Salat statt Schnitzel

Datum: Donnerstag, 01. September 2016 10:16

Das sagen die Caterer
Schlussendlich müssen auch die Versorger, zumeist Caterer, miteinbezogen werden. Sie sind es in den meisten Fällen, die das Essen für die Kita- und Schulkinder zubereiten. Nur zehn Prozent der Caterer sind speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet. Zertifizierungen zur Qualität der zubereiteten Speisen, an denen sich Eltern und Schulen bei der Auswahl eines Anbieters orientieren könnten, gibt es von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Sie sind aber wenig verbreitet. Kitas und Schulen haben ebenfalls die Möglichkeit, sich zertifizieren zu lassen und damit nach außen zu werben. Das tun bisher nur wenige Einrichtungen, der Zertifizierungsprozess ist mit Zeit und Kosten verbunden, bringt aber eine merkliche Qualitätssteigerung der Verpflegung mit sich. Rechtlich erforderlich sind Zertifizierungen bisher in Deutschland nicht.


In Brandenburg sind auch fünf Jahre nach dem Skandal in der Schulverpflegung um verseuchte Tiefkühl-Erdbeeren weiter Großversorger wie Sodexo, appetito oder Dussmann verbreitet. Geht es um die Suche nach einem (neuen) Essensanbieter für die Einrichtung, entscheiden die meisten Träger und Eltern nach dem Geldbeutel und weniger nach der Qualität. So kommt es, dass von den täglich 120.000 Schulessen in Brandenburg ein Großteil von sechs großen Anbietern gekocht wird. Darüber hinaus gibt es 20 regionale Unternehmen, 35 lokale Anbieter und 60 Kleinküchen. Diese kleineren Anbieter kochen täglich nicht tausende Essen, sondern versorgen meist weniger als 10 Einrichtungen. Der Vorteil dieser kleinen Anbieter: Sie sind näher dran an den Kindern. Das hat rein praktische Gründe, weil das Essen nicht so lange warm gehalten werden muss. Wer weniger Essen kocht und kürzere Transportwege hat, muss nicht schon früh um 8 Uhr mit der Essenszubereitung beginnen. Der zweite Vorteil der Nähe: Ein regelmäßiger Austausch zwischen Anbieter und Schule ist so leichter. Das ermöglicht konkrete Projekte und Aktionstage beim Caterer vor Ort. Das heißt auch, dass Kritik und Lob schneller ankommen, Rezeptwünsche eher ausprobiert werden können.


Wer mit den kleineren Caterern spricht, hört vor allem ein Argument an erster Stelle: Wenn wir mehr Geld zur Verfügung haben, können wir auch die gewünschte Qualität und Vielfalt auf den Teller bringen. Gute, regionale Lebensmittel möglichst in Bio-Qualität haben eben ihren Preis. Der Mindestlohn, der nun auch für Küchenhilfen und Beiköche fällig ist, drückt ebenfalls. Stattdessen aber wäre bei Ausschreibungen noch immer der Preis ausschlaggebend und oft genug kommt der preiswertere Großanbieter zum Zuge, statt der Caterer vor Ort. Daran habe auch der Skandal aus dem Jahr 2012 nichts geändert. Die DGE-Standards kennen die Caterer und berücksichtigen sie zumindest zum Teil, halten sie aber an manchen Stellen für überzogen. Stattdessen orientieren sie sich vor allem an den Wünschen der Kinder und die essen – DGE-Empfehlung hin oder her – eben liebend gern Jägerschnitzel und Nudeln. Gerade kleineren Caterern würde eine gewisse Verlässlichkeit bei der Zahl der Essensbestellungen helfen. Das gibt Planungssicherheit und erleichtert die Kostenkalkulation. Viele von ihnen liefern nur ein paar Dutzend oder hundert Essen aus. Fällt dann eine Klasse weg wegen einer Klassenfahrt, des bevorstehenden Ferienbeginns oder ähnlichem, rechnet sich die Essenszubereitung schon nicht mehr. Eine Möglichkeit wäre die verpflichtende Teilnahme aller Kinder am Schulessen, das aber wird sich kaum durchsetzen lassen.


