Titelthema :: Seite 35
hat, der sollte bedenken: Auch Kinder finden es
nicht schön, wenn Mama ihrer besten Freundin
erzählt, wie der Sohnemann wegen des falschen
Desserts einen Wutanfall bekommen hat – und
der kleine Trotzkopf steht daneben. Also gilt: Den
Kleinen soziales Miteinander vorleben und durch-
aus erklären, was sie sagen dürfen und was besser
nicht – aber unter vier Augen und nicht direkt in
der peinlichen Situation. Es hat ja durchaus sein
Gutes, dass die Kleinen noch alles unverfälscht
und ungefragt erzählen. So bekommen Mama und
Papa schnell mit, was den Nachwuchs beschäftigt.
In der Pubertät würden sich manche Eltern wieder
etwas gesprächigere Kinder wünschen.
Aber warum lügen Kinder überhaupt? Anfangs ist
es wie auch die Trotzphase ein Austesten neuer
Grenzen und ein Nachahmen der Erwachsenen,
die selbst nicht schwindelfrei sind. Später wollen
sie Strafen vermeiden, bangen um die elterliche
Zuneigung, testen die Reaktion von Papa, wollen
vielleicht vor Freunden angeben oder sie schämen
sich, weil sie etwas Unerlaubtes getan haben. War-
um auch immer der Nachwuchs lügt, Eltern stehen
vor der Frage: Wie gehe ich damit um?
Kinder meist im Schulalter. Erst dann setzen sie
Lügen auch bewusst und mit einer bestimmten Ab-
sicht ein, beispielsweise um einer Strafe zu entge-
hen. Noch ein paar Jahre später lernen sie soziales
Lügen: Höflichkeitslügen. Sie bedanken sich bei
der Tante artig für den hässlichen Pullover. Dann
gehören auch peinliche Situationen im Bus der
Vergangenheit an: „Mama, die Frau ist aber dick.“
Bis Kinder gelernt haben, dass sie nicht alles jedem
sagen sollten, braucht es ein paar Jahre. Meist be-
herrschen sie das „soziale Lügen“ mit etwa zehn
Jahren. Eltern sollten in dieser Zeit mit Gelassen-
heit und Humor reagieren. Es wird immer wieder
passieren, dass die kleinen Plaudertaschen Freun-
den, Nachbarn oder Fremden Dinge aus dem Fami-
lienalltag erzählen, die man lieber in den eigenen
vier Wänden belassen hätte. Das Bonmot „Kinder-
mund tut Wahrheit kund“ kommt nicht von unge-
fähr. Daher sollten heikle Themen wie Finanzen,
Eheprobleme oder Sexualität möglichst nicht vor
den Kindern besprochen werden. Was sie nicht
wissen, können sie nicht weitererzählen. Wer nicht
möchte, dass die Fünfjährige der Erzieherin unge-
fragt erzählt, dass Mama den Papa angeschrien
»
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