Titelthema :: Seite 54
Mütter gehen mit vielen Impulsen
nach Hause. Bei der Umsetzung in
den Alltag unterstützen auch die
Beratungsstellen im MGW-Ver-
bund. Das ist unsere „Therapeuti-
sche Kette“.
Was können Mütter denn kon-
kret tun, um nach der Heimreise
noch möglichst lange von der Kur
zu profitieren?
Das wichtigste ist,
dass die Mütter nach der Kur sorg-
samer mit sich selbst umgehen. Sie
können nur dann stark sein, wenn
sie die Fürsorge für sich selbst stär-
ken. Für viele Frauen verändern
die drei Wochen in der Kur den
Blick auf die eigene Situation und
Gesundheit. Ein Beispiel: Alle Müt-
ter wissen, dass es anderen Müt-
ter genauso geht wie ihnen. Aber
erst wenn sie sich und die ande-
ren während der Kur gemeinsam
erleben und sich austauschen,
glauben sie es auch. Das und die
Therapien helfen ihnen, die eige-
ne Messlatte zu verändern. Es gibt
viele Stellschrauben, an denen sie
danach drehen können. Das kann
ein freier Abend pro Woche sein,
das kann eine neue Arbeitstei-
lung innerhalb der Familie sein.
Darüber hinaus bieten wir Nach-
sorge am Wohnort an, das fängt
mit einem Beratungsgespräch an,
kann aber auch die Vermittlung in
eine Selbsthilfegruppe oder einen
Sportkurs sein.
Aus Ihrer Erfahrung – was
sind die häufigsten Grün-
de, warum Mütter eine
Mutter-Kind-Kur beantragen?
Von
den etwa 50.000 Frauen, die über
eine Klinik im Müttergenesungs-
werkes eine Kur machen, leiden
mehr als 80 Prozent an Erschöp-
fungszuständen bis zum Burnout,
d.h. an Schlafstörung, depressi-
ver Verstimmung, Rückenschmer-
zen, Unruhe, Gereiztheit. Wenn
eine Mutter das Gefühl hat: ,Ich
kann nicht mehr.‘ Wenn sie mit
dem vierten Infekt in diesem Jahr
kämpft oder nachts nicht mehr
durchschlafen kann, dann emp-
fehlen wir dringend, über eine Kur
nachzudenken und über eine kos-
tenfreie Beratung in einer unse-
rer rund 1.300 Beratungsstellen im
MGW-Verbund.
Nun klingt es aber eher so, dass
die Frauen meist erst über eine
Kur nachdenken, wenn es schon
fast zu spät ist…
Der Gesundheits-
zustand der Mütter zeigt eindeu-
tig, dass Mütter relativ spät Hilfe
suchen. Sie versuchen möglichst
lange zu funktionieren, stellen die
Bedürfnisse der Kinder bzw. der
Familie und Umfeld über ihre ei-
genen Bedürfnisse. Ihre eigene Er-
schöpfung, den Gedanken an eine
Kur, gestehen sie sich spät ein.
Oft brechen Mütter, die in die Be-
ratung kommen, in Tränen aus,
wenn sie gefragt werden, wie es ih-
nen geht. Das zeigt, dass sie weit
über ihre Grenzen gegangen sind.
Wie ließe sich erreichen, dass die
Frauen eher Hilfe in Anspruch
nehmen?
Das wichtigste ist sicher
Aufklärung und Information. Vie-
le Frauen wissen, dass es Mutter-
Kind-Kuren gibt, sehr viel weniger
wissen, dass es auch reine Mütter-
Kuren ohne Kind gibt. Oft glauben
die Frauen auch, sie hätten nur bei
einer schweren Erkrankung wie
Krebs oder bei einem Bandschei-
benvorfall Anspruch auf eine Kur.
Das stimmt aber nicht, Kuren für
Mütter sind in der Mehrzahl Vor-
sorgemaßnahmen.
Eine solche Kur dauert in der Re-
gel drei Wochen – reicht das aus,
um die Probleme zu kurieren, die
sich vielleicht über Jahre angesam-
melt haben?
Das reicht natürlich
nicht aus. Allerdings sind die Kur-
maßnahmen im MGW ganzheit-
lich angelegt. Es geht nicht nur
um die Rückenschmerzen oder
Kopfschmerzen, sondern auch um
die Lebenssituation als Mutter. Die
Kuren sind dreidimensional: Medi-
zinische Anwendungen gehören
dazu, aber auch physiotherapeuti-
sche Angebote und psychosoziale
Therapien. Eine Kur ist auch Hilfe
zur Selbsthilfe. Sie soll die Kraft-
reserven der Mütter freilegen. Die
Das Müttergenesungswerk setzt sich seit 1950 für die Gesunderhaltung von
Müttern ein und berät jährlich tausende Frauen zu Kurmaßnahmen. Wir
sprachen mit Geschäftsführerin Anne Schilling darüber, warumMütter eine
Kur erst beantragen, wenn es schon fast zu spät ist und wie es ihnen gelin-
gen kann, wieder mehr auf sich selbst achtzugeben.
Viele Mütter gehen weit über die
Grenzen ihrer Belastbarkeit
Foto: Deutsches Müttergenesungswerk




