Vom Babyboom zur Kinderkrise?

Datum: Donnerstag, 24. August 2017 14:21

Engpass Hebamme

Das große Erwachen bei werdenden Eltern kommt schon bei der Suche nach einer Hebamme. Jede Schwangere, Gebärende, entbundene oder stillende Frau kann in ganz Deutschland Hebammenhilfe in Anspruch nehmen. Die Kosten übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen, der Umfang und die Vergütungen für diese Leistungen sind in der Hebammen-Vergütungsvereinbarung geregelt. Privatversicherte müssen sich über ihre Leistungsansprüche bei ihrer Krankenkasse informieren.

Wer sich mit der Suche nach einer Hebamme nicht befassen will, dem sei die normale Klinikgeburt empfohlen. Hier betreut die jeweils diensthabende Hebamme der jeweiligen Station die Geburt. Bei Informationsabenden kann man sich im Vorfeld einen Eindruck der Geburtsstationen verschaffen, das wird heute in allen Kliniken angeboten.

Wer jedoch sicher gehen will und großen Wert auf die individuelle Betreuung einer Hebamme legt, zu der man bereits im Vorfeld Vertrauen und eine persönliche Nähe herstellen konnte, der sollte sich zuvor um eine freie Hebamme bemühen. Diese nehmen sich Zeit für die Betreuung und müssen nicht wie viele Klinik-Hebammen im Schichtdienst bis zu vier Frauen gleichzeitig betreuen. Die Suche nach einer freiberuflichen Hebamme, die zum Teil auch Hausgeburten durchführen, könnte sich allerdings schwierig gestalten. Die Anzahl an freiberuflichen Hebammen reicht laut dem Hebammenverband Brandenburg schon seit Jahren nicht aus, der Babyboom verschärft das Problem. Eine Erhebung habe gezeigt, dass rund 70 Prozent der Brandenburger Hebammen bis zu fünf Frauen monatlich ablehnen, weil sie bereits voll ausgelastet sind. 21 Prozent der befragten Hebammen lehnen sogar sechs bis zehn Anfragen ab. Steigende Kosten und sinkende Vergütungen machen den Beruf immer unattraktiver. Inzwischen muss eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 7.600 Euro pro Jahr nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung zahlen. Im Jahr 2000 waren das gerade einmal 404 Euro. Aus diesem Grund sollten sich werdende Eltern mit dem Wunsch nach einer freien Hebamme sofort bei Bekanntwerden der Schwangerschaft darum bemühen. 

Jährliche Kosten der Berufshaftpflicht für Hebammen

2017: 7639 Euro
2016: 6843 Euro
2015: 6274 Euro
2014: 5091 Euro
2012: 4242 Euro
2010: 3689 Euro
2009: 2370 Euro
2000: 404 Euro

Zwar bekommen Hebammen einen Teil der Haftpflichtprämien zurückerstattet – dennoch können viele Hebammen diese Versicherungsprämien aufgrund des niedrigen Verdienstes nicht erwirtschaften. Grund für die stetigen Erhöhungen der Prämien sind die teuren Einzelfälle, in denen eine Geburt nicht optimal verläuft und beispielsweise Verdienstausfälle der Eltern beglichen werden müssen. Wer eine freiberufliche Hebamme in Anspruch nehmen möchte, sollte sich also auf eine Wartezeit einstellen. Auch wer eine Hebamme für die Nachsorge wünscht, kann mit der Suche nicht früh genug beginnen. Eine Übersicht über alle im Hebammenverband Brandenburg e.V. registrierten Hebammen findet man auf www.hebammen-brandenburg.de. Ein toller Tipp für junge Eltern, die sich in vielen Dingen noch unsicher sind, ist eine Betreuung im Netzwerk Gesunde Kinder durch eine erfahrene Patin, Infos unter www.netzwerk-gesunde-kinder.de.


Engpass Kita & Schule

Ist der Sprössling auf der Welt, kommt die nächste Herausforderung auf die frischgebackenen Eltern zu: Sie müssen einen Kitaplatz finden, sofern sie einen beanspruchen. Hier stehen auch in unserer Region bereits heute komplett ausgelastete Einrichtungen und lange Wartezeiten auf einen freien Platz auf der Tagesordnung. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft fehlten 2015 in den neuen Bundesländern über 30.000 Kita-Plätze. Im „Westen“ ist die Situation sogar noch deutlich prekärer (über 260.000 fehlende Plätze im Jahr 2015). Wenn die Landkreise und Kommunen das Kitaplatzangebot nicht an den steigenden Bedarf anpassen, kommen noch größere Engpässe auf die Kitas zu. Wir fragten auch in unserer Region nach: Viele Kitas betreuen derzeit mit Sondergenehmigung mehr Kinder als vorgesehen, Wartezeiten betragen bei gefragten Kitas weit über ein Jahr. Wie stellt sich die Kitaentwicklung in unserer Region aber genau dar?

