicht sind. Ich bin der Meinung,
man muss Menschen manchmal auch vor der Wahr-
heit schützen. Gerade als Vater oder Mutter sehe ich
das in Bezug auf Kinder so. Man muss ihnen nicht
immer schonungslos und knallhart die Wahrheit
sagen. Wenn der Hase tot im Käfig liegt, kann man
auch sagen, der ist jetzt woanders und da geht es
ihm besser. Man muss ihn auch nicht tot im Käfig
liegend zeigen, da macht es auch die Stelle, an der
er beerdigt wurde. Auch wenn sich Eltern mal in die
Haare bekommen und nicht einer Meinung sind,
muss man das nicht vor den Kindern ausfechten.
Den Kindern dann zu sagen, es ist alles bestens,
auch wenn es in den letzten fünf Minuten vielleicht
nicht so war, halte ich durchaus für richtig.
Können Sie das Gedankenlesen zu Hause abschalten
und sich von Ihren Kindern und Ihrer Frau so rich-
tig beschwindeln lassen?
Natürlich. Zuhause weiß
ich grundsätzlich nicht, wo meine Brille und mein
Haustürschlüssel liegen. Da hört auch keiner auf
mich, nicht mal der Hund. Zuhause bin ich im bes-
ten Sinne ein normaler Familienvater – und das will
ich auch sein.
Nun gibt es in Büchern und Show viele Hinweise,
wie ich an der Körpersprache die Unwahrheit er-
kennen kann. Gibt es ein Patentrezept, woran man
bei Kindern eine Lüge erkennt?
Das ist bei Kindern
schwierig, weil sie aufgrund der eigenen Welt, in
der sie leben, tatsächlich vieles gar nicht als Lüge
empfinden. Kinder übertreiben oft, weil sie begeis-
tert sind und diese Begeisterung durch Übertreibung
in ihrem Gegenüber wachrufen wollen. Oder wenn
Ihnen etwas unangenehm ist. Natürlich gibt es bei
Kindern Zeichen dafür, dass sie gestresst sind – und
die sind ähnlich wie bei Erwachsenen: mehr Bewe-
gungen im Gesicht, ein stärkeres Herumzappeln, der
Blick ist nicht mehr so wie vorher. Aber da brauche
ich Ihnen gar nicht viel erzählen. Fragen Sie mal
eine Mutter, die erkennt sofort, ob ihr Kind lügt.
Woran, kann sie meist gar nicht erklären, sie weiß
es einfach.
Beim Thema Frauen: die kennen sich ja auch im
Haushalt am besten aus, während wir Männer dort
meist Orientierung benötigen. Mit Ihrer Beobach-
tungsgabe müssten Sie doch der Traummann sein
und Ihrer Frau jeden Wunsch von den Augen ab-
lesen …
Es gibt sicher Dinge, die in meiner Ehe au-




