Titelthema :: Seite 43
die Pflegefamilie aber den Alltag mit dem Pflege-
kind bewältigen muss, ohne ständig um Erlaubnis
zu fragen, dürfen sie über bestimmte Dinge allein
entscheiden. (siehe Abschnitt „Rechtliches“)
Doch bei all diesen Schwierigkeiten und Heraus-
forderungen hat das Leben mit Pflegekindern auch
schöne Seiten: Jedes Lächeln, jeder Fortschritt, je-
der Entwicklungssprung, jede Umarmung des Kin-
des entschädigen für die Strapazen des Alltags.
Die Rolle leiblicher Kinder
Wie bereits angedeutet, sollten die eigenen Kinder
in die Entscheidung für ein Pflegekind miteinbezo-
gen werden. Sie müssen diese Entscheidung grund-
sätzlich mittragen, damit das Zusammenleben in
der veränderten „Großfamilie“ funktioniert. Etab-
liert hat es sich, dass das Pflegekind deutlich jünger
oder älter als die leiblichen Kinder ist, also min-
destens drei Jahre Altersabstand. Ist es jünger, hat
es den Vorteil, dass es vielleicht „Welpenschutz“
genießt und dass die großen Geschwister sich bei
Bedarf wehren können, sollte das Pflegekind tat-
sächlich durch aggressives Verhalten auffallen. Ein
eigenes Kinderzimmer für das Pflegekind macht es
für alle Beteiligten einfacher. So hat jeder sein Reich
und kann sich bei Bedarf zurückziehen.
Wie bei leiblichen Geschwistern werden Eifersucht
und Streit nicht ausbleiben. Dann besteht die He-
rausforderung für die Eltern, ruhig und fair zu
bleiben. Sie sollten weder das Pflegekind noch das
leibliche Kind bevorzugen oder als den Bösen hin-
stellen. Im Umgang miteinander sollten klare Re-
geln aufgestellt werden, die für alle gelten. Nimmt
das Pflegekind besonders viel Zeit und Aufmerk-
samkeit der Eltern in Anspruch, kann exklusive
Mama-und-Papa-Zeit für die leiblichen Kinder ein
guter Ausgleich sein.
Die Familienerweiterung bietet auch Chancen für
die eigenen Kinder. Sie bekommen weitere oder
überhaupt Geschwister, sie haben neue Spielkame-
raden. Sie profitieren vor allem auf sozialer Ebene,
lernen Toleranz und Fairness, Durchsetzungsver-
mögen und Nachsicht. Sie lernen die vielleicht völ-
lig andere Lebenswelt der Pflegekinder kennen.
Besonderheiten bei ausländischen Kindern
Prinzipiell ist es möglich, ausländische Kinder in
deutsche Pflegefamilien zu geben. Durch die hohe
Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ist
der Bedarf an Pflegefamilien, die bereit sind, aus-
ländische Kinder aufzunehmen, sehr groß. Die
Rechte und Pflichten für ein solches Pflegeverhält-
nis sind prinzipiell gleich, die Herausforderun-
gen meist größer. Spricht das Kind kein oder nur
schlecht deutsch, ist dies eine erste Hürde, die es zu
bedenken gilt. Es erschwert die so wichtige Verstän-
digung. Kommt das Kind aus einem anderen Kultur-
kreis, kann das zu Konflikten im Alltag führen. Das
Kind ist nicht nur zwischen zwei Familien zerrissen,
sondern auch zwischen zwei Lebenswelten. Besteht
Kontakt zur Herkunftsfamilie, kann diese durchaus
verlangen, dass das Kind seinen Glauben im Alltag
leben darf. Das kann bedeuten, dass es beispiels-
weise kein Schweinefleisch isst, Kopftuch trägt oder
einen Platz zum Beten braucht. Gerade Flüchtlinge
sind von den Erlebnissen in ihrem Heimatland und
während der Flucht oft traumatisiert. Sie brauchen
besondere Zuwendung und Unterstützung. Die
teilweise unklare Bleibeperspektive in Deutsch-
land kann das Pflegeverhältnis zusätzlich belasten.
Pflegefamilien, die ein ausländisches Kind bei sich
aufnehmen wollen, sollten idealerweise selbst Er-
fahrungen mit anderen Ländern und Sitten gemacht
haben, sei es durch eigene Reisen oder die Aufnah-
me von Austauschschülern. In jedem Fall sollten
sie offen für andere Kulturen sein. Dann bietet die
Aufnahme ausländischer Kinder und Jugendlicher
großartige Chancen, sie kann eine Bereicherung für
die ganze Familie sein.
Besonderheiten bei behinderten Kindern
Behinderte Kinder, die nicht mehr in ihrer eigenen
Familie leben können, bekommen in Deutschland
nur selten die Chance auf eine Pflegefamilie. Öfter
kommen sie ins Heim. Ein Problem bei der Versor-
gung behinderter Kinder außerhalb ihrer Familie
ist die Frage der rechtlichen Zuständigkeit. Je nach
Behinderung fällt das Kind in die Zuständigkeit des
Sozialamtes als Leistung der Eingliederungshilfe
nach SGB XII oder aber wie nicht-behinderte Pflege-
kinder in die Zuständigkeit des Jugendamtes als
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