In den sechs Senftenberger und elf Cottbuser Einrichtungen der Fröbel-Gruppe finden über 1.500 Kinder ihren Platz. Auch hier sind die Kapazitätsgrenzen erreicht und die Wartezeiten auf freie Plätze können sich lange hinziehen. Auf den wachsenden Bedarf an Kita-Plätzen sei zumindest die Stadt Cottbus aber gut vorbereitet, wie uns Cornelia Klett, Geschäftsleitung der Region Lausitz der Fröbel-Gruppe mitteilte. So sollen neue Kindertagesstätten und auch eine Betriebs-Kita im Carl-Thiem-Klinikum eröffnet werden. Bis dahin würden Ausnahmegenehmigungen mit zusätzlichen Plätzen für diverse Kitas bei der Überbrü- ckung helfen. Außerdem könnten die Arbeitszeiten von Erziehern, die nicht in Vollzeit arbeiten, zum Beispiel von 32 auf 35 Wochenstunden erhöht werden. Ein Blick in die Kita-Entwicklungskonzeption 2017- 2022, die die Stadtverwaltung Cottbus im Februar 2017 beschlossen hat, zeigt, wie der Bedarf an Kita-Plätzen in der Lausitzmetropole langfristig gedeckt werden soll:

Mehr Kita-Plätze in Cottbus: Hier sollen sie entstehen.

Kurzfristig (2017-2018)

  • Schaffung von 110 Plätzen durch die Kita „Campus“ im Ortsteil Schmellwitz
  • Erweiterung der Kita „Grashüpfer“ um fünf Plätze
  • Erweiterung der Kita „Humi Kids“ von 132 auf 150 Plätze
  • Erweiterung der Ev. Kita „Bodelschwingh“ von 130 auf 140 Plätze
  • Schaffung von 5 Tagespflegeplätzen für Kinder unter drei Jahren im Ortsteil Kiekebusch
  • Schaffung von 5 Tagespflegeplätzen für Kinder unter drei Jahren im Ortsteil Dissenchen


Mittelfristig (bis 2022)

  • Schaffung von 100 neuen Plätzen im Ortsteil Ströbitz
  • Schaffung von 100 neuen Plätzen im Ortsteil Mitte
  • Sanierung der Wehrpromenade 2 und damit 80 neue Plätze in Cottbus-Sandow


Die Anzahl an Cottbuser Hortplätzen soll in den nächsten Jahren ebenso erweitert werden. In der Reinhard-Lakomy-Grundschule ist ein Hortneubau als Ersatz für die derzeit bestehende Baracke geplant. Der Hort der Sportbetonten Grundschule arbeitet bereits mit Ausnahmegenehmigungen hinsichtlich der Platzzahlen und soll ab dem Schuljahr 2017/18 das Schulgebäude in der Gartenstraße 19 nutzen. Hier entsteht Platz für 120 Hortkinder. Im wachsenden Stadtteil Ströbitz wurde der Bedarf von 140 neuen Hortplätzen prognostiziert. Außerdem soll geprüft werden, ob im Ortsteil Spremberger Vorstadt noch eine neue Kindertageseinrichtung mit 100 Plätzen errichtet werden soll. Hier könnte auch die geplante Betriebs-Kita des Carl-Thiem-Klinikums den Bedarf decken. Laut Herrn Hurrask vom Klinikum befindet man sich dafür aktuell in Gesprä- chen mit der Stadtverwaltung: „Seit der Bedarf an Kitaplätzen in Cottbus gestiegen ist, kommt wieder mehr Bewegung in die Sache. Da viele Vorschriften einzuhalten sind, befinden wir uns aber noch in der Planungsphase.“ Wann ungefähr der erste Spatenstich gesetzt wird, könne man daher noch nicht sagen. Der Bedarf sei aber definitiv vorhanden. Auch das ehemalige Haus der NVA vis á vis der gläsernen Uni-Bibliothek soll 2019 als Kita neu eröffnen.

In den Landkreisen der Lausitz macht sich der Babyboom ebenso in der Kitaplanung bemerkbar. Zwar liegen hier die genauen Geburtenzahlen für 2016 noch nicht vollständig vor, dennoch beanspruchen auch hier immer mehr Eltern einen Kitaplatz und auch der Zuzug von Geflüchteten wirkt sich aus. Bislang ging man in den meisten Landkreisen von sinkenden Geburtenzahlen aus, wie frühere Prognosen vorausgesagt hatten. Die entstandene Prognoselücke veranlasst einige Kommunen nun zum Ausbau des Betreuungsangebots.

Entwicklung der Geburtenzahlen in der Lausitz

Jahr Cottbus

Oberspreew.-
Lausitz

Dahme-
Spreewald

Spree-
Neiße

Elbe-
Elster

Lausitz
gesamt

2005 716  847  1076  821  748  4208
2006  731  763  1119  822  742  4177
2007  709  817  1207  843  766  4342
2008  732  826  1196  865  804  4423
2009  791  798  1203  791  705  4288
2010  824  820  1248  753  704  4349
2011  782  810  1178  792  682  4244
2012  801  814  1198  758  721  4292
2013  807  781  1233  751  650  4222
2014  807  773  1238  811  670  4299
2015  789  813  1302  797  715  4416
2016*  842  802    802    

Quelle: Amt für Statistik Brandenburg *vorläufige Zahlen anhand der Zuarbeiten der Einwohnermeldeämter