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In einer Familie aufwachsen, sollte für Kinder bedeuten, stabile Beziehungen und verlässliche Bezugspersonen kennen zu lernen, Geborgenheit und Unterstützung zu erleben und gemeinsam durch „dick und dünn“ zu gehen. Die Bedürfnisse der Kinder werden erkannt und entsprechend in den verschiedensten Situationen im Alltag berücksichtigt.
Was passiert, wenn das System einer Familie durch die Suchterkrankung eines Elternteils ins Wanken gerät und Eltern diesen Aufgaben nicht mehr dauerhaft gerecht werden können? Je nachdem, ob die Erkrankung schubweise auftritt oder chronisch andauert, hat dies weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die Gesundheit der Erwachsenen, sondern auch für deren berufliches und privates Umfeld. In besonderem Maße daher auch für die Kinder der betroffenen Personen.
Etwa jedes sechste Kind im Land Brandenburg lebt in einer suchtbelasteten Familie. Es besteht ein bis zu 6-fach erhöhtes Risiko für diese Kinder, später selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln. Ca. ein Drittel der Kinder aus einer suchtbelasteten Familie werden später selbst alkohol-, medikamenten-, drogenabhängig oder entwickeln eine Verhaltenssucht. Suchterkrankungen können in einem Teil der Familien von Generation zu Generation weitergegeben werden. Zudem treten diese auch meist in Zusammenhang mit anderen Stressoren und Belastungsfaktoren wie beispielsweise Trennung oder Scheidung auf. Deshalb ist es umso wichtiger, Kinder und Familien durch Präventions- und Hilfsangebote zu unterstützen. Denn das Zusammenspiel von Risiko- und Schutzfaktoren entscheidet letztlich darüber, ob sich ein Kind gesund und altersgerecht entwickeln kann und später frei von psychischen und suchtbezogenen Symptomen sein Leben gestalten kann.
Beispielaussagen von Kindern aus suchtbelasteten Familien:
- „Immer, wenn wir alleine waren, hat Mama geweint und mir alles erzählt, was Papa wieder gemacht hat. Ich wollte das doch gar nicht hören …“
- „Ich lade keine Klassenkameraden zu mir nach Hause ein. Ich will nicht, dass jemand sieht, wie meine Mutter ist.“
- „Ich merke das sofort, wenn er schlechte Laune hat. Es ist irgendwie so sehr in mir drin, ich sehe das schon an der Tür. Ich sehe auch sofort, wenn er getrunken hat. Also das habe ich sehr gut eingeübt.“
Eine Suchterkrankung führt in den Familien zu verschiedenen Regeln und Dynamiken. Innerhalb und außerhalb der Familie wird die Erkrankung tabuisiert, es wird nicht darüber gesprochen. Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Angst werden nicht angesprochen: keiner spricht darüber, wie er/sie sich wirklich fühlt. Das führt unter Umständen zu einer dauerhaften emotionalen Verwirrung der Kinder. Schuld sind immer die anderen – Kinder lernen durch die mangelnde Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme der Eltern, dass es besser ist, nichts und niemandem zu vertrauen. Auch das Vertrauen in die eigenen Wahrnehmungen leidet häufig.
Die Kinder können verschiedene Rollen als Strategien im Umgang mit der elterlichen Erkrankung einnehmen. Während manche Kinder als „Familienheld/in“ bereits früh Verantwortung übernehmen und Aufgaben in der Haushaltsführung oder Geschwisterbetreuung mit abdecken, lenken andere als „Sündenbock“ durch auffälliges Fehlverhalten und „ungewollt sein“ vom Familiengeheimnis ab.
Präventionsangebote in Kindergarten, Schule und Familie bieten Unterstützung für eine gesunde Entwicklung der Kinder. Beispiele hierfür sind „Papilio“, „Be smart don’t start“ und „Klasse 2000“. Kinder können dabei gezielt gestärkt werden durch verlässliche Beziehungen zu Vertrauenspersonen und Angebote, die Kreativität, Humor und Wertevermittlung unterstützen. Das Ziel sollte es sein, Lebenskompetenzen wie den Umgang mit Gefühlen, die Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Stressbewältigung in der kindlichen Entwicklung zu fördern. Diese Faktoren führen zu einer Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischer Belastung [=Resilienz] und reduzieren langfristig die Wahrscheinlichkeit einer späteren Suchtentwicklung.
Entlastende Botschaften für Kinder und Jugendliche
Entlastende Botschaften von Erwachsenen, die die Einsicht beim Kind fördern und es bei der Resilienzentwicklung unterstützen, sind folgende:
- Sucht ist eine Krankheit. Du bist nicht allein, es gibt viele Kinder, denen es genauso geht.
- Du hast sie nicht verursacht und kannst sie nicht heilen.
- Du kannst sie nicht kontrollieren.
- Es ist sehr gut und wichtig, über seine Gefühle mit anderen Menschen zu sprechen, denen du vertraust.
- Du kannst gesunde Entscheidungen treffen – für dich.
- Du kannst stolz auf dich sein und dich selbst liebhaben.
Hilfsangebote finden Betroffene und Angehörige von suchtkranken Menschen in den lokalen Suchtberatungsstellen, wie beispielsweise beim Tannenhof Berlin-Brandenburg in Cottbus-Ströbitz. Hier können Beratungsgespräche in Anspruch genommen werden, darüber hinaus gibt es Gruppenangebote oder die Möglichkeit zur Vermittlung in Therapien. Vielen Eltern ist nicht bekannt, dass es zum Beispiel die Möglichkeit der Mitnahme der eigenen Kinder in einer Rehabilitationsbehandlung gibt. Kinder sind oftmals ein großer Motivationsfaktor, wenn es um Verhaltensänderungen geht. Zudem profitieren sie häufig unmittelbar von den Veränderungsschritten ihrer Eltern, was zu einer gegenseitigen Verstärkung führen kann.
In den einzelnen Büros der Netzwerkkoordinator*innen Netzwerk Gesunde Kinder können Kontaktdaten zu Suchtberatungsstellen erfragt werden.
Links und Literaturtipps:
- Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. https://www.blsev.de/fileadmin/selbstbestimmt/dokumente/Kinder/BLS_Faktenblatt_KinderSuchtfamilien.pdf
- NACOA DEUTSCHLAND, Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V. https://nacoa.de/
- Buch von Kindern für Kinder: „Mein Papa nimmt Drogen – und was ist bei dir so los?“ Fitkids Wesel (2022)
- „Fluffi“ Ein Bilderbuch für Kinder im Alter von 4 bis 8 Jahren. Bezug: Eigenverlag NACOA Deutschland (5,00€ pro Buch zzgl. Versand)
- Blue Prevent – Versuchung sucht Grenzen. Praxisbuch Kinder aus Suchtfamilien inklusive DVD zum Film ZOEY (kostenfrei)
- „Flieg, Dino“ – NACOA Deutschland e.V. Ein kooperatives Spiel zum gemeinsamen Entdecken der Welt der Gefühle. Für Kinder ab 4 Jahren. (Preis: 29,00€, Bezug über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
- „Flaschenpost nach irgendwo“, S. Homeier und A. Schrappe (2019). Ein Kinderfachbuch für Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren. Herausgeber: Mabuse Verlag. (Preis: 22,90€)
- Präventionsfilm „Erinnerungen einer vergessenen Kindheit“ von L. Smekal (2024), https://vergessene-kindheit.de/
- www.tannenhof.de
Der Artikel entstand in Kooperation mit dem Tannenhof Berlin-Brandenburg.





