Interview :: Seite 37
zialkritisch überhöht, es geht eben nicht um allein-
erziehende Mütter und deren Probleme, sondern
dient einfach als Unterbau für eine gute Geschichte.
Das mag ich an der Erzählart des Films. Ich bin kein
Freund von Filmen, die versuchen, mit dem ausge-
streckten Zeigefinger eine Moral oder politische An-
sicht zu vermitteln.
Ist es für Sie etwas Besonderes, mit Kindern und
für Kinder zu arbeiten?
Das ist sehr besonders und
macht mir viel Spaß. Kinder agieren aus einer ganz
anderen Motivation heraus. Für sie ist das kein Be-
ruf, sondern Alltag. Sie spielen einfach. Sie gehen
mit einer ganz anderen Einstellung an die Sache. Es
geht bei Kindern nicht um Ausdruck oder darum,
der Welt etwas mitzuteilen. Sie stellen sich hin und
sagen einen Satz – und danach setzen sie sich wie-
der hin und spielen irgendetwas. Es sind eben Kin-
der. Das empfinde ich als sehr erfrischend
Sie spielen den samt Stottern, Schielen und Ödipus-
komplex eher amüsant wirkenden Kleingangster
Boris, wieviel von Optik und Charakter der Rolle
konnten Sie beeinflussen?
Schon der erste Teil der
Trilogie spielt mit einer Überhöhung der Figuren. Da
wird nicht hart an der Realität gearbeitet. Im Buch
war schon klar, dass der Boris stottert. Da habe ich
den Vorschlag unterbreitet, es mit dem Schielen
noch etwas weiter zu treiben. Der Ödipuskomplex
war schon durch die Buchvorlage klar. Der Boris ist
ja eigentlich gar nicht böse, er steht nur unter dem
Pantoffel der omnipotenten, matriacharlischen Ur-
gewalt seiner Mutter. Boris ist eigentlich ein lieber
Kerl, aber total unterdrückt.
Sie stehen in Ihrer Schauspielerei eher für Charak-
terrollen, Boris wirkt dagegen wie die Figur aus ei-
ner Comedy-Soap. War das für Sie eine lustige Ab-
wechslung oder eine besondere Herausforderung?
Das ist ein ganz eigener Ansatz, das Chargieren
(übertriebenes Schauspielern, Anmerkung der Re-
daktion). Früher gab es in der Komödie richtige Gen-
re dafür. Da war Slapstick noch ein Ding für sich.
Das war eine eigene Kunst mit eigenen Gesetzen.
Am 11. Juni kommt mit „Rico, Oskar und
das Herzgebreche“ der zweite Teil der Ro-
mantrilogie von Andreas Steinhöfel über
die zwei ungewöhnlichen Kinderdetektive auf die
Leinwand. Zum Kinostart des ersten Teils sprachen
wir im vergangenen Jahr mit Karoline Herfurth,
die auch diesmal die Mutter des Haupthelden Rico
spielt. Beim zweiten Teil neu an Bord ist Moritz
Bleibtreu. Er verkörpert Boris, einen eher unfrei-
willigen Kleingangster, der unter der Fuchtel seiner
knallharten Mutter zum doch recht amüsanten Bö-
sewicht wird. Wir sprachen mit ihm über den neuen
Familienfilm und über seine wohl wichtigste Rolle
als Familienvater im realen Leben, die er seit der Ge-
burt seines Sohnes David vor sechseinhalb Jahren
ausfüllt:
Sie sind nicht oft in Kinderfilmen zu sehen, was hat
Sie ausgerechnet für „Rico, Oskar und das Herzge-
breche“ begeistert?
Ich mochte schon den ersten
Kinofilm sehr, ebenso die Buchvorlage. Andreas
Steinhöfel findet eine sehr schöne Sprache, diese
Geschichten zu erzählen. Es gelingt ihm, Kindern
auf eine sehr erwachsene Art und Weise und auf
Augenhöhe zu begegnen. Seit ich Vater geworden
bin, habe ich einige Kinderfilme gemacht. Insoweit
spielt sicher auch die persönliche Perspektive eine
Rolle. Das ist endlich mal wieder ein Film, den auch
mein eigener Sohn sehen kann.
Wie Rico im Film sind Sie selbst im realen Leben
mit einer alleinerziehenden Mutter und in eher
ungewöhnlichen Verhältnissen groß geworden,
schafft diese Parallele eine besondere Nähe zu die-
sem Film?
Nein. Ich baue sowieso keinen großarti-
gen persönlichen Bezug zwischen mir und den Ge-
schichten auf. Mich reizt ganz klar die Geschichte,
die sich vieler Figuren annimmt, die ihre ganz eige-
nen Probleme haben und oft Außenseiter sind, ohne
auf sozialen Stereotypen herumzuhacken. Die Cha-
raktere werden einfach aufgebaut und nicht großar-
tig begründet. Rico und Oskar haben ja beide keinen
Vater. Der eine, weil seiner ihn verleugnet – und der
andere hat erst gar keinen. Das wird aber nicht so-
Interview:
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