Problem Nummer 2: Mangel an Kursen
Schulen stoßen derzeit auf keinen üppigen Pool an Nachhilfeangeboten, ganz im Gegenteil. Insgesamt sieben Angebote sind für die fachliche Nachhilfe in Cottbus gelistet, sie verteilen sich demnach auf die Erfordernisse von 28 Schulen und rund 10.000 Schüler (Stand 2020, Quelle Stadt Cottbus). Im Landkreis Spree-Neiße sind es neun Angebote. Bei den Angeboten zur Entwicklung personaler und sozialer Kompetenzen gibt es kaum mehr Auswahl: Neun Projekte können in Cottbus beansprucht werden und in Spree-Neiße 18, von denen ganze 14 von demselben Träger mit Sitz in Spremberg stammen. Diese sollen für jeweils rund 10 bis 12 Tausend Schülerinnen und Schüler in Cottbus bzw. Spree-Neiße ausreichend sein?

Der Blick auf weitere Landkreise Südbrandenburgs zeichnet kein besseres Bild. In Anbetracht der Tatsache, dass in diesen fünf Landkreisen insgesamt mehr als 60.000 Kinder die Schulbank drücken, wirkt die Anzahl an geförderten Nachhilfemöglichkeiten sehr gering. Der Kreiselternrat Cottbus, der die Stimmen der Cottbuser Eltern von Schulkindern vereint, teilt diesen Eindruck: „Die Schulen würden gern Angebote im Rahmen des Aufholprogrammes ermöglichen, es fehlt allein an vernünftigen Angeboten.“ Pressesprecher Maik Jorsch-Schuppe berichtete uns gegenüber sogar, dass viele Eltern vom Aufholprogramm nicht einmal etwas mitbekommen hätten.
In Brandenburg klagte – wie bereits erwähnt – jede vierte Grundschule nach den Lernstandserhebungen über besonders große Defizite bei ihren Schülerinnen und Schülern. In der brandenburgischen Lausitz besuchen insgesamt rund 26.000 Kinder die Klassen 1 bis 6. Vorausgesetzt, dass hier ebenfalls jedes vierte Kind ein Lerndefizit hat, kommen wir auf einen Bedarf von 6.500 Schülerinnen und Schülern. Für sie stehen ganze 51 Angebote zur Verfügung. Heruntergebrochen kommen 127 Kinder auf ein Angebot – individuelle Förderung sieht anders aus. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass nicht alle der fachlichen Angebote tatsächlich auch an Grundschulen gerichtet sind. Wollte man nun ob der geringen Anzahl an Angeboten Gruppen bzw. Klassen für das Nachholprogramm aus dem Haus von Britta Ernst in größerer Anzahl zusammenfassen, stößt man auf den nächsten Konstruktionsfehler: Das Programm ist auf ein Maximum von 10 Kindern pro Nachhilfestunde bzw. 15 Kindern pro sozialem Angebot beschränkt. Wir empfehlen Frau Ernst und ihrer Mannschaft eine Mathe-Nachholstunde mit Prozentrechnung, um den Fehler zu erkennen.

Problemfächer Mathe und Deutsch: Deutsche Schülerinnen und Schüler brauchen in Mathematik am meisten Unterstützung – das bestätigte uns die Online-Nachhilfeplattform „sofatutor“, die über mehr als eine Millionen Nutzerinnen und Nutzer verfügt. Auf Platz 2 kommt bei dem Portal Deutsch. Auch bei „Alfons Lernwelt“ und bei „simpleclub“ sind diese beiden Fächer jene mit dem größten Nachholbedarf. „Scoyo“ hat mit Mathe denselben Spitzenreiter, wobei Deutsch vor allem bei Erst- und Zweitklässlern gefragt ist, während Kinder ab der dritten Klasse am meisten Englisch üben. Damit bestätigen drei der größten Online-Nachhilfeplattformen das Bild, das auch regionale Nachhilfeunternehmen uns gegenüber zeichneten. Eine weitere Sache haben digitale und persönliche Nachhilfeangebote gemeinsam: eine insgesamt deutliche Zunahme des Nachholbedarfs im Allgemeinen. Foto: AndreaObzerova, istock
Problem Nummer 3: Personalmangel
Wie wir von mehreren Lausitzer Nachhilfeunternehmen erfuhren, verschärft zudem ein dauerhafter Mangel an Nachhilfelehrkräften die Situation. Das Abacus-Nachhilfeinstitut in Cottbus erhielt beispielsweise Anfragen von ganzen 32 Schulen und muss nun eine Meisterleistung vollbringen, um diese alle bearbeiten zu können. Die ständige Suche nach neuen Nachhilfelehrern gehört dem Standortleiter Siegmar Schulz zufolge schon lange zum Tagesgeschäft. Das Duden-Institut für Lerntherapie ließ sich in der Angebotsdatenbank gar nicht erst listen – und nahm stattdessen selbstständig mit ausgewählten Schulen Kontakt auf. So möchte Institutsleiter Mario Cordes sicherstellen, dass das Duden-Institut den Aufwand händeln kann. Er kritisiert das Aufholprogramm dahingehend, dass Schülerinnen und Schüler mit Defiziten eigentlich eine Einzelbetreuung benötigen würden, um ihre Wissenslücken effektiv schließen zu können. „Bei Gruppengrößen von um die zehn Personen fürchte ich, dass diese Maßnahme ein Tropfen auf den heißen Stein ist“, so Cordes. Er empfiehlt Eltern, die Lernfortschritte ihrer Kinder genau zu beobachten und dafür im Austausch mit den Lehrkräften zu sein.





