Ziemlich beste Geschwister

Datum: Dienstag, 06. September 2022 15:59


Geschwister sind einander Vorbild – im Guten wie im aus Elternsicht weniger Erwünschten.

Vorbild oder Rivale? Zur Bedeutung von Geschwistern

Geschwister übernehmen im Laufe der Kindheit verschiedene Rollen füreinander: Verbündete und Kooperationspartner, Wettbewerber und Konkurrent, Vorbild und Lehrer, Spielgefährte und Vertraute. Welcher dieser Aspekte gerade überwiegt, hängt von mehreren Faktoren ab: Vom Altersabstand und von der Zahl der Geschwister, vom Geschlecht, aber auch vom Temperament und Charakter der Kinder – und nicht zuletzt vom Verhalten, das wir Eltern gegenüber unseren Kindern zeigen.

In jedem Fall deuten Studien darauf hin, dass Kinder von Geschwistern profitieren – sowohl in der sozialen als auch in der kognitiven Entwicklung. Jüngere Geschwister lernen von den Großen, bekommen Dinge von ihnen erklärt und gezeigt: Wie saust man am schnellsten den Rodelberg herunter? Wie schreibt man eine Geburtstagskarte für Oma? Wie überredet man Papa am besten zu noch einer Folge der Lieblingsserie? Mit Geschwistern lernen Kinder leichter und schneller Sozialkompetenzen wie Empathie, Rücksichtnahme, Kompromissbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass es Kindern mit Geschwistern leichter fällt, Freundschaften zu pflegen, weil sie mit Bruder oder Schwester das Streiten und Vertragen gelernt haben.

Nicht zuletzt dienen Geschwister als eine Art Puffer. Denn während Einzelkinder den positiven wie negativen Gefühlen ihrer Eltern immer direkt ausgesetzt sind, verteilt sich die Aufmerksamkeit bei mehreren Kindern, das gilt für Frust ebenso wie für Zuwendung, für Ärger genauso wie für Lob.

Eltern von Einzelkindern müssen jetzt nicht unsicher werden. Auch Einzelkinder entwickeln sich toll und eignen sich im Laufe ihres Lebens diese Sozialkompetenzen an. Das fällt ihnen umso leichter, je mehr ihnen schon in der Kindheit der Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglicht wird. Das kann in Kita und Schule sein, mit Freunden oder Nachbarskindern oder mit Cousins und Cousinen.

„Ich spiele mit meinen Geschwistern gern Schule oder Barbie. Und mit den Schleichpferden. Doof finde ich, wenn es Streit gibt.“

Thea, 5

Gibt es den idealen Altersabstand?

Wissenschaftlich lässt sich die Frage mit „ja“ beantworten: Am harmonischsten verläuft laut Familienforscher Hartmut Kasten die Geschwisterbeziehung zwischen großem Bruder und drei Jahre jüngerer Schwester: „Studien zeigen, dass es in Familien mit dieser Konstellation am seltensten zur Scheidung der Eltern kommt.“ Diese Geschwister kommen besonders gut miteinander klar, rivalisieren selten und können viel miteinander anfangen, so Kasten.

In der Praxis können Eltern den Altersabstand nicht unbedingt so beeinflussen, wie sie sich das vielleicht wünschen. Und wie bei jeder Regel gibt es auch hier Ausnahmen. So kann auch die eben erwähnte Konstellation zu viel Zoff führen, genauso wie zwei Schwestern mit einem Abstand von nur anderthalb Jahren ein Herz und eine Seele sein können. Kommt noch ein drittes und vielleicht viertes Kind hinzu, verändert sich das Familiengefüge erneut. Geschwister können sich jetzt nicht nur gegenüber den Eltern verbünden, sondern auch gegenüber den anderen Geschwisterkindern.

Generell gilt: Je näher sich die Kinder stehen, desto wahrscheinlicher wird es zu Konflikten kommen. Ein geringer Altersabstand und vielleicht noch das gleiche Geschlecht führen dazu, dass die Vergleichs- und Konkurrenzmöglichkeiten größer sind. Solche Geschwister stehen sich sehr nahe, entwickeln eine große Intimität, geraten aber auch häufiger aneinander.