Titelthema :: Seite 68
bänden die Aufnahme von Kinder-
rechten ins Grundgesetz. Haben
Sie berechtigte Hoffnung, dass Sie
die Umsetzung in der nächsten Le-
gislaturperiode erleben werden?
Die Gesellschaft hat sich entwickelt,
das Kind wird heute als eigenstän-
diges Wesen mit eigenen Rech-
ten angesehen und das sollte sich
auch imGrundgesetz wiederfinden.
Tatsächlich gibt es einen einstim-
migen Beschluss der Justizminis-
terkonferenz dazu und diese For-
derung taucht mittlerweile in den
Parteiprogrammen fast aller gro-
ßen Parteien auf. Wenn nach der
anstehenden Bundestagswahl der
Gesetzentwurf kommt, sollte die
notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit
kein Problem sein. Skeptisch bin
ich allerdings noch, was den In-
halt des Gesetzes angeht. Es reicht
nicht, dass da steht: Der Staat küm-
mert sich um die Kinder. Es muss
deutlich werden, dass Kinder eigen-
ständige Ansprüche haben.
Gegner dieser Initiative argumen-
tieren, dass die Verankerung von
Kinderrechten im Grundgesetz
nicht nötig sei, da die Grund- und
Menschenrechte auch für Kinder
gelten. Sie befürchten, dass der
Staat sich so mehr Eingriffsrechte
in das elterliche Erziehungsrecht
verschaffen möchte. Was entgeg-
nen Sie diesen Kritikern?
Im Vergleich zu Ländern
in Afrika oder Südostasi-
en, geht es Kindern in
Deutschland vergleichsweise gut
– warum setzt sich das Deutsche
Kinderhilfswerk dennoch so vehe-
ment für die Rechte von Kindern in
Deutschland ein?
Kinderrechte gelten weltweit, auch
in Deutschland. Das DKHW wurde
ursprünglich von Unternehmern
gegründet, die zum Ziel hatten
die Spielplatzsituation zu verbes-
sern. Noch heute gilt: Das Recht
auf Spiel ist ein Kinderrecht, dass
uns vor Herausforderungen stellt.
Es gibt nur wenige Länder, wo die
Kinder unter so einer starken Päd-
agogisierung und Verhäuslichung
aufwachsen wie hier. Dadurch
rückt das freie, selbst organisier-
te Spiel immer mehr in den Hin-
tergrund. Aber Kinder brauchen
Freiräume zum Spielen, um sich
zu entwickeln. Laut unserer Um-
frage zumWeltkindertag sind Kin-
der heute im Schnitt weit mehr als
40 Stunden pro Woche fremdbe-
stimmt eingetaktet – durch Kita,
Schule, Hobbys. Wir Erwachse-
nen würden uns diese Fremdbe-
stimmung nicht so gefallen lassen,
wie wir es von unseren Kindern er-
warten. Die Eltern meinen es gut.
Dabei ist einfach nur rumsitzen gar
nicht so negativ, wie Erwachsene
oft glauben. Im Gegenteil: Kinder
brauchen diese freie Zeit zur Erho-
lung, um kreativ zu werden, um
ihren Träumen nachzugehen. Das
ist Entwicklungszeit für Kinder. In
dieser Zeit entstehen eigene Ideen,
eigene Neigungen.
Was hat das DKHW in den letzten
25 Jahren – seit Unterzeichnung
der UN-Kinderrechtskonvention –
für Kinder in Deutschland erreicht?
Ein wichtiger Punkt ist sicher die
Spielplatzgestaltung: In den 1970er
Jahren galt ja noch die heilige Drei-
faltigkeit aus Schaukel, Wippe und
Rutsche. Heute gibt es eine gro-
ße Vielfalt an Spielplätzen, The-
menspielplätze genauso wie Be-
wegungsspielplätze. Ein weiterer
Baustein unserer Arbeit ist die
Förderung von Projekten: Jährlich
unterstützen wir damit etwa 400
Vereine und Initiativen, dazu ge-
hören selbstorganisierte Jugend-
clubs ebenso wie Ferienfahrten für
bedürftige Kinder. Auf politischer
Ebene haben wir erreicht, dass
Kinderlärm im Immissionsschutz-
gesetz neu bewertet wurde. Kinder
werden nun nicht länger als Ma-
schinen betrachtet, sondern Kin-
derlärm gilt heute als natürlicher
Lärm. Schlussendlich wir sind mit
unserer Forderung „Kinderrechte
ins Grundgesetz“ ein ganzes Stück
voran gekommen.
Inwiefern? Sie fordern bereits seit
2007 gemeinsammit weiteren Ver-
Einer der wichtigsten Vorkämpfer für Kinderrechte in Deutschland ist das
Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW). Wir sprachen mit Geschäftsführer Hol-
ger Hofmann über die Umsetzung von Kinderrechten in der Politik und in
der Familie. Hofmann, selbst Vater, erklärt, warum die Interessen der Kin-
der bei einem Straßenbau ebenso berücksichtigt werden sollten, wie in der
Schule oder zu Hause.
Kinder wollen mehr mitbestimmen
© DKHW/Lueders




