Titelthema :: Seite 36
Vom richtigen Umgang
mit kleinen Schwindlern
Bestrafen wäre der falsche Weg. Denn die meisten
Kinder Lügen ja gerade, weil sie Angst vor Stra-
fe haben. Werden sie dann tatsächlich bestraft,
werden sie mit der Zeit nur versuchen, geschick-
ter zu lügen. Wenn Kinder tatsächlich aus Angst
vor Strafe lügen, sollten Eltern überlegen, ob sie
vielleicht zu streng sind oder manches Verbot mit
der Zeit gelockert werden sollte, weil das Kind äl-
ter und selbständiger wird. Wo Kinder auch mal
Fehler machen und immer die Wahrheit sagen
dürfen ohne Angst vor Strafe oder Schelte, braucht
es das Schwindeln nicht. Nimmt das Lügen nicht
überhand und betrifft nur Kleinigkeiten, können
die Eltern auch mal darüber hinweg sehen anstatt
die Flunkerei zu dramatisieren. Kleine Pinocchios
immer zu ignorieren, wäre aber der falsche Weg.
Wird ein Kind für sein Lügen nie zur Rede gestellt,
entwickelt es ein falsches Wertesystem, lernt kein
soziales Verhalten. Der bessere Weg: Lügen nicht
dramatisieren, aber dem Kind sehr wohl klar ma-
chen, dass man Lügen nicht duldet und dass es die
Wahrheit sagen kann und soll. Der Satz „Ich weiß,
dass das nicht stimmt.“, kann bei kleinen Lügnern
schon ausreichen. Wächst sich das Lügen im Lau-
fe der Grundschulzeit nicht aus, sollten die Eltern
hellhörig werden. Lügt die Neunjährige immer wie-
der, dann sollten sie gemeinsam nach möglichen
Ursachen suchen. Braucht sie Aufmerksamkeit,
hat sie andere Probleme?
Für kleine wie große Schwindler gilt: Lügen schau-
en sie sich von den Erwachsenen ab, meist von
den eigenen Eltern. Wie bei den meisten Reizthe-
men zwischen Nachwuchs und Eltern gilt: Regeln
und Verbote funktionieren nicht, wenn die Eltern
sich nicht selbst daran halten. Mütter und Väter
schwindeln den ganzen Tag, wie auch jeder kin-
derlose Erwachsene. Es beginnt mit dem harmlo-
sen „Guten Morgen“ für die verhassten Kollegin
und endet mit „Heute nicht, ich hab Kopfschmer-
zen.“ abends im Ehebett. Meistens lügen wir aus
Höflichkeit, um andere nicht zu verletzen, sie zu
schonen, aus Bequemlichkeit oder weil wir die
Konsequenzen scheuen. In den meisten Fällen ist
das harmlos und auch völlig legitim, weil es das
Miteinander einer Gesellschaft erleichtert. Oft ge-
nug lügen wir aber auch den eigenen Nachwuchs