Wir haben vier kleine Anbieter aus Südbrandenburg gefragt, wie sie die Diskussion um das Kita- und Schulessen wahrnehmen und was sich ändern müsste.


„Wir verfolgen die Diskussion um die Essensqualität einerseits über Tagespresse und Fachzeitschriften, andererseits über die Rückmeldungen aus den Kitas und Schulen, die wir versorgen. Dabei stellen wir immer wieder einen Unterschied fest zwischen dem, was die Eltern von uns Caterern fordern und dem, was sie ihren Kindern zu Hause vorleben. Die gleichen Eltern, die ihren Kindern fünf Euro für einen Döner mitgeben, wollen in der Schule nicht mehr als 2,50 Euro für ein gesundes Mittagessen bezahlen. Es gibt einerseits die Eltern, die viel Gemüse und keine Zusatzstoffe wollen, andererseits die Schüler, die ganz gut wissen, was ihnen schmeckt und was sie am liebsten essen wollen. Und dann gibt es noch die Standards der DGE. Es ist schwierig, alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen und dabei auch noch gutes, bezahlbares Essen zuzubereiten. Ich denke, der realistische Preis für ein hochwertiges, gesundes Essen läge bei etwa 3 Euro. Wer bei den Lebensmitteln spart, kann den Kindern nichts Gutes auf den Teller tun. Der zweite Kostenfaktor neben den Lebensmitteln sind die Personalkosten, da spielt auch der Mindestlohn eine Rolle. Es ist heute nicht mehr so einfach, einen guten Koch zu finden. Wir kochen täglich frisch, vermeiden Convenience-Produkte weitgehend und halten die vorgegebenen Warmhalte-Zeiten ein. Unsere Lebensmittel beziehen wir von regionalen Anbietern aus Sachsen und Brandenburg. Ich würde mir wünschen, dass der Wunsch nach mehr Regionalität auch in der Praxis umgesetzt wird. Und dass die vor Jahren geforderte Zertifizierung der Essensanbieter bei Ausschreibungen auch Berücksichtigung findet. Bisher ist es leider noch oft so, dass bei Ausschreibungen der billigste Anbieter genommen wird, egal woher er kommt und wie er kocht.“
Klaus Weinert, Geschäftsführer Weinert Catering Service GmbH, versorgt 12 Kitas und Schulen in der Lausitz


„In der Debatte um gesundes Schulessen sind alle gefragt: Politik, Lehrer, Eltern aber auch wir Caterer. Ich denke, die kleinen Anbieter vor Ort können durch den direkten Austausch mit Schulen, Kindern und Eltern eher eine optimale Essensversorgung anbieten. Ich orientiere mich stark an den DGE-Standards, aber natürlich auch an den Wünschen der Kinder. Wenn das Essen im Müll landet, weil es nicht schmeckt, ist keinem geholfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder einerseits „ungesunde“ Speisen vorziehen, sich aber andererseits mit der Zeit auch für neue Speisen öffnen. Man kann sie sehr wohl an die DGE-Standards heranführen. Ich tausche mich regelmäßig mit Schülern, Eltern und Lehrern über die Wünsche aus und beherzige auch Kritik. Ohne Frage muss das Essen mehr kosten und da sind die Eltern ebenso in der Verantwortung wie die Politik. Ich weiß, dass das utopisch ist, aber eigentlich läge der Preis für ein gutes, vollwertiges Mittagessen bei 3,50 Euro. Es wäre schon hilfreich, wenn die Mittagsversorgung an Schulen und Kindertagesstätten steuerfrei wäre. Damit würde die Politik auch ein Zeichen setzen. Mindestens genauso wichtig ist aber, welche Bedeutung wir als Gesellschaft dem Essen beimessen. Der Trend zu Snacks und to-go-Speisen ist problematisch, das Essen wird immer mehr zur Nebensache. Es sollte aber meiner Meinung nach wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das fängt damit an, dass die Kinder ausreichend lange Pausen haben und das Essen in Gemeinschaft erleben, sei es mit anderen Kindern, den Erziehern oder zu Hause mit der Familie.“ 
Annett Zeuner, Inhaberin Partyservice Tischlein deck Dich, versorgt 2 Schulen in Döbern


