Titelthema :: Seite 37
len sich tagtäglich hinter verschlossenen Türen ab
– von der Öffentlichkeit unbemerkt. Sind die Eltern
mit ihrem Nachwuchs offensichtlich überfordert,
greift die Kinder- und Jugendhilfe, je nach Bundes-
land hat der Staat unterschiedliche Möglichkeiten,
um zu helfen: Hausbesuche, Gespräche, Beratun-
gen, Familienhelfer, Tagesgruppen für die Kinder.
Das betroffene Kind aus der Familie herauszuholen
und anderweitig unterzubringen, ist immer das letz-
te Mittel. In solchen Fällen muss schnell eine Unter-
bringungsmöglichkeit für das Kind gefunden wer-
den: ein Heim, eine betreute WG, eine Pflegefamilie.
Geben die Eltern nicht freiwillig ihr Einverständnis
für eine Herausnahme des Kindes, muss das Famili-
engericht entscheiden. Stimmt es der Herausnahme
zu, wird eine neue Perspektive für das Kind gesucht.
Ältere Kinder werden eher in Wohngruppen im
Heim untergebracht, jüngere Kinder hingegen wer-
den eher in eine Pflegefamilie vermittelt.
Täglich werden Kinder missbraucht und
misshandelt, geschlagen und vernachläs-
sigt, häufig von den eigenen Eltern. Das Thema ist
heikel und der Staat macht es sich nicht einfach:
Wann muss ein Kind vor seinen Eltern geschützt
werden? Wann sind sie nicht mehr in der Lage, es
gut zu versorgen? Droht einem Kind Gefahr durch
Vernachlässigung und Missbrauch oder wegen Al-
kohol- und Drogenproblemen seiner Eltern, greift
das Jugendamt ein. Ihm muss der Spagat gelingen,
das Kind einerseits zu schützen, es andererseits
möglichst lange bei seinen leiblichen Eltern zu las-
sen. Wie schwierig dieses Abwägen im Einzelfall ist,
zeigen Fälle wie von der verhungerten fünfjährigen
Lea-Sophie in Schwerin 2008 oder dem an seinen
Misshandlungen verstorbenen zweijährigen Kevin
in Bremen 2006. In solchen Fällen sind die Medien
schnell zur Stelle, die Öffentlichkeit wird hellhörig.
Die meisten Fälle vernachlässigter Kinder aber spie-
Redaktion:
Anett Linke, Foto links: Steffen Schwenk
(light-impression.de)»
Familie auf Zeit
Wenn Pflegekinder ein Zuhause suchen –
rund um die Pflegefamilie.
dauerhaft in einer Pflegefamilie, Tendenz
leicht steigend. 73.000 Kinder und junge
Erwachsene lebten 2014 in einem Heim oder
einer anderen Form betreuten Wohnens. In
Brandenburg liegt die Zahl der Kinder und
jungen Erwachsenen in Pflegefamilien bei
2.100, in Sachsen bei 2.900. Für die Kinder-
und Jugendhilfe gab Deutschland 2010 ins-
gesamt 29 Milliarden Euro aus, den größten
Posten machen Krippen und Kitas aus. Schon an
zweiter Stellen folgen mit 7,5 Mrd. Euro die Erzie-
hungshilfen, worunter u. a. die Unterbringung in
Heimen bzw. Wohngruppen oder Pflegefamilien
zählt – auch hier gilt: Tendenz seit Jahren steigend.
Vergleicht man die Kosten von Heimerziehung und
Pflegekinderhilfe, so wird deutlich, dass die Pflege-
kinderhilfe in gewisser Hinsicht ein »Sparschwein«
der Kinder- und Jugendhilfe ist (siehe Grafik).
In Deutschland sind derzeit etwa 150.000 Kin-
der außerhalb ihrer Familie untergebracht,
um sie zu schützen – etwa jedes dritte dauerhaft in
einer Pflegefamilie. Die aktuellsten Zahlen liegen
von 2014 vor: In diesem Jahr wurden 55.800 Kinder
aus ihren Familien herausgenommen. 39.800 von
ihnen kamen in ein Heim bzw. betreutes Wohnen,
16.000 Kinder kamen in eine Pflegefamilie, 6.000
mehr als noch zehn Jahre zuvor. Insgesamt leb-
ten 2014 gut 69.800 Kinder und junge Erwachsene
Kinder- und Jugendhilfe in Zahlen
Als verantwortlich f
71% der ASD, zu 49
träger genannt; die
werden oder auch w
eine Plegefamilie (v
* Mit der Erhebung für das Jahr 2007 hat sich das Erhebungskonzept für die
Hilfen zur Erziehung im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfesta-
tistik verändert. Hiervon bet ofen ist auch die Erfassung der Heimerziehung
und deren Ausdiferenzierungen. Angaben vor 2007 und ab 2007 sind unter
-
schieden nach Heimen und betreuten Wohnformen und im Zeitreihenver-
gleich nicht miteinander vergleichbar.
Nach der Strukturerhebung des DJI (DJI/DIJuF 2006) wird die Plegekin
-
Zuständigkeiten: Pfl
(Mehrfachnennungen
Jahr
Heimerziehung und sonstige betreute
Wohnformen
Vollzeitpflege
Kosten
(in 1000 EUR)
Anzahl der
Kinder in
Heimunter-
bringung
Anzahl der
Kinder
in sonstigen
Wohnformen
Gesamt
Kosten
(in 1000 EUR)
Anzahl der
Kinder in
Vollzeitpflege
in einer
anderen Familie
2000
2.336.901
64.212
9.061
72.273
509.429
53.321
2005
2.523.700
60.871
7.430
68.301
640.664
54.631
2008
2.681.687
/*
/*
68.629
733.558
60.347
Tabelle 2: Kosten für Heimunterbringung und Vollzeitpflege im Vergleich
(Summe aus: Bestandsaufnahme zum jeweils 31.12. sowie den im Laufe
eines Jahres beendeten Hilfen, Quelle: Statistisches Bundesamt; Zusammenstellung
und Berechnung Arbeitsstelle Kind r- und Jugendhilfestatistik
7
)
rganisationsstrukturen und Schlüsselzahlen
berblick über Organisationsstrukturen in der Pflegekinderhilfe
85%
8%
Ab
16%
9%
Zuständigkeiten: He
(Mehrfachnennungen
2%
5%
Tabelle: Kosten für Heimunterbringung und Vollzeitpflege im Vergleich (Summe aus: Bestandsaufnahme zum jeweils 31.12. sowie den im Laufe
eines Jahres beendeten Hilfen, Quelle: Statistisches Bundesamt; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik)