„Die Studien und Debatten um die Qualität des Kita- und Schulessens kenne ich, halte sie an manchen Stellen allerdings für etwas übertrieben. Zu aktuellen Anforderungen an die Schulspeisung informiere ich mich über Fachzeitschriften, die Vernetzungsstelle Schulverpflegung und Fachmessen. Ich bin schon lange im Geschäft und habe das Gefühl, es werden ständig neue Trends ausgerufen. Wenn wir zu wenig Fleisch anbieten, heißt es, wir wollen sparen, gibt es zu viel Fleisch, ist das auch wieder falsch. Die DGE-Standards kennen wir. Ich halte sie aber an manchen Stellen für schwer umsetzbar und nicht immer vereinbar mit den Vorlieben der Kinder. So wird z.B. täglich Obst gefordert. Das ist richtig und wichtig; aber gebe ich das Obst im Ganzen mit, landet es in den Schulen oft im Müll. Daher müsste das Obst eigentlich in der Ausgabe vor Ort in mundgerechte Stücke geschnitten werden, aber dafür fehlt dem Personal die Zeit, welche ohnehin knapp bemessen ist. Außerdem würde ich mir wünschen, dass gesundes Essen auch schon zu Hause vorgelebt wird. Die größte Herausforderung besteht darin, dass das Essen gesund sein soll, aber gleichzeitig schmeckt und möglichst wenig kostet. Das ist nicht so einfach, denn Qualität hat ihren Preis. Aus diesem Grund sollte bei Ausschreibungen nicht immer der niedrige Preis ausschlaggebend sein, sondern auch kleinen, regionalen Caterern sollten realistische Chancen eingeräumt werden.“
Gerhard Schütz, Geschäftsführer Schütz Gemeinschaftsverpflegung, versorgt Kitas und Schulen im Raum Spremberg und Umgebung


„Da wir nur wenige Einrichtungen beliefern, nehmen wir die Diskussion um die Qualität des Schul- und Kitaessens nur am Rande wahr. Die größte Herausforderung liegt darin, dass sehr hohe Qualität zu einem sehr niedrigen Preis verlangt wird. Das ist kaum möglich. Wir als Lebensmittel-Großhändler können auf günstige Einkaufspreise zurückgreifen. Bei uns kostet ein Mittagessen für Schüler 2,20 Euro. Dafür bieten wir gesunde und hochwertige Mahlzeiten ohne Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker an. Das ist auch deshalb möglich, weil wir anders als Großküchen täglich nur eine überschaubare Anzahl an Mahlzeiten zubereiten. Den Schülern schmeckt es. Kritik kommt höchstens von sehr vorsichtigen Eltern. Die Schwierigkeit ist es, einen Mittelweg zu finden einerseits zwischen den Wünschen der Kinder, die nicht unbedingt mehr Gemüse und weniger Fleisch wollen, andererseits den Eltern, Schulen und der Politik, die richtigerweise Wert legen auf eine gesunde und vollwertige Verpflegung. In der Vergangenheit hat uns die Stadt Calau eine Ernährungsberaterin zur Seite gestellt, mit deren Hilfe wir unsere Speisepläne nochmals optimiert haben, orientiert an den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ich würde mir wünschen, dass uns etwas mehr finanzieller Spielraum zur Verfügung gestellt wird, damit wir den Wünschen nach mehr Abwechslung, mehr Regionalität, mehr Bio auch gerecht werden können. Insgesamt sind wir mit der derzeitigen Situation aber zufrieden.“
Matthias Claus, Geschäftsführer SSC-Lebensmittel Fachgroßhandel & Catering GmbH, versorgt 4 Kitas und Schulen in Calau und Cottbus